RIEFENSTAHL? Das hat wohl etwas mit dem Stahl zu tun, der Riefen hat
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Rammstein, die Böhsen Onkelz, Weissglut. In kaum einem Genre taucht der Verdacht der Rechtslastigkeit von Bands so häufig auf, wie in dem, das man Neue Deutsche Härte nennt. Oft zu unrecht, aber in den seltensten Fällen waren die Bands ganz unschuldig daran. Rammstein – blond und gut gewachsen, muskulöse Körper und rrrrollendes Rrrrrr – und dann irgendwann das Leni Riefenstahl Video. Aber verkauft hat es sich. Die Böhsen Onkelz wurden erst bei ihrer pubertären Vergangenheit gepackt. Da hat die Presse massiv Schindluder mit ihnen getrieben. Aber als der Rauch sich nach längerer Zeit zu legen drohte, wurde schnell noch einmal der “Bomberpilot“ ausgepackt. Mit Erfolg: Die Onkelz explodierten wieder einmal in den Schlagzeilen.
Und jetzt treten Riefenstahl ins Licht der Öffentlichkeit. Warum legt man sich einen solchen Namen zu? Weil man rechts ist? Weil man sich aufgeregte Proteste erhofft, die die Band schlagartig bekannt machen? Ein wirklich sinnvoller Grund ist uns nicht eingefallen. Und die Antworten, die Norbert von Fransecky dazu von Riefenstahl-Sprachrohr Jens Esch erst per email und dann auf telefonische Nachfrage erhielt, bringen auch nicht wirklich weiter.
MAS: Riefenstahl ist ein neuer Name. Daher brauchen wir erst mal etwas Hintergrund. Wie lange gibt es die Band schon? Wie ist sie entstanden?
Jens Esch: 2002 gründeten Gitarrist Ralph Laskowski und ich die Band. Sven Petersen (Drums) kam relativ schnell, fast zeitgleich hinzu und Daniel Peschel im September 2002. Seit April 2007 ist Gregor Heise unser neuer Mann an den Drums. 2005 haben wir unser erstes Album Seelenschmerz veröffentlicht. Am 25. Mai 2007 erschien unser zweites Album Instinkt.
MAS: Kann man irgendetwas zur Vorgeschichte der einzelnen Musiker sagen?
Jens Esch: Na ja relativ wenig, bis darauf, dass wir alle schon seit einigen Jahren Musik machen und vorher schon verschiedene Bands hatten.
MAS: Geht das etwas genauer?
Jens Esch: Es waren kleinere Rockprojekte, die kaum der Rede Wert waren. Nur unser Gitarrist hat vorher bereits semi-professionell gearbeitet und ist unter anderem mit Inga Rumpf getourt. Aber für die Entwicklung von Riefenstahl hat das keine Bedeutung gehabt.
MAS: Aber sicher kannst Du uns ein, zwei Sätze zu jedem Musiker und seiner Rolle in der Band sagen.
Jens Esch: Daniel Peschel – Bass. Auf ihn ist immer Verlass!!! Ralph Laskowski – Gitarrre. Er kümmert sich um die technischen Angelegenheiten und Finanzen der Band. Gregor Heise – Drums. Er ist noch ganz frisch und sorgt für gute Unterhaltung. Jens Esch – Gesang. Ich kümmere mich um den ganzen E-mail Verkehr, Website, Artwork und bin das Bindeglied zu Management, Verlag, Label, etc.
MAS: Wenn man die Texte mal ganz stark verkürzt und Holzschnittartig zusammenfasst, dann entsteht das Bild des Underdogs in der bösen Welt, der jeden Schicksalsschlag wie ein Stehaufmännchen überwindet – und letztlich der Stärkste ist. Also: Vorsicht, wenn man sich mit ihm anlegt. Das passt zum rauen Klang der Musik und erinnert ein wenig an die Generallinie der Onkelz - reduziert um das von den Frankfurtern gepflegte Image der verfolgten Unschuld. Könnt ihr dem in etwa zustimmen?
Jens Esch: Böhse Onkelz sind eine andere Nummer. Wer sich mit uns anlegt, muss mit mächtigem Wind rechnen. Man muss aber dazu sagen, dass wir keinen Stress haben und alles okay ist. Wir legen es nun auch nicht ständig darauf an herauszufordern und bieten so wenig Zündstoff wie möglich. Die Thematiken unserer Songs sind sicher nicht so ganz bequem und greifen doch schon heftig um sich. So ist das, wenn man im Dreck der Gesellschaft wühlt. Die Medien kommen mit uns sehr gut klar und unsere nationale, internationale Reputation ist hervorragend.
MAS: Musikalisch liegt ihr ganz sicher nicht auf dem Street Punk Terrain der Onkelz. Ihr seid erheblich schwerer und heftiger. Wo seht ihr eure musikalischen Vorbilder?
Jens Esch: Richtige Vorbilder haben wir ja alle nicht. Wir hören verschiedene Musik aus den verschiedensten Genres. Wir finden Christina Stürmer genau so gut wie Godsmack, oder Tokio Hotel genau so gut wie Metallica. Was sollen wir uns festlegen? Es gibt soviel verdammt gute Musik. Man kann von Silbermond genau noch so viel lernen wie von den Stones. Alles okay, bloß keine limitierten Richtungen, dann bist du verloren und vergiftest deine Musikerseele.
MAS: Bei neuer deutscher Härte denkt man schnell an Rammstein. Textliche Anklänge gibt es bei „Wenn ich wiederkomm“, wenn ihr singt „dann werd ich kein Engel sein“. Da kommt schnell die Assoziation zu dem Rammstein-Hit. Verbindet euch etwas mit Rammstein?
