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Eine Twisted Sister häutet sich
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Autor: Dee Snider
Titel: Mein Leben als Twisted Sister – I still wanna Rock
Verlag: I. P. Verlag, Berlin, 2013
ISBN: 978-3-931624-72-9
Preis: € 24,90
384 Seiten
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Meine Lieblingsband sind Twisted Sister nie gewesen; eher eine Metalband aus der zweiten Reihe, mit ein paar sehr erfreulichen Hits und pfiffigen Videos, die die pubertäre Attitüde des Metals punktgenau auf den TV Schirm brachten. Zu meiner Überraschung liefert Oberschwester Dee Snider mit I still wanna rock eine der reifsten Rockstar-Biographien ab, die ich je gelesen habe und der Rock Hard Autorin Jenny Rönnebeck gelingt es weitgehend den Witz und die Selbstironie, mit der Dee Snider seine Geschichte erzählt, in der Übersetzung zu erhalten. Und auch das Durchschimmern der Selbstverliebtheit und der Selbstüberschätzung, das Snider so wohl nicht zeigen wollte, bleibt erhalten.
Dee gibt sich an vielen Stellen demütig und gereift. Immer wieder dankt er Menschen, die ihn angegangen sind, weil er heute einsehe, dass sie im Recht waren. Immer wieder merkt er an, was für ein Egoist und Widerling er ist und war. Die ersten sieben Mal liest man das anerkennend, ob der Ehrlichkeit und der Verarbeitung; dann aber wirkt es immer mehr nach einer Masche, die halt abgezogen wird.
Und nicht immer sind die Verletzungen überwunden. Manche Menschen und Bands will er nicht mal beim Namen nennen. Der dritte Schlagzeuger von Twisted Sister bleibt von Anfang bis Ende Schlagzeuger #3. Und die Band Krokus, mit der man mal auf Tour war (Ich bin nach der Beschreibung im Buch sicher, dass es Krokus waren), wird nur mit einem verballhornten Namen genannt.
Etwas penetrant wird es, wenn Dee Snider immer wieder darauf besteht, dass Twisted Sister eigentlich die beste Band der Welt waren, die lediglich immer wieder an den jeweiligen Umständen gescheitert ist. Mal war es die Ignoranz der Plattenfirma, mal er selber, dann die Band, oder auch schlichtes Pech. Bei aller Ehrlichkeit kommt es ihm nie in den Sinn, dass seine Band im Wesentlichen Durchschnitt gewesen sein könnte. Wie auch, er hatte ja die LSD. Was das ist? Lest nach auf Seite 45f.
Warum ist Mein Leben als Twisted Sister trotz all dieser Kritik so lesenswert. Zum einen, weil die Kritik eigentlich den Wert des Buches betont. Wenn jemand von sich selbst behauptet, dass er ein Egoist, ein Narziss, ein Möchtegern ist – und damit Recht hat – wie sollte ein Buch dann anders aussehen, als oben beschrieben?
Zum anderen, weil Snider den Rock’n’Roll Zirkus nicht als eine Art Gegenkultur verklärt, sondern sie auf das zurecht stutzt, was sie ist, ein Image, das – zumindest von den langfristig mehr oder weniger Erfolgreichen – in der Öffentlichkeit inszeniert, aber nicht privat gelebt wird.
Die Spannung zwischen dem was man ist und dem was man sein will, wird in der Biographie Sniders sehr deutlich – und auch seine eigenen Schwierigkeiten im Rausch des Erfolges und Größenwahns realistische Eckpunkte für sein privates zu stecken.
Eher am Rande lugt die Tatsache hervor, dass der Twisted Sister Frontmann sein Leben mittlerweile ganz anders finanziert, als durch seine Tätigkeit oder die Tantiemen aus der Twisted Sister Zeit. Hier setzt meine Hauptkritik ein. Es wäre sehr spannend gewesen, genauer zu lesen, wie Dee Snider sein Leben nach der Band gestaltet hat. Aber dieser Kritik legt der pfiffige Sänger von vorneherein die Fesseln an. Sein Buch heißt schließlich Mein Leben als Twisted Sister und nicht Mein Leben.
Norbert von Fransecky
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