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Saarbrücken und Bob Dylan oder Ein Zwerg und eine Riese begegnen sich
Info |
Autor: Christof Graf
Titel: Amerika oder Der Tag, an dem Bob Dylan durch Saarbrücken fuhr (dt. / engl.)
Verlag: Schardt Verlag, 2011
ISBN: 3-89841-546-0
Preis: € 14,80
175 Seiten
Internet: http://www.christofgraf.de
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Welche historische Bedeutung hat die Tatsache, dass Bob Dylan am 5. April 2009 ein Konzert in der Saarland Halle in Saarbrücken gegeben hat? Natürlich ist man schnell mit der Antwort „Keine besondere“ zur Hand!
Und auch die "Tatsache", dass dieses Konzert ein ganz besonderes war, wird nur dann zu einer solchen, wenn man der Ansicht von Prof. Dr. Christof Graf folgt, dass grundsätzlich jedes Bob Dylan-Konzert eine ganz besonderes ist, weil er seine Stücke nie nur spiele, sondern sie bei jedem Auftritt neu erfinde, so dass man sie oft nur an einzelnen Textsegmenten erkennen könne.
Auch diese „Besonderheit“ rechtfertigt ein Buch über ein einzelnes Konzert in der „Never ending Tour“, auf der sich Dylan seit dem 7. Juni 1988 mit ca. 100 Auftritten befindet, also nicht. Es bedarf eines Perspektivwechsels, um den Sinn dieses Buches zu verstehen.
Man muss entweder aus der Perspektive des Saarlandes schauen, das von größeren Tourneen eher stiefmütterlich behandelt wird; oder der von Robert Leonardy, dem Leiter der Musikfestspiele Saar, in deren Rahmen das Dylan-Konzert stattgefunden hat; oder aus der Perspektive des Autors Christof Grafs, dem es gelingt hier ein gutes Dutzend seiner alten Zeitungsartikel im größeren Rahmen zum zweiten Mal zu verwerten. Im Rahmen eines Lexikons(!) zum Saarbrücker Konzert gibt es sogar einen vierseitigen Artikel zu Michael Jacksons Tod (S. 121-124), der nun überhaupt nichts mehr mit dem Ereignis zu tun hat – bis auf das PS: „`Jacko` war übrigens auch einmal in Saarbrücken, und zwar am 20. März 1999 bei der German-TV-Show `Wetten dass...?´“.
Der skurrile Ansatz, ein Dylan-Buch zu veröffentlichen, das um die Bauchnäbel von Christof Graf und Saarbrücken kreist, führt zu derartigen Blüten, dass im Kapitel „Der Tag, an dem Bob Dylan durch Saarbrücken fuhr“ akribisch jede Straßengabelung aufgeführt wird, die „his Bobness“ mit seiner heiligen Gegenwart passiert hat. Das erinnert schon fast an eine postmoderne Variante des Reliquien-Sammelns. Textprobe?: „Bob Dylan fuhr mit seinem Nightliner-Bus (Was das ist wird in dem o.g. Saarbrücken-Konzert-Lexikon im Artikel Nightliner genau erklärt; NvF) mit dem österreichischen Autokennzeichen aus Interlaken ... von der A6 aus Mannheim kommend, passierte die A8 und somit das Neunkircher Kreuz auf die A620 Richtung Saarbrücken, an der Saar entlang bis zur Westspange, von dort in den Ludwigskreisel und schließlich auf den reservierten wie abgeschotteten Parkplatz hinter der Saarlandhalle.“ (S. 93)
An anderer Stelle des Buches wird aufgelistet, wie viel Parkplätze dort für welche Fahrzeuge des Dylan Trosses reserviert waren. Das ist investigativer Journalismus einer Dimension, wie es ihn in der Geschichte der Rock-Musik bislang noch nicht gegeben hat.
Da aber trotz Interviews mit Wolfgang Niedecken (verständlich) und Helen Schneider (weil sie auch bei den Musikfestspielen dabei war – und Graf darüber zwei Artikel geschrieben hatte) noch nicht genug Material für ein ganzes Buch da war, lässt der Autor es gleich zweisprachig in Deutsch und Englisch erscheinen.
Das wirft erneut die Frage nach dem Sinn des Ganzen auf. Denn außer absoluten Dylan Hardcore Fans dürfte es vor allem saarländische Lokalpatrioten sein, für die dieses Buch Sinn macht. Wozu dann eine deutsch-englische Ausgabe? Sprachförderung im frankophonen deutschen Randgebiet?
Dabei lohnt es sich durchaus auch die englischen „Übersetzungen“ zu lesen, da in ihnen im Detail mehr und anderes steht, als in den deutschen Texten.
Und manchmal ist auch das Herumreiten auf Details interessant, so z.B. der Artikel über das Chelsea Hotel in Manhattan (S. 59ff) im zweiten Lexikon des Buches, das sich mit Bob Dylans Amerika befasst und das mit ähnlich rätselhaften Artikeln bestückt ist, wie das Saarbrücker-Konzert-Lexikon. Auch hier kann ich mir einen kompletten(!) Artikel als Beispiel nicht verkneifen.
„Lubbock Hier lebte Buddy Holly, und er starb in Amarillo. Dylan sah ihn einmal live in Duluth am 31. Januar 1959, drei Tage vor seinem Tod bei einem Flugzeugabsturz.“
Keine Frage – ein Artikel zu Lubbock war aufgrund dieser überwältigenden Faktenlage unumgänglich.
Ihr merkt: Mir hat die Lektüre von Amerika oder Der Tag, an dem Bob Dylan durch Saarbrücken fuhr richtig Spaß gemacht.
Norbert von Fransecky
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