The Legendary Pink Dots
Pages of Aquarius
|
|
|
Sie sind wieder da. Nicht, dass sie jemals weg gewesen wären. Aber sie sind wieder da. Dass die Legendary Pink Dots zu meinen absoluten Lieblingsbands gehören, dürfte jedem Leser, der mehr als zehn meiner Reviews oder Geschichten gelesen hat, bekannt sein. Ich stufe es mal so ein: Meine Grundprägung auf anspruchsvollere Musik habe ich von Pink Floyd bekommen. Doch deren Tage waren, als ich sie richtig kennen lernte (mit The wall), quasi schon gezählt. Meine Prägung auf durchaus experimentellere Musik leiteten dann ausgerechnet Talk Talk ein, die ich als Popband kennenlernte und sie mich mit ihrer Entwicklung mitgenommen haben. Die Legendary Pink Dots kamen dann genau zu rechten Zeit und öffneten meine musikalische Ausrichtung noch viel weiter. Und das Wichtigste: sie begleiten mich seit dem ich sie 1987 entdeckt habe Jahr für Jahr weiter.
Die Band um die Masterminds Edward Ka-Spel und The Silverman machte in diesen Jahren musikalisch und personell unglaublich viele Wandlungen durch und blieb sich doch immer treu. Die letzte große Wandlung war wohl der Weggang des langjährigen Wegbegleiters Niels van Horn 2009. Sein Spiel auf den Blasinstrumenten war gut 20 Jahre ein sehr prägendes Element des Pink-Dots-Sounds. Danach wandelte die Band sich zu einer fast rein elektronischen und überaus experimentellen Band. Die Kreativität nahm fast sogar noch zu. Doch die Alben wandelten sich von den songorientierten Popperlen zu ausschweifenden Erkundungen der elektronischen Musikwelten. Auch dabei entstanden ausgesprochene Perlen wie z.B. Chemical Playschool 16 & 18, zwei Randvolle CDs mit nur drei Stücken. Musik zum Entdecken und darin Versinken, doch ohne diesem naiven Popappeal, den die Dots bei allen Experimenten immer auszeichnete.Und just wo ich mit der neuen Ausrichtung abfinden wollte kommen sie nun mit Pages of Aquarius, einem fetten (Vinyl-)Doppelalbum und blasen mich wieder einmal weg.
“Mirror Mirroe“ eröffnet mit fetten elektronischen Beats und breiten, eingängigen Soundflächen. Dazu eine ebenso fette, rockige Gitarre, ein Gesang von Edward Ka-Spel auf höchsten Niveau. Dazu brodeln psychedelische Klänge im Untergrund. Mal wieder ein erstklasssiger Opener.
“The greatest Story ever told“ bleibt zunächst treibend. Der dunkle Keyboardsound ist omnipräsent, besonders betörend der eigentlich einfache programmierte Rhythmus. Manchmal reicht ein einziger unerwarteter Ton um einen Ohrwurm zu kreieren. Sicherlich kommt hier auch Edwards Zusammenarbeit mit Der Blutharsch durch. Das Stück würde zweifellos auf ein Album dieses Projektes passen. Ab der Mitte löst sich das treibende Stück in die schon vorher präsenten psychedelischen Klangspielerin auf und mündet in einer Art Postpsychedelik mit hymnischen Keyboardklängen und einem dieser typischen Textmonologen Edwards.
“D-Train“ bleibt kraftvoll. Eine sphärische Gitarre, pulsierende elektronische Beats und eine dunkle, wavige Melodie wie man sie immer wieder gern von den Dots hört. Dieses Stück hätte eicherlich auch bereits schon Ende der 80er entstanden sein können, besticht aber durch seinen überaus modernen Sound. Wäre das Album nach diesen drei Stücken zu Ende, wäre ich wahrscheinlich schon glücklich gewesen und würde sie auf Dauerrotation stellen, aber zum Glück geht es ja weiter.
Die zweite Seite des Vinylalbums beginnt mit “Credibility“. Hier finden wir einen absolut typischen Pink-Dots-Song. Ein leichter Walzerrhythmus, das führende Piano spielt eine herrlich naive Melodie und die Gitarre umrandet das ganze suptil psychedelisch. Die Elektronik begnügt sich mit dem einstreuen einiger Effekte, um das ganze schwebender und psychedelischer zu gestalten. Erinnert mich an „Hauptbahnhof“, einem ganz alten Stück der Band. Nur eine selbstbewustere Fassung, was sich im Gesang und auch im Text niederschlägt.
“Trending“ bleibt ebenfalls in der sphärischen, ruhigen Stimmung. Die Keyboards / Elektronik kreieren einen schwebenden, von Glockenklängen unterstützten Sound. Die Perkussion ist ganz sanft, postrockartig gesetzt. Dunkle Drones überlagern den Sound, durch den Keyboardklänge wie Wassertropfen perlen. Ein elektronisch-psychedelisches Kleonod, das von der perfekt eingesetzten Gitarre veredelt wird.
