Beethoven, L. v. (Artemis)
Streichquartette Nr. 3, 5 & 16
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Info |
Musikrichtung:
Klassik Kammermusik
VÖ: 13.05.2011
(Virgin / EMI CD / DDD / 2010 / Best. Nr. 708342)
Gesamtspielzeit: 78:34
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BRAVOURÖSES FINALE
Mit der sechsten Folge ihrer Gesamteinspielung haben die Artemisianer ihr Beethoven-Quartettprojekt auf dem exzellenten Niveau beendet, mit dem sie es vor manchen Jahren und in teilweise noch anderer Besetzung begonnen hatten. Mit Gregor Sigl und Friedemann Weigle hat der Ensembleklang vielleicht etwas an pikanter Schärfe verloren und an Körper und Wärme gewonnen. Wie auch immer: Das sind Klänge und Farben, die einen anspringen und die man mit Händen greifen, ja die man sogar sehen und fühlen kann.
Konstant geblieben ist auch die vibrierende Energie und gestalterische Intelligenz beim Zugriff auf Beethovens sechzehn Miniuniversen, unter denen die finale Gruppe und dort noch einmal das letzte Opus herausragt. Die Nr. 16 (op. 135) ist wie ihre Schwesterstücke eine Art Kaleidoskop (nicht nur) der barocken und klassischen Musiktradition, sprengt diesen Rahmen aber durch viele klangliche Extravaganzen, die wie reine Zukunftsmusik anmuten. Mit dem Nachvollzug klassischer Formen und vielleicht sogar dem Bemühen, die ‚krausen‘ Einfälle Beethovens durch einen nur kosmetischen Schönklang auszugleichen kommt man der Komplexität dieser Musik nicht auf die Spur. Das Artemis Quartett tut darum recht daran, diese Musik als neue Musik zu behandeln.
Im eröffnenden, quasi-orchestralen Allegretto echot in den steten Wechselbädern die 9. Sinfonie, aber Bartok grüßt eben auch schon aus der fernen Zukunft. Nach nur einer Minute hat man als Hörer schon ein dutzend Gestimmtheiten durchlaufen. So listig-launig und erschreckend-lustig muss es klingen! Das Vivace enthält abstrakt-repetetive Passagen, die in der zugespitzten Darbietung des Artemis Quartetts die Minimalmusic von Steve Reich vorwegzunehmen scheinen. Elektrisierend, auch dank der obertönigen Spielweise. Von der profitiert auch der „Choral“ des 3. Satzes, der sich in seiner ganzen Kantabilität verströmen darf – in dieser Interpretation wird daraus ein Spiel mit verfließenden Klangflächen, die sich im Finalsatz wieder in einzelne Linie und aggressive Blöcke auflösen. Beklemmend die weißglühende Akkord-Attacke in der Exposition – und kurz darauf weiß man schon nicht mehr, ob alles vielleicht nur ein Scherz war. Gibt es das, ein Pathos des Parodistischen? In der Fähigkeit, diese Aufhebung der Gegensätze auf kleinstem Raum zu erspüren und zu artikulieren, lag schon immer eine Stärke dieser Interpreten.
Aber auch die zugänglicheren, „konventionelleren“ frühen Quartette nehmen in dieser Einspielung wieder sehr für sich ein. Zwar ist Beethoven hier noch nicht so sehr ein Texturkomponist wie in den späten Quartetten. (Oder vielleicht doch – im letzten Drittel des Allegros aus Nr. 3 z. B. …) Aber die Souveränität, ja Lässigkeit, mit der er hier die klassischen Formen ausgestaltet, lässt viel Spielraum für Überraschungen, die beim Artemis Quartett in den besten Händen sind.
So lauscht man dieser auch tontechnisch bravourösen Aufnahme mit großer Freude – und auch Vorfreude auf die nächsten Projekte dieser begabten Künstler.
Georg Henkel
Trackliste |
01-04 Streichquartett Nr. 5, op. 18 Nr. 5
05-08 Streichquartett Nr. 3, op. 18 Nr. 3
09-12 Streichquartett Nr. 16, op. 135 |
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