Musik an sich


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Alle Jahre wieder „Rock Meets Classic“: Mat Sinner präsentiert bekannte Gesichter mit noch bekannteren Songs




Info
Künstler: Rock Meets Classic 2016

Zeit: 17.04.2016

Ort: Nürnberg - Frankenhalle

Internet:
http://www.rockmeetsclassic.de

Mat Sinner hat auch dieses Jahr wieder einige illustre Musiker um sich geschart, um sie zusammen mit dem Prager Symphonieorchester und der Mat Sinner Band als „Rock Meets Classic“ auf die deutschen Konzertbühnen zu bringen. Die Frankenhalle ist ziemlich voll, aber nicht ausverkauft. Neben typischem Rockpublikum findet man auch das sogenannte „Champagner-Publikum", das sich mit dem edlen Gesöff vor der Show die Kehle befeuchtet.

Den Auftakt macht das Orchester selbst. Hier wird z. B. die Filmmusik von „Star Wars“ mit Rocksongs vermischt, die hinlänglich bekannt sind. Der Klang des Orchesters und die Wucht, die sich hier breit macht, sind beeindruckend. Auf großen Leinwänden werden die Songs optisch untermalt und bieten so einen Genuss für Augen und Ohren. Mir gefällt die Begeisterung dieser Musiker. Man merkt ihnen an, dass sie gerne zusammen in diesem Rahmen dabei sind.

Im Programm beginnt der ehemalige Kansas-Sänger Steve Walsh. Optisch macht er einen passablen Eindruck, aber die Stimme hält nicht, was der Name einst versprochen hat. Walsh liegt meilenweit neben den Tönen, die er eigentlich treffen sollte und macht beim Singen solche vermutlich schmerzverzerrten Grimassen, dass ich wirklich froh bin, als der Klassiker „Carry On Wayward Son“ endlich vorbei ist. Etwas versöhnlicher stimmt da die Meßmer-Tee-Ballade „Dust In The Wind“ („Meßmer Tee - Bau mich wieder auf, wenn mir der Strom ausgeht“ - wer’s nicht glaubt, kann‘s googeln). Aber auch der Song kann nicht darüber hinweg täuschen, dass Walshs Tage - zumindest die musikalischen - einfach vorbei sind. Nur noch ein Schatten seiner selbst versucht er krampfhaft, die alte Magie wieder zu entfachen, was ihm leider zu keiner Sekunde gelingt.

Aus ganz anderem Kaliber sind da schon Andy Scott und Pete Lincoln von den sich derzeit auf Abschiedstour befindenden The Sweet. Das Publikum geht gleich zu Beginn richtig steil und bereitet den wackeren Engländern einen famosen Einstieg. Die Stimmung wird bei „Fox On The Run“ noch besser. Und „Ballroom Blitz“ treibt sämtliche Ermüdungserscheinungen aus allen Knochen. Pete Lincoln und der vorzüglich aufgelegte Andy Scott können’s fast nicht fassen. Scott zwickt kultig wie eh und je nach dem letzten Song seine Gitarrensaiten mit einer Zange durch und wirft die Gitarre in hohem Bogen einem vermutlich stark schwitzenden Roadie zu. Dafür gibt’s Applaus. Genau sowas wollen die Leute sehen!

Doro versucht wie immer ihr „Metal Queen“-Image auf das Publikum zu übertragen. Sie hat leider immer noch nicht gemerkt, dass das Publikum bei „Rock Meets Classic“ nicht das gleiche ist, wie wenn sie in der Bochumer Zeche spielt. Von daher klappen ihre Mitsingspielchen hier leider fast gar nicht, die Songs verpuffen selbst mit der Unterstützung des fabelhaft aufspielenden Orchesters. Hier hätten Songs wie „I Rule The Ruins“ oder „Burning The Witches“ vielleicht was gerettet, aber vermutlich auch nicht überzeugt. Und als „Schmankerl“ des Abends bei der geringen Spielzeit die neue, mittelmäßige Single „Love’s Gone To Hell“ zu präsentieren, gehört sicher auch nicht zu dem originellsten Schachzug des Abends. Später darf sie dann bei „Rock’n‘Roll“ noch mal in den Ring, bleibt aber insgesamt farblos.

Dan McCafferty schleppt sich wie ein müder Krieger auf die Bühne. Er hat sichtlich Probleme beim Atmen und ich ahne Schreckliches. Er wird von Midge Ure als „King Of Scotland“ angekündigt und betritt - wie immer den Schelm im Nacken - mit einer Krone von Burger King die Bühne. Er singt im Sitzen und setzt mit „Dream On“ ein. Glücklicherweise trifft er die meisten Töne, es klingt sogar ganz passabel. Beide Songs werden nicht am Stück präsentiert, er pausiert dazwischen. Bei „Love Hurts“ schneidet er seine berühmt-berüchtigten Grimassen und lässt in dem meisten Momenten erahnen, dass er für mich für alle Zeiten der definitive Nazareth-Sänger sein wird. Die eine oder andere Träne wird im Publikum verdrückt, dann verlässt der wackere kleine Schotte für immer die Bühne. Es war zwar schön, den alten Dan noch mal live zu sehen, aber wenn man sieht, wie schlecht er gesundheitlich dasteht, wäre es insgesamt besser gewesen, ihn nicht auf die Tour einzuladen.

