Musik an sich


Reviews
Messiaen, O. (Gareis - Pohl)

Visions de l’Amen


Info
Musikrichtung: Moderne Klavier

VÖ: 24.04.2008

(Thorofon – Bella Musica Edition / Klassik Center Kassel)

Gesamtspielzeit: 48:21



STRAHLKRÄFTIGE VISIONEN

Verglichen mit der Ende vergangenen Jahres veröffentlichten Einspielung des Duo d’Accord (Oehms) wirkt die Interpretation von Olivier Messiaens siebenteiligem Klavierzyklus Visions de l’Amen durch das Duo Ute Gareis und Klaus-Georg Pohl leidenschaftlicher und klanglich direkter. Gareis & Pohl empfinden Messiaens esoterische Meditationen aus dem Jahr 1943 als unmittelbar sinnliche, physische und ausdrucksvolle Musik. Dies schlägt sich unter anderem in etwas schnelleren Tempi nieder. Die abstrakten rhythmischen Verarbeitungsprozesse und harmonischen Fortschreitungen klingen bei den vollgriffigen Stellen vielleicht nicht ganz so luzide wie bei der Vergleichseinspielung. Dafür arbeiten sie die Gegensätze und Klangräumlichkeit der Musik eindrücklich heraus. Spannungsvoll kontrastieren die nachtschwarzen, profunden Bassfiguren im 1. Klavier und die glitzernden Läufe im Diskant des 2. Klaviers vor allem im „Amen der Schöpfung“ und dem „Amen der Sterne und des Ringplaneten“. Die Ekstase der Schöpfung darf sich im Tanz der Himmelskörper mitreißend entfalten. Subtil, manchmal wie aus fernen Sphären kommend, sind auch die dynamischen Schattierungen im 2. Teil des „Amens der Begierde“ gestaltet.
Messiaens Visions faszinieren und irritieren durch die eigenwillige Mischung aus spätromantisch anmutenden Gesten und ganz neuartigen Klangwirkungen, die durch den Einsatz indischer Rhythmik-Modelle und einer exotischen, dabei statischen Harmonik beruhen. Vor allem das finale „Amen der Erfüllung“ erinnert mich in seinem Steigerungstaumel immer wieder an Mussorgskys „Großes Tor von Kiew“ aus den „Bildern einer Ausstellung“. Allerdings scheint sich Messiaens Portal nicht mehr auf der Erde, sondern in einer anderen Dimension zu befinden. Der Komponist stellte sich offenbar eine große Prozession unter gewaltigem Glockenklang vor, so als strebe das ganze Universum einer finalen Transformation entgegen. Auch die berühmt-berüchtigten „naiven“ oder „banalen“ Momente fehlen nicht, in denen der Komponist in Wohlklang schwelgt. So sehr Messiaen die U-Musik verabscheut haben mag, so auffällig ist der Einsatz von jazzigen oder ragtimeartigen Elementen in seiner Musik. Er verzichtete eben auf nichts.



Georg Henkel



Besetzung

Ute Gareis & Klaus-Peter Pohl, Klavier (Fazioli)


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