Khaschaturjan, A. u. a. (Duo Reine Elisabeth)
Russische und armenische Musik für zwei Klaviere
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Info |
Musikrichtung:
Klavierduo
VÖ: 21.08.2003
Sojuz CD DDD / Best. Nr. SOCD0003
Gesamtspielzeit: 70:33
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ANKUNFT IN DER POSTMODERNE: KLAVIERDUOS RUSSISCHER UND ARMENISCHER KOMPONISTEN "Der erste Satz, Ostinato, unterstreicht die schwere Arbeit Tanja ... Schreiend dissonante Akkordbildungen, zermalmende Ostinatobewegungen überwuchern jeden Keim melodischen Lebens, bis sich am Schluss der Druck entsetzlichen Geschehens löst in den Tränen der Trauer ... - Ein Ruf an das Gewissen, Unmenschlichkeit und Faschismus, wo immer sie auftreten, schonungslos zu vernichten."
Huch! Also, ich fands ja ganz nett, aber ... Da oute ich mich wohl als Kind der Postmoderne, das für den tiefen politischen und sozialen Gehalt künstlerischer Äußerungen unempfänglich geworden ist. Das obige Statement stammt aus dem Jahre 1968. Sein Autor ist Friebert Streller, offenbar ein aufrechter DDR-Kultur-Funktionär, der durch die ästhetische Schulung des Sozialistischen Realismus gegangen ist. Gegenstand seiner Analyse ist ein dreisätziges Klavierduo von Aram Khaschaturjan, das der Komponist diskret aus seiner Musik zum Film "Mensch 217" und der Begleitung zu dem ebenfalls von ihm stammenden Lied "Töchter des Irans" herausdestilliert hat. So wurde aus der Gebrauchsmusik, die einst das Elend einer russischen Zwangsarbeiterin in Deutschland oder den Freiheitswillen des persischen Volkes untermalt bzw. besungen hat, ein Stück „absolute“ Klaviermusik, das nichts anderes mehr leistet, als angemessen zu unterhalten.
Strellers Äußerung erscheint heute unfreiwillig komisch. Seine militant antifaschistische Interpretation sucht der Musik Aussagen und Emotionen abzutrotzen, die diese nur bedingt besitzt. Diese ideologische Überfrachtung bringt den Autor des Booklettextes, Eckhardt van den Hoogen, auf eine interessante Frage: "Hier nun haben wir das interessante Phänomen vor uns, dass den vermeintlichen Botschaften, die man den Partituren von Sowjetkomponisten anheftete ... - dass diesen "Botschaften" also der politische Nährboden entzogen wurde, wohingegen die musikalische Sprache heute überhaupt erst recht populär zu werden scheint. Sollte unter all der KPdSU-Geschwätzigkeit gewisser Mittelklassestücke doch etwas anderes verborgen gewesen sein?"
Angesichts der 13 hier einspielten Werke von Khaschaturjan, der heute vor allem für seinen berühmten "Säbeltanz" aus dem Ballett Gayaneh bekannt ist, eine gute Überlegung: Der U-Faktor dieser eingängigen Musik, die sich ebenso unbekümmert aus volksmusikalischen Wurzeln wie aus klassischen Traditionen nährt, ist, in maßvoller Dosierung genossen, ohne Zweifel sehr hoch. Doch verglichen mit den avancierten Einfällen von Alexander Tscherepnin (die von den sowjetischen Musikfunktionären wohl kaum gebilligt worden wären), kommt bei Khaschaturjan vieles über gediegenes Kunsthandwerk nicht hinaus. Es sind mitunter nur Nuancen, die die Entlehnung eines Volksliedes banal oder, wie eben bei Tscherepnin, raffiniert erscheinen lassen. Dessen Stil ist wahrlich kosmopolitisch: Im rauschhaften, rhapsodischen "Easter Chamber Dream" steckt so viel verschiedene Musik, dass dieser 1. Satz aus der hier eingespielten Fantasie auch nach mehrmaligen Hören noch nichts von seinem Reiz verloren hat. Tscherepnin hatte Glück: Als Weltbürger mit schließlich amerikanischer Staatsangehörigkeit brauchte er sich nicht der Doktrin seines Heimatlandes zu beugen ... was Khaschaturjan, hätte man ihn gefragt, für sich gewiss auch verneint hätte: Bei ihm korrespondierten einfach der persönliche Stil und die Begeisterungsfähgkeit eines Komponisten mit der vom Staat verordneten Musikästhetik.
Man kann sich vermittels des Booklettextes natürlich auf eine kulturpolitische Spurensuche begeben und die Musik auf ihren Ideologiegehalt befragen, um dann den vielleicht noch verbleibenden Kunstgehalt zu ermitteln. Man kann das aber auch einfach sein lassen und dem vorzüglichen Spiel des Duo Reine Elisabeth lauschen, das mit dieser Aufnahme einen wirklich faszinierenden Querschnitt durch ein selten gespieltes Repertoire bietet. Bei rund 70 Minuten Klaviermusik in einem mitunter bis zum Verwechseln ähnlichen Stil ist es allerdings ratsam, sich die Aufnahme stückweise zu Gemüte zu führen. Ansonsten hört man irgendwann nur noch pianistische Säbeltanzen bzw. -rasseln ...
Georg Henkel
Trackliste |
01-04 Khaschaturjan: Tänze aus dem Ballett "Spartak" 05-10 Khaschaturjan: Tänze aus dem Ballett "Gyaneh" 11-13 Tscherepnin: Fantasie 14 Arutjunjan / Babadschanjan: Armenische Rhapsodie 15-17 Khaschaturjan: 3 Klavierstücke |
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Besetzung |
Rolf Plagge, Klavier Wolfgang Manz, Klavier
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