Musik Indonesiens
Molukken und Nord-Molukken
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Info |
Musikrichtung:
Ethnische Musik
VÖ: 06.10.2003
Celestial Harmonies / Naxos 2 CD DDD (AD 1989-93) / Best. Nr. 14232-2
Gesamtspielzeit: 150:54
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MUSIK AUS DEM REICH DER 13000 INSELN Die Inselwelt Indonesiens ist ein musikalischer Mikrokosmos - oder, angesichts der unglaublichen Zahl von 13000 Inseln, Atollen und Eilanden vielleicht nicht doch eher ein Makrokosmos? So wechselhaft die Geschichte dieses Landstrichs gewesen ist, so unterschiedlich die Einflüsse in den vergangenen Jahrhunderten waren, so bunt ist auch die Musik. Indigene, orientalische, arabische, indische und christliche Kulturen sind hier aufeinandergetroffen, haben sich bekämpft oder abgelöst, konnten sich gegenseitig bereichern oder sind verschmolzen. Die Musikethnologin Prof. Magaret Kartomi hat Ende der 80er und Anfang der 90er Jahre das Material für dieses faszinierende CD-Projekt des Labels Celestial Harmonies auf der Inselgruppe der Molukken aufgenommen. Ihr (englischer) Einführungstext und die vorzüglichen, ausführlichen Kommentare zu jedem Track erleichtern die Orientierung sehr.
Vielleicht mag ein unwissender Hörer beim Durchhören gar nicht vermuten, dass es sich um die Musik einer einzigen (wenn auch großen) Region handelt: derart farbig und stilistisch heterogen trommelt, singt, pfeift und bläst es einem hier um die Ohren - einmal abgesehen von der wechselnden akustischen Hintergrundkulisse. Allerdings würde ein Indonesier wohl Ähnliches empfinden, wenn man ihm ein Porträt mit Musik aus Deutschland vorspielen würde, auf dem z. B. J. S. Bach und Kölner Karnevalslieder, Hildegard Knef und Kirchenchoräle, Die Fantastischen Vier und Schuhplattler zu hören wären.
Egal, wo man bei dieser Aufnahme reinhört: Alles klingt sehr ungewohnt, sehr fremdartig. Autonome „Kunstmusik“ in der westlichen Bedeutung des Wortes gibt es hier nicht, alles ist funktional gebunden, meistens kollektiv und öffentlich: in Form von Ritualmusik, als Gesang zur Feldarbeit oder zum Reisstampfen, als Kriegsmusik, als patriotisches Lied, als Hochzeitshymnus, Traumbeschwörung, als Anbetung Gottes oder Allahs oder einfach als Ausdruck von Liebe und Sehnsucht. Schwirrende Bambusflöten, gellende Schalmeien und Gamelan-Ensembles aus dumpfen Trommeln, metallischen Gongs und Zymbeln sorgen für ein wahrlich exotisches, manchmal auch unheimliches Kolorit. Die monotonen Rhythmen der Kampftänze, getrommelt z. B. auf dem ausgehöhlten Stamm eines Palmbaumes, faszinieren durch ihre suggestiv bedrohliche Spannung, die zugleich ganz abstrakt bleibt. Wo hört man schon bei uns 70jährige Sängerinnen, die ihren Gesang mit solcher Inbrunst und Virtuosität zu gestalten wissen? „Schön“ im Sinne des europäischen Belcanto ist das gewiss nicht - aber dennoch ergreifend. Selbst das Vertraute kommt merkwürdig verfremdet daher: Wo die westlichen Einflüsse stärker sind, erklingen die traditionellen Tänze plötzlich in eigentümlichen Dur-Moll-Harmonisierungen. Seltsam muten auch ein Wiegenlied für Jesus und christliche Hymnen an, bei denen die diatonischen Harmonien recht eigenwillig von einem Flötenorchester zusammen mit Blechbläsern gespielt werden - Fremdes unter Fremdartigem und doch typische „Weltmusik“ aus dem kulturellen Schmelztiegel Indonesien.
Alles in allem ist das Kunststück gelungen, musikethnologische Feldforschung für den Hörer hier zu einer abenteuerlichen musikalischen Reise werden zu lassen. Der angekündigten Fortsetzung dieses musikalischen Atlas’ Indonesiens darf man mit Spannung entgegensehen.
Georg Henkel
Trackliste |
CD 1 Molluken 78:46 CD 2 Nord-Molluken 72:08 |
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