Rameau, J.-Ph. (Vashegyi, G.)
Les Fêtes d’Hebé (Opernballett)
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Info |
Musikrichtung:
Barock Oper Ballett
VÖ: 06.05.2022
(Glossa / Note 1 / 3 CD / DDD / 2021 / Best. Nr. GCD 924012)
Gesamtspielzeit: 175:44
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ROKOKOTRÄUME
Während Jean-Phlippe Rameaus erstes Opernballett „Les Indes Galantes“ sich regietheatermäßig auch für Postkolonialismus-Debatten oder Multi-Kulti-Gesellschaftskritik adaptieren lässt, gestaltet sich eine Aktualisierung bei seinem zweiten Wurf „Les Fêtes d’Hebé“ schon deutlich schwieriger. Was soll man heute mit diesem revueartigen Mix aus Kulturgeschichte (es geht um die mythische Geburt von Poesie, Musik und Tanz) und vorhersehbaren Rokoko-Amouren anfangen?
Musikalisch sind „Les Fêtes d’Hebé“ freilich eine wahre Wunderkammer: Kaum ein anderes seiner Werke hat Rameau mit einer solchen Fülle vielfältiger Musik ausgestattet. Und in kaum einem anderen Werk gelingt es ihm, über alle Konventionen des Librettos hinweg „Stimmungsräume“ zu schaffen, in die das Publikum unwiderstehlich hineingezogen wird. Ein üppig blühender Garten aus Gesang und Tanz entsteht vor den staunenden Ohren der Zuhörenden, eine Rokokotraumwelt.
Die letzte Gesamteinspielung von William Christie und Les Arts Florissants ist nun bald 30 Jahre alt – aber immer noch so gut, dass sie sich seitdem als Referenzaufnahme im Katalog behauptet. Wenn jetzt der Ungar György Vashegyi mit dem Purcell Choir und Orfeo Orchestra eine weitere Interpretation vorlegt, darf man gespannt sein, was er dem Werk an neuen Seiten abgewinnt.
Der Hauptunterschied zur älterer Aufnahme: Vashegyi bietet beide Versionen des 2. Akts „La Musique“. Denn da Rameaus erste Version 1739 wegen ihrer schieren musikalischen Qualität Kritik auf sich zog (erstrangige ernste Musik werde an ein leichtes Genre verschwendet!) und dramaturgisch nicht völlig überzeugte (das pantomimische Ballett sei unverständlich), komponierte er kurzerhand eine zweite Fassung.
Weniger expressiv im Ton und bündiger in der Handlung hatte dieses neue „Entrée“ den gewünschten Erfolg. Nun kann man also die gefälligere überarbeitete Version mit der genialischeren ersten direkt vergleichen. Auch sonst profitiert Vashegyis Interpretation von der neuen kritischen Werkausgabe und berücksichtigt auch einige Besetzungs-Variationen und kleinere Straffungen, die Rameau anlässlich der Wiederaufnahmen des Werks in späteren Jahren vornahm.
Die genaue Rekonstruktion der ausgefeilten Orchestrierung offenbart manch reizvolles Detail. Die sehr charmante Idee Christies, ein Galoubet – eine Kombination aus Trommel und Einhandflöte – optional für die Tänze hinzuzunehmen, hat Vashegyi nicht wiederholt. So muss man hier auf dieses archaische Register, dass so gut zu Rameaus manchmal frenetischen Tambourins und Rigaudons passt, verzichten.
Dafür bekommt man in Vashegyis Interpretation nicht minder erlesene Instrumentalfarben des Orchesters und eine feinziselierte Rhythmik geboten, was den verspielten Rokoko-Charakter der Musik dezent betont. Vielleicht ist Christie im Ganzen in der Gestaltung der großen Bögen etwas suggestiver und atmosphärisch noch etwas malerischer.
Sängerisch bietet die Neufassung ebenfalls eine französische Luxusbesetzung mit der neuen Generation an Barockstimmen. Hier sind die Unterschiede deutlicher, da heute wieder mehr Vibrato und "Körper" zum Einsatz kommen. Konsequent: Die ursprüngliche Fassung des 2. Aktes wird stimmlich etwas „schwerer“ besetzt als die neue Version. Während dort Olivia Doray und Philippe Estèphe als Iphise und Tyrtée sinnliche Melancholie verbreiten, sorgen in der originalen Form Judith van Wanroij und David Witczak für tragödienhafte Dramatik.
Durchweg schön klingt auch der Chor; transparent und geschmeidig interagiert er in den nicht wenigen komplexen und großen Ensembles.
Also, man hat jetzt die Qual der Wahl - oder eben doch nicht, denn die Aufnahmen ergänzen sich in vieler Hinsicht so, dass man auf keine von beiden verzichten mag!
Georg Henkel
Trackliste |
CD I: Prolog & 1. Akt 71:14
CD II: 2. und 3. Akt 61:14
CD III: 2. Version 2. Aktv 43:16 |
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Besetzung |
Chantal Santon Jeffery, Marie Perbost, Olivia Doray, Judith van Wanroij, Reinoud van Mechelen, Mathias Vidal u. a.
Purcell Choir
Orfeo Orchestra
György Vashegyi, Leitung
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