Charpentier, M.-A. (Daucé, S.)
Histories Sacrées
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Info |
Musikrichtung:
Barock Oratorium
VÖ: 05.04.2019
(Harmonia Mundi / Harmonia Mundi / 2 CD + Bonus-DVD / DDD / 2016 / Best. Nr. HMM 902280.81)
Gesamtspielzeit: 160:51
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MUSTERGÜLTIG
Unter der Leitung von Sébastien Daucé widmet das Ensemble Correspondances seine jüngste Aufnahme einer Auswahl von Histoires Sacrées aus der Feder von Marc-Antoine Charpentier. Angeregt durch die lateinischen Oratorien von Giaccomo Carissimi, die er während seines Studienaufenthalts in Rom kennen gelernt hat, entwickelte Charpentier in Frankreich etwas Ähnliches: biblische Geschichten oder Heiligenlegenden werden in meist kammermusikalischer Besetzung für eine oder mehrere Stimmen und Instrumente "erzählt". Die äußerlich bescheidenen Mittel werden vom Komponisten freilich ausgesprochen erfindungsreich genutzt, um eine immer wieder erstaunliche musikalische Vielfalt zu erzeugen und die Geschichten auf einer imaginären Bühne zu verlebendigen.
Wie Charpentier beispielsweise im Schlusschor von Caecilia, virgo et martyr einen überwältigenden Reichtum satztechnischer und harmonischer Finessen ausbreitet, um mit immer neuen Kombinationen der Sing- und Instrumentalstimmen das Lob der Heiligen zu singen, erweist ihn als Großmeister seiner Zeit. Es gibt praktisch keine Füll- oder unwichtigen Nebenstimmen, trozdem wirkt der Satz nicht überfrachtet. Die Heilige Caecila als Patronin der Kirchenmusik verpflichtete freilich jeden Musiker, sich der Dame durch höchsten handwerklichen und künstlerischen Einsatz würdig zu erweisen. Ungewöhnlich auch das nur mit Männerstimmen besetzte Quintett in O panis Deus aus dem Dialogus inter Christum et homines, das trotz des tiefen französischen Stimmtons nicht undifferenziert dumpf klingt. Man kann solche Kabinettstücke zur höheren Ehre Gottes durchaus auch als selbstbewusten Gruß an Charpentiers etablierten Kollegen bei Hofe sehen, die genau wussten, welchen Konkurrenten sie sich da vom Leibe hielten ...
Eindrucksvoll auch, wie Charpentier mit ähnlich überschaubaren Kräften eine kraftvolle, opernwürdige Dramatik inszeniert, z. B. beim kriegerischen Eingangschor zu Judith, sive Bethulia liberata, ein Werk, das auf der biblischen Erzählung von der schönen, frommen Israelitin Judith und dem assyrischen Heerführers Holofernes beruht (der am Ende einen Kopf kürzer ist). Man meint, bei den wuchtigen Einsätzen eine wesentlich größere Formation als die angegeben vier Stimmen zu hören.
Berührend dagegen sind die zahlreichen ausdrucksvoll-intimen Partien. Die immer wieder neu orchestrierten "Heu"-Rufe angesichts des Todes der Caecila oder der ergreifende Lamento-"Chor" der armen Seelen im Fegefeuer, mit dem die Motet pour les trépassés beginnt, verfehlen auch nach über 300 Jahren ihre Wirkung nicht.
Das Enseble Correspondances verfügt über ein Team von bemerkenswerten Sängerinnen und Sängern, deren jugendlich-reife Timbres sinnliche Fülle mit Intensität, Prägnanz und Klarheit verbinden und sich darum insbesondere für die frühbarocke Musik eignen. Und die instrumentalen Kräfte schaffen dazu immer wieder ein volltönendes Fundament. So ist die vorliegende Produktion Zeugnis einer ausgereiften historisch informierten Musizierpraxis, die ohne Übertreibungen aus dem Vollen schöpft. Herrlich, wie der Vokalklang in den zahlreichen Tutti-Momenten aufblüht und sich mit den Timbres von Streichern und Flöten mischt, wie stimmig Artikulation, melodischer Fluss und rhythmische Präzision zusammengehen. Die kleineren Ensembles profitieren von der stimmlichen Beweglichkeit, der Präzision und dem Timing der Mitwirkenden, die auch als Solisten überzeugen, insbesondere die Damen.
Als Bonus gibt es einen Konzertmitschnitt aus der Versailler Schlosskapelle auf DVD mit einer etwas anderen Programmzusammenstellung. Vincent Huguet hat die Sücke, bei denen starke Frauen (Judith, Magdalena, Cecila) im Zentrum stehen, mit einfachen Mitteln im anmodernisierten "Oberammergau-Stil" inszeniert, ohne ganz auf die Volten des Regietheaters zu verzichten (Judith muss am Ende wieder unter den Schleier, wird sozusagen "demanzipiert"). Sei's drum: Die Sänger erweisen sich auch als gute Darsteller ihrer verschiedenen Rollen und die Stücke zeigen in dieser Perspektive noch einmal andere musikalische Facetten. Das Ganze wird in einem schön gestalteten und bebilderten Buch mit Programmtexten u. a. der Charpentier-Forscherin Catherine Cessac und des Regisseurs präsentiert. Ein überzeugendes, luxuriöses Plädoyer für die CD, die im Streaming-Zeitalter als Medium mächtig unter Druck geraten ist.
Georg Henkel
Trackliste |
Caecilia, virgo et martyr; Motet pour les trepasses; Dialogus inter Magdalenam et Jesus; Judith, sive Bethulia liberata; Mors Saulis et Jonathae; Dialogus inter Christum et peccatores; Dialogus inter Christum et homines; Elavation; Pestis Mediolanensis |
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Besetzung |
Ensemble Correspondances
Sébastien Daucé, Leitung
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