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Musik an sich |
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Der König tanzt (Soundtrack)
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(Universal/Deutsche Grammophon)
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Klassik
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"Kasperletheater für Bildungsbürger" lautete das kurze Statement meines Bruders zum neuen
Film des "Farinelli"-Regisseurs Gérard Corbiau. Was einmal funktionierte, geht auch ein zweites
Mal, wird sich dieser gedacht haben. Arbeitete sich in seiner letzten Produktion der Star-Kastrat
Farinelli am musikalischen Über-Ich Händel und den Opern seines talentlosen Bruders ab, ist
es hier der Gottvater der Französischen Musik, Jean-Baptiste Lully, der sich auf Gedeih und
Verderb an König Ludwig XIV. bindet, für diesen und nur für diesen allein seine Musik schreibt.
Bis der Dirigentenstock im Fuß landet...
Dass Corbiau sich beim Soundtrack seines Films für den deutschen Alte-Musik Experten
Reinhard Goebel entschied, löste in Frankreich heftige Irritationen aus. Hatte man nicht eigene
Experten wie William Christie und Marc Minkowski, die sich um Lullys Musik verdient gemacht
hatten? Das kulturelle Gedächtnis ist bekanntermaßen lang, und so erinnerte man sich, daß
Goebel vor 20 Jahren einmal gesagt hatte, französische Barockmusik sei langweilig. Ein
Sakrileg! Goebel konterte im Focus: Was kümmerten ihn nationale Befindlichkeiten, er sei ein
Reformer des Barock, Lullys Musik sei derb und in Frankreich spiele man ihn zu schwülstig.
Man kann davon halten, was man will: Goebels Lully trägt den Film über manchen
dramturgischen Durchhänger hinweg. Mit großer Besetzung inklusive diversem Schlagzeug
wird die Musik des 17. Jahrhunderts wieder lebendig. Das Monument Lully wird in den 35
kurzen Stücken zwar nur in Umrissen erkenntlich, als Appetitanreger ist diese CD aber
unbedingt zu empfehlen. Der „Türkische Marsch“ aus „Le Bourgeoise gentilhomme“ und die
Passacaille aus "Armide" werden opulent und mit Verve dargeboten. Mein heimlicher Favorit ist
das eher zarte "Prélude de la nuit" (Track 22), ein Stück von wunderbarer Melancholie. Wenn
dann nach 75 Minuten Trompetenschall und Trommel-Donner doch das Bedürfnis nach etwas
mehr französischem Zartgefühl aufkommen sollte, empfehle ich für Fortgeschrittene Christies
Einspielung von „Atys“. Weniger scharf und monumental als Goebels Darbietungen, hat diese
Aufnahme dennoch nichts von ihrer betörenden Schönheit verloren.
Georg Henkel
16 von 20 Punkten
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