AC/DC live in Nürnberg: Band hui, Rahmenbedingen pfui
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Nach der Veröffentlichung von Rock Or Bust war klar, dass AC/DC Deutschland früher oder später mit einer Tour beehren würden. Bayern wurde mit einem Termin in Nürnberg und zwei in München von den Australiern sehr großzügig bedacht. Normalerweise bleibt bei AC/DC vieles beim Alten. Bei dieser Tour müssen sie selbst seit langem mit einigen personellen Veränderungen umgehen. Für den leider demenzerkrankten Gitarristen und Urgestein Malcolm Young springt sein Neffe Stevie in die Bresche, der ihn schon bei einigen Dates der Blow Up Your Video-Tour ersetzt hatte. Für den wegen rechtlichen Problem daheim geblieben Phil Rudd haben AC/DC kurzerhand einen alten Bekannten, Chris Slade, aus dem Hut gezaubert. Er war bereits bei The Razor’s Edge Schlagzeuger der Band und ist in meinen Augen ein mehr als vollwertiger Ersatz.
Zu dem sehr unschönen Ticket-Hickhack nehme ich im Editorial vom Juni 2015 ausführlich Stellung.
Das Zeppelinfeld in Nürnberg ist seit langem die Heimat des Festivals „Rock Im Park“ und bietet ca. 80.000 Zuschauern Platz. Laut Medienangaben ist das Konzert ausverkauft, es werden eine Menge Leute vor Ort erwartet. Das angenommene Verkehrschaos bleibt jedoch aus und so geht es verhältnismäßig schnell, bis wir an Ort und Stelle sind. Ich bin immer wieder erstaunt wie es AC/DC gelingt, so viele Fans zu mobilisieren. Die Ticketpreise waren jetzt mit regulären 100 Euro nicht gerade günstig und trotzdem ist die Bude voll. Einige Schwarzmarkthändler stehen herum, aber es sind wesentlich weniger, als ich angenommen hatte. Der Preis hier liegt bei 60 - 120 Euro pro Karte, je nachdem, ob man noch nah oder weit vom Eingang entfernt ist.
Als wir das Zeppelinfeld betreten, bekomme ich erst einmal die Krise. Die riesige Menschenmenge ist der Wahnsinn und die Bühne ist wie befürchtet zu tief. Selbst auf Zehenspitzen kann ich erstmal nur die Leinwände sehen, sonst nichts. Seitlich von der Bühne ist dann doch die Sicht besser. Trotzdem dürften alle Fans, die nach dem ersten Drittel postiert sind, die Bühne nicht einmal im Ansatz gesehen haben. Von meiner Seite gibt es noch weitere Kritikpunkte: Es gibt auch viel zu wenig Toiletten. Und die Getränkepreise sind der reinste Wucher. Ein Liter Wasser kostet sage und schreibe 10 Euro! Ein Konzertbesucher weist einen Mann im Ausschank darauf hin, doch bitte bis zum Eichstrich vollzumachen - er habe schließlich 10 Euro dafür bezahlt. Ein Servicemann entschuldigt sich bei den Leuten und teilt mit, dass er und seine Truppe es auch sehr grotesk finden, welche Abzocke hier betrieben wird. Der Preis für alle weiteren Getränke ist übrigens der gleiche. Dies hindert ein paar Schluckspechte jedoch nicht daran, alle paar Songs einen neuen Liter zu „zapfen“. Die Anzahl der Bierleichen ist immens, etliche bekommen vom Konzert so gut wie gar nix mit.
Als Vorband wurden Vintage Trouble engagiert. Die Band geht dann auch sehr selbstbewusst und zackig zu Werke. Der Sänger ist, wie bei den alten Blues-Bands üblich, in einem schicken Anzug auf der Bühne. Er tobt, tanzt und singt wie ein Verrückter. Und trotzdem bekommt es kaum einer mit, denn der Sound ist viel zu leise, zu schlecht und ich vermute, dass man ab dem Mischpult gar nichts mehr gehört hat. Auf der Black Ice-Tour am Stuttgarter Wasen ging es der teutonischen Metal-Legende Accept damals ganz genauso. Ich finde das unmöglich. Es ist eh schon schwierig, für AC/DC zu eröffnen. Davon können Peter Maffay oder King‘s X ein Lied singen. Aber wenn dann der Sound noch schlecht ist, kann man sich die Vorband getrost sparen. Die meisten Anwesenden haben eh keinen Bock - sie wollen AC/DC sehen.