Scott Gorham und Ricky Warwick machen das, was sie von Thin Lizzy und den Black Star Riders am besten können: Sie rocken alles in Grund und Boden! Gorham, der vor vielen Jahren in einen Jungbrunnen gefallen sein muss, gibt Vollgas und spielt richtig rotzige, griffige Soli, die einem erst einmal jemand nachmachen muss. Warwick gibt mir fetter Sonnenbrille wie immer den Frontmann schlechthin. Er singt klasse und animiert das Publikum wo es nur geht. Leider fällt auf, dass die Songs von Thin Lizzy insgesamt nicht so bekannt sind, wie die der restlichen Bands. Musikalisch gefallen mir die Klassiker ausgezeichnet. Bei der rockigen Ausrichtung der Stücke kommt jedoch das Orchester kaum zur Geltung. Hier hätte man vielleicht mit „Emerald“, „Massacre“ oder „Angel Of Death“ unkonventionelle Wege gehen müssen. Bei diesen Songs hätte das Orchester vielleicht gewirkt, da die Stücke insgesamt metallischer ausgerichtet sind. Trotzdem: Gorham und Warwick bekommen von mir schon aufgrund ihres beherzten Auftritts die Bestnote!

Das Highlight des Abends ist aber unbestritten ein weiterer Schotte: Midge Ure! Was der Ultravox-Sänger hier abliefert, kann schier nicht mehr getoppt werden. Mit „If I Was“ schafft er aus dem Stand heraus und scheinbar ohne viel Mühe, dass sich die komplette Halle von ihren Sitzen bewegt. „Dancing With Tears In My Eyes“ ist vom Gesangsvortrag her so emotional und astrein, dass kein anderer Sänger des Abends hier mithalten kann. Nebenbei spielt der Typ auch noch eine Wahnsinns-Gitarre und tritt sogar später noch bei seinen gelegentlichen musikalischen Kumpanen von Thin Lizzy auf. Der absolute Wahnsinn - den Typ muss man gesehen haben!

Den Abschluss des Abends bildet der Sänger von Europe: Joey Tempest! Einen besseren Einstieg wie das brachiale „Rock The Night“ hätte er vermutlich nicht wählen können. Bei den Europe-Songs spürt man förmlich das Orchester, hier wird die Wucht der Songs noch unterstrichen. Vom aktuellen Album wird der Song „Days Of Rock n Roll“ gespielt, der sich problemlos in den feinen Klassiker-Reigen einfügt. Joey ist hervorragend bei Stimme und ein Klasse-Entertainer. In alter David-Coverdale-Manier bearbeitet er seinen Mikroständer nach allen Regeln der Kunst und schafft es mühelos, das feierfreudige und mittlerweile bestens gelaunte Publikum anzuheizen. „Carrie“ lässt die Emotionen höher schlagen, hier werden Wunderkerzen und Handys ohne Ende ausgepackt. Etwas überrascht bin ich schon, dass nach dem für mich ultimativen Schlusssong „The Final Countdown“ noch „Ready Or Not“ gespielt wird. Joey bekommt sehr viel Applaus und ist sichtlich gerührt. Er lässt es sich dann auch nicht nehmen, in den Fotograben zu stürmen und die Fans in der ersten Reihe persönlich per Handschlag zu begrüßen.

Zur finalen Zugabe „Rock’n‘Roll“ von Led Zeppelin kommen alle Künstler noch einmal zurück auf die Bühne. Hier geben die Musiker des Prager Orchesters ein letztes Mal alles und beweisen, dass sie leidenschaftliche Musiker sind, die vor keinem Musikstil zurückschrecken. Mat Sinner am Bass und Alex Beyrodt an der E-Gitarrre zeigen abschließend ihr Können und rocken begeistert zusammen mit ihren Gästen. Das Nürnberger Publikum honoriert die tollen Gesangsdarbietungen und die gesamte musikalische Leistung verdientermaßen mit sehr viel Applaus.

Mir hat das Konzert insgesamt sehr gut gefallen. Die musikalische Mischung aus wuchtiger Rockmusik mit dem bombastischen Sound eines Orchesters hat was. Was mich mittlerweile stört ist die Tatsache, dass in diesem Jahr mit Dan McCafferty und Steve Walsh gleich zwei Sänger mit am Start waren, die musikalisch im Prinzip ausgedient haben. Da kommt bei mir auch der Nostalgie-Bonus zu kurz. Entweder ein Sänger singt noch gut und kommt noch einigermaßen vital rüber, oder er zieht sich auf sein Altenteil zurück. Vor allem die Leistung von Steve Walsh war der reinste Hohn! Mat Sinner sollte sich zukünftig vielleicht besser überlegen, wen er mit an Bord holt und insgesamt vielleicht lieber wieder weniger Sänger präsentieren, dafür aber jedem mehr Spielzeit geben.


Setliste:

- Steve Walsh:
1. Carry On Wayward Son
2. Dust In The Wind

- Andy Scott & Pete Lincoln:
1. Action
2. Fox on the Run
3. Love is Like Oxygen
4. The Ballroom Blitz

- Dan Mc Cafferty:
1. Dream On
2. Love Hurts

- Midge Ure:
1. If I Was
2. Vienna
3. Dancing With Tears In My Eyes

- Scott Gorham & Ricky Warwick:
1. Jailbreak
2. Rosalie
3. Dancing in the Moonlight (It's Caught Me in Its Spotlight)
4. The Boys Are Back in Town

- Doro:
1. Für Immer
2. Love's Gone to Hell
3. All We Are

- Joey Tempest:
1. Rock The Night
2. Superstitious
3. Days Of Rock n Roll
4. Carrie
5. The Final Countdown
6. Ready Or Not
7. Rock’n’Roll



Stefan Graßl



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