Jens Esch: Rammsteins Entwicklung ist in der Musikszene einzigartig. Um die Band herum herrscht eine durch und durch perfekte Infrastruktur. Dazu ist die Band einfach musikalisch eine Größe, die weltweit sehr geschätzt wird. Rammstein ist momentan die beliebteste Band auf der Welt. Ich kenne keinen Künstler, keine Band, der/die besser und perfekter vermarktet wird. Wir sind aber keine Rammstein-Fans. Alles was diese Band erreicht hat, respektieren wir und wir schätzen ihre Kunst. Es verbindet uns jedoch nichts direkt mit dieser Band.
MAS: Eigentlich kann es auf die nächste Frage nur eine Antwort geben, aber angesichts Eures Bandnamens kann ich sie euch nicht ersparen: Wie steht ihr zu dem Ungeist der Nazi-Zeit und den neuen rechten Bewegungen?
Jens Esch: Die Geschichte schreibt schreckliche Kapitel, und die ganze Welt trägt nun eine Verantwortung. Wir können daraus nur lernen und hoffen, dass wir noch lange in Frieden leben können. Rechte Bewegungen sind gefährlich. Man muss die Ursachen finden, um sie zu bekämpfen. Ich halte jegliche politischen Unruhen für Symptome unserer kranken Gesellschaft. Wir bieten unserer Jugend einfach viel zu wenig Selbstschutz und Geborgenheit. Dazu kommen Armut und Arbeitslosigkeit. Reich wird immer reicher und Arm immer ärmer. Die miserable Bildung in Deutschland ist ein großes Schreckgespenst und der Vorbote des ideologischen und moralischen Zerfalls. Wir stehen alle vor einer schweren Zeit.
MAS: Als Rammstein vor einigen Jahren Bilder von Leni Riefenstahl in einem Video verwendet haben, hat es von allen Seiten Prügel gegeben. Rammstein haben sich da recht unglaubwürdig mit einer „zu ihrer Musik passenden Ästhetik der Bilder“ raus zu winden versucht und recht platt erklärt, das habe mit der Rolle von Riefenstahl als einer der ästhetischen Kultfiguren der NS-Kultur nichts zu tun. Das wirkte mehr als naiv. Welcher Teufel euch geritten hat, gerade diesen Bandnamen zu wählen?
Jens Esch: Wir lassen uns nicht vom Teufel reiten. Das überlassen wir anderen. Wir können zu dieser Rammsteingeschichte nichts sagen. Da sind wir nicht involviert, und alles was da an Diskussionen gelaufen ist, geht uns überhaupt nichts an. Wir wissen ja auf was die Diskussionen mit unserem Bandnamen immer wieder hinauslaufen. Wir haben das bereits so oft kommentiert und beantwortet. Aus irgendwelchen waghalsigen Vermutungen entsteht manchmal eine ganz eigenartige Polemik. Dafür sind wir nicht geboren. Wir haben mit NS und Rechtsradikalismus nichts am Hut. Unsere Ideologie ist frei von Unrat und Müll. Unser Name wird wohl immer wieder polarisieren. Das lässt sich einfach nicht vermeiden.
MAS: Warum habt ihr ihn dann gewählt?
Jens Esch: Die Idee hatte unser Gitarrist, als wie uns 2002 gegründet haben. An Leni Reifenstahl haben wir dabei nicht gedacht?
MAS: Sondern?
Jens Esch: Es hat wohl etwas mit dem Stahl zu tun, der Riefen hat. Und es klang einfach gut.
MAS: Okay, lassen wir das mal so stehen. Und es gibt ja auch deutliche Hinweise, dass Euch einiges von der rechten Szene trennt. Ein Stück wie den sehr bitteren Antikriegssong „Lass mich nicht allein“, der den so genannten Heldentodes eindrücklich demaskiert und seine Hohlheit aufzeigt, dürfte bei einer Nazi-Band kaum durchgehen. Aber er ist auch für das gesamte musikalische Genre, in dem Ihr Euch bewegt, ungewöhnlich. Wie kommt ihr zu so einem Text?
Jens Esch: Ich habe mich in die Lage eines schwer verletzten Soldaten versetzt, der irgendwo zwischen Falludscha und Bagdad zwischen Gewehrsalven und Granatfeuer liegt und hofft ganz schnell zu seiner Familie zurückzukehren. Und so habe ich mich genauso in Frau und Kind hinein versetzt, die zu Hause warten und hoffen, dass für ihr Schicksal alles gut geht. Das alles habe ich im Text zusammen gebracht, und ich hoffe man kann es gut verstehen. Egal wie es ausgeht, die Verlierer sind immer die so genannten Helden, entweder als Deserteur, als Geistesgestörter, schwer verletzt oder gar tot. Zu gewinnen gibt es nichts!
MAS: Zum Abschluss die Frage, was von Euch in der Zukunft zu erwarten ist?
Jens Esch: Wir wollen noch lange Musik machen. Dafür leben wir mit unserer Band. Wir haben einen Weg zu schreiten, und wir wollen erfolgreich unsere Kunst darbieten. Wir sind keine Szeneband und werden dies auch nie sein. Wir machen eines der schönsten Dinge auf der Welt – Musik. Popmusiker ist ein schöner Beruf. Diesen wollen wir dann auch mit ganzem Herzen ausführen.
MAS: Was für konkrete Projekte stehen an?
Jens Esch: Wir sind dabei an der dritten CD zu arbeiten. Im Verlauf der nächsten 24 Monate wird es auch eine Live-DVD geben. Außerdem wollen wir ein Video zu „Ein Wort von dir“ drehen.
MAS: Wo soll das zu sehen sein?
Jens Esch: Auf jeden Fall auf unserer Homepage und unserer My Space-Seite.
MAS: Herzlichen Dank für das Gespräch.
Norbert von Fransecky
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