Die lassen dann auch nicht mehr sehr lange bitten um kommen um 20.45 Uhr auf die Bühne. Das Intro ist diesmal unspektakulärer als bei den letzten beiden Touren. Es wird ein kleines, lustiges Filmchen gezeigt und dann geht’s los. Keine Angus-Statue oder kein „Rock N Roll Train“ fahren auf die Bühne. Zu den Klängen von „Rock Or Bust“ beginnt das Spektakel, das etliche der Anwesenden sicher schon einmal miterlebt haben. Der Sound ist gerade am Anfang noch nicht das Gelbe vom Ei. Es rauscht und brummt, wird jedoch im Laufe des Abends besser und für ein Open-Air-Konzert dieser Größenordnung durchaus genießbar.
Stimmungstechnisch wird nach dem Song kurz applaudiert, mehr nicht. Das ist befremdlich, denn normalerweise ist bei AC/DC immer was los. Ich denke, dass viele eben gar nicht gesehen haben, was auf der Bühne abgeht. So kommt leider keine Kommunikation mit weiten Teilen des Publikums auf, was sehr schade ist. Um es vorweg zu nehmen: Das wird auch während des ganzen Konzerts nicht besser. Brian Johnson ist davon sichtlich irritiert und versucht immer wieder, die Fans anzustacheln. Dies gelingt ihm jedoch nur in den seltensten Fällen. Stimmlich ist der „Neue“ für seine Verhältnisse sehr gut drauf und grölt wie eh und je. Natürlich ist die Stimme etwas tiefer. Aber er bekommt es atemtechnisch noch sehr gut auf die Reihe und springt dabei immer noch über die Bühne. Ansagen macht er so gut wie gar keine. Man versteht ihn auch schlecht, was die Kommunikation mit dem Publikum zusätzlich erschwert. Schade, denn davon lebt ein Konzert mitunter.
Neben ihm ist Angus der Aktivposten schlechthin. Zu Beginn ist er noch in eine rote Schuluniform gepresst, die er jedoch häppchenweise verliert und im Verlauf des Gigs wie gewohnt nur mit kurzer Hose bekleidet herumtobt. Bei ihm frage ich mich oft, wo er nur die Energie hernimmt. Wie ein Derwisch tobt er über die Bühne und schont sich dabei zu keiner Sekunde. Manchmal scheint er regelrecht geistig abwesend zu sein und lässt nur sich und seine Gitarre sprechen. Das ist selbst nach all den Jahren noch bemerkenswert.
Die Songauswahl geht durchaus in Ordnung. Die Fans kommen bei einem solchen Konzert, um die Klassiker zu hören. Und die werden zur Genüge gespielt. „Back In Black“, „Dirty Deeds Done Dirt Cheap“ (bei dem die Stimmung überraschend steigt) oder „High Voltage“: die wichtigsten Songs kommen zum Zug. Dass „The Jack“ diesmal nicht berücksichtigt wird, mögen manche als Sakrileg empfinden. Ich finde es nicht schlecht, dass der in meinen Augen fast schon totgenudelte Song inklusive Angus-Striptease-Show nicht gespielt wird.
Die beiden Neuzugänge präsentieren sich hervorragend und geben der Band fast schon einen sprichwörtlichen „Arschtritt“. Malcolm Youngs Neffe Stevie spielt mit einer Begeisterung, die einen strahlen lässt. Er bringt die brettharten Rhythmus-Parts genauso wie früher Malcolm. Den Background-Gesang übernimmt er mit genauso viel Engagement sein nur drei Jahre älterer Onkel und sorgt somit für den nötigen Drive aus dem Hintergrund. Und Chris Slade? In einem Interview habe ich mal von ihm die Aussage gelesen, dass es für ihn die größte Enttäuschung war, von AC/DC aufgrund Phil Rudds Rückkehr entlassen worden zu sein. Er hat danach ein Jahr lang gar kein Schlagzeug angerührt. Wenn man ihn hinter den Dampfkesseln beobachtet merkt man, dass für ihn zum zweiten Mal ein Traum in Erfüllung geht. Er spielt wie ein Verrückter und gibt einfach alles, was er in die Waagschale werfen kann. Dies ist in seinem Fall eine ganze Menge. Er ist technisch versiert und vom Timing her ein Meister seiner Zunft. Welcome back Chris! Zusammen mit dem unerschütterlichen Dauerbrenner und Bassist Cliff Williams sorgt er für das notwendige Rhythmus-Bollwerk das diese Songs benötigen. Cliff ist wie man es gewohnt ist der zuverlässige Bassist, der wenn er gebraucht wird synchron mit Stevie zum Mikro schreitet und seine Backing-Vocals abliefert. Punktgenau und messerscharf. Das kennt man von ihm und mehr muss er auch nicht bringen.