Touching the forelock“ bietet dann einen typischen, schrägen Popsong der Band. Ein fast schunkelnder elektronischer, dunkler Beat, schräge programmierte Perkussionen und jede Menge psychedelische Sounds. Dazu singt Edward leicht abgehoben. Für Dotheads wie mich Pop pur.
Die dritte Vinylseite gehört dem zweiteiligen “Don´t go there“. Die Laufzeit von 17:10 verteilt sich auf den ersten Teil “Pages aquarian“ das mit einer rockigen Gitarre, einem treibenden Bass aus dem Synthesizer und vielen elektronisch-psychedelischen Sounds besteht. Das Ganze ist sehr mystisch und dunkel angelegt und zieht den Hörer in fremde Welten. Hieraus entsteht ein kurzer, spaciger, etwas zefaserter Part der in einem großen, elektronischen Rauschen mündet, das mit Sprachfetzen und Sounds unterlegt ist. Nach einer ganz kurzen Pause brandet das Rauschen nochmal auf, mündet dann aber sofort in einer mächtigen elektronischen Perkussion.
Damit sind wir im zweiten Teil “Jacob's Ladder“ angekommen. Ein Stück das in seiner Art sehr an das Nebenprojekt Teargarden erinnert und mit seinem Beat und den vielen Sounds fasziniert. Das Stück mündet in einen wundervoll schwebenden Ende, die Keyboards klingen versöhnlich und doch melancholisch. Der glasklare Sound beeindruckt. Die Pianomelodie am Ende mit Edwards Gesang und den Geräuschen sind einfach nur faszinierend.
“Prodigal“ eröffnet die letzte Seite dieses großartigen Albums. Hier präsentiert die Band nocheinmal eine großartige, düstere Ballade. Pochende elektronische Perkussion, eine dunkle Gitarre, und dann große Keyboardflächen. Die naive Melodie lehnt sich ein wenig an der von “Jacob's Ladder“ an. Ganz großer, dunkler Pop, mit zerbrechlichen Gerüst, großflächigen Sounds, aufbrab´ndender, treibender Perkussion und einer Priese Optimismus im Unterton.
“The weight of water parts 1 - 4“ bietet dann einen weiteren Longtrack mit knapp 16 Minuten. Eröffnet wird mit dunklen, treibenden Beats, wieder vermengt mit psychedelischen Geräuschen. Dann setzt Edwards dunkler Sprechgesang ein. Stoisch arbeitet der Beat, ebenso stoisch wirkt der Gesang. Großflächige, hymnische Keyboardsounds setzen ein, der Beat verschwindet, chorale Gesänge tauchen auf. Dann explodiert der Song in einem manischen Beat, wilden psychedelischen Klängen und Stimmgewirr. Das Stück zerfällt, baut sich mit wenigen elektronischen Geräuschen wieder auf und dann setzt eine melancholische, aber wunderschöne Keyboardmelodie ein. Der Untergrund brodelt wieder voller Geräusche unheilvoll. Eine psychedelische Soundlandschaft aus elektronischen Klängen entsteht, getragen von einem sphärischen Keyboard, darüber spricht Edward. Dann zerfällt erneut alles und mündet in einigen Sekunden der Stille. Abgeschlossen wird mit wenigen Perkussionen, elektronischen Sounds und einer melancholischen Gitarre, die wie eine Zither klingt. Und so geht ein kraft- und phantasievolles Album stimmungsvoll zu Ende.
Pages of Aquarius ist ein absolut fantastisches Pink-Dots-Album das durchaus viele Rückgriffe auf die eigene Historie vornimmt, ganz oft an alte Songs erinnert, dies aber in einem derartig überraschend modernen und starken Gewand, dass es für mich in die Reihe ihrer besten Alben aufsteigen lässt. Das Album ist die perfekte Symbiose aus den Soundtüfteleien der letzten Alben und der Bandvergangenheit, verpackt in einen großartigen, modern klingenden Sound. Asylum, Island of Jewels, The Golden Age, Crushed Velvet Apocalypse, The Maria Dimension, Shaddow Weaver / Malachai, Hallway of the Gods, Chemical Playschool 16 & 18, Pages of Aquarius. Und zusätzlich ist das Ganze in einem wunderschön psychedelisch gestalteten Cover eingepackt.
Doch Vorsicht: Das Album wird wohl keine komplette Rückkehr zu den songorietierten Arbeiten sein, denn in einem Interview kündigte Edward Ka-Spel bereits den nächsten, opulenten Teil der reichhaltigen Chemical-Playschool-Serie mit einem 2-CD-Werk an.
Wolfgang Kabsch
Trackliste |
1. Mirror Mirror 6:42
2. The greatest story ever told 6:48
3. D-Train 6:18
4. Credibilaty 7:12
5. Trending 6:32
6. Touching the Forelock 5:30
7. Prodigal 8:30
8. Don´t go there 17:10
a. Page aquarian
b. Jacobs Ladder
9. The weight of water parts 1 – 4 15:56 |
|
|
|
|
Besetzung |
Edward Ka-Spel: Gesang, Keyboard, Elektronik
The Silverman (aka Philip Knight): Keyboard, Elektronik
Erik Drost: Gitarre, Perkussionen, Bass
|
|
|
|