Die Songs der neuen Platte kommen fast alle sehr gut an. „Rock Or Bust“ und „Play Ball“ sind für meinen Geschmack live noch einen Ticken besser, aber „Baptism By Fire“ ist auf der Platte schon kein besonders gutes Stück und präsentiert live umso mehr seine Schwächen. Dieses Lied hätten sie sich gerne sparen können. Für mich sehr unerwartet ist, dass sie „Rock n Roll Train“ auf dieser Tour noch einmal spielen. Damit hätte ich wirklich nicht gerechnet! Der Song kommt bei den Fans hervorragend an und gefällt mir live auch wieder besser, wie auf CD. Mit dem überragenden „Sin City“ und dem selten gespielten „Have A Drink On Me“ werden zwei Perlen ausgepackt, die leider nicht so bekannt zu sein scheinen. Mehr „Sonderlinge“ können sich die Aussies leider nicht erlauben und so geht das Programm seinen erwarteten Gang. „TNT“ und ein packendes „Whole Lotta Rosie“ ebnen den Weg für „Let There Be Rock“. Hier bin ich einmal mehr begeistert von Angus’ gezeigter Leistung. Er bekommt hier die Plattform für sein ellenlanges Solo, bei dem er in absolute Ekstase zu verfallen scheint. Man merkt ihm jedoch gerade hier auch den zeitlichen Abstand zur Black Ice-Tour an. Damals ging er noch um einiges brutaler zu Werke. Trotzdem muss man ihm das erst mal nachmachen. Angus’ bekommt vom Nürnberger Publikum minutenlang Applaus und genießt dies sichtlich.
„Highway To Hell“ wird von Band und Publikum gleichermaßen zelebriert. Der Song hat mittlerweile schon Evergreen-Charakter und ich kann mir kein AC/DC-Konzert ohne ihn vorstellen. Die Kanonen die auf der Bühne erscheinen machen klar, was jetzt kommt: „For Those About To Rock - We Salute You“! Das Quintett biegt auf die Zielgerade des Konzerts ein und gibt noch einmal Vollgas. Danach ist Schluss, und jetzt ist das Publikum auch ein bisschen länger bereit, zu klatschen. Ohne eine Ansage oder ähnliches verlassen AC/DC so unspektakulär wie sie gekommen sind die Bühne.
Ein Fazit zu ziehen, fällt mir hier sehr schwer. AC/DC sind eine meiner absoluten Lieblingsbands und ich freue mich immer wie ein Schneekönig, wenn es auf ein Konzert dieser Combo geht. Allerdings macht mir die Abzockermentalität mittlerweile echt keinen Spaß mehr. 100 Euro für die Karte sind zu teuer, wenn man bedenkt, dass die Bühne zu niedrig ist, der Sound zu leise und für die Besucher im hinteren Bereich keine zusätzlichen Leinwände aufgestellt wurden. Und die Getränkepreise sind der reinste Wucher - so was geht gar nicht. Egal wie viele Touren die Australier noch machen werden, für mich war es definitiv die letzte. Einzige Ausnahme: Eine Hallentour, bei der das Hauptaugenmerk auf der Qualität der Musik liegt und nicht auf den Einnahmen. Bei der Stiff Upper Lip- und Black Ice-Tour hat’s ja schließlich auch funktioniert.
Setlist:
Rock or Bust
Shoot to Thrill
Hell Ain't a Bad Place to Be
Back in Black
Play Ball
Dirty Deeds Done Dirt Cheap
Thunderstruck
High Voltage
Rock 'n' Roll Train
Hells Bells
Baptism by Fire
You Shook Me All Night Long
Sin City
Shot Down in Flames
Have a Drink on Me
T.N.T.
Whole Lotta Rosie
Let There Be Rock
Highway to Hell
For Those About to Rock (We Salute You)
Stefan Graßl
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