Bach, W. F. (Ewald Demeyere)
Fugen und Sonaten
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Info |
Musikrichtung:
Cembalo
VÖ: 01.04.2004
Accent / Note 1 CD DDD (AD 2003) / Best. Nr. ACC 23157
Gesamtspielzeit: 53:34
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AN DER EPOCHENSCHWELLE Der freundlich-joviale Gesichtsausdruck, mit dem der älteste Bachsohn Wilhelm Friedemann Bach (1710-1784) den Betrachter aus seinem Porträt heraus anblickt, verrät nichts von den schwierigen Lebensumständen, mit denen sich der Komponist in seiner zweiten Lebenshälfte auseinanderzusetzen hatte: 74jährig starb Bach als freischaffender Komponist in vollkommener Armut, nach einem bewegten, an Höhen und Tiefen nicht armen Leben. Das Risiko einer anstellungslosen Künstlerexistenz hatte der anspruchsvolle, charakterlich nicht unkomplizierte Friedemann nicht ganz freiwillig gewählt. Nach 18 Jahren als Organist und Musikdirektor an der Hallenser Marktkirche hatte sich die Situation vor Ort als Folge des Siebenjährigen Krieges derart verschlechtert, dass ein Leben als reisender Virtuose weniger unattraktiv schien. Am Ende einer zehnjährigen ausgedehnten und kräftezehrenden Konzert- und Reisetätigkeit ließ sich Bach 1774 dann mit seiner Frau in Berlin nieder, wo er sich erneut - wenngleich vergeblich - um eine feste Anstellung bemühte. Es blieb bei gelegentlichen Versuchen, durch die Publikation eigener Werke an Geld zu kommen. Doch auch im Jahr 1779 wollte sich kein Verleger für die avisierten „Fugen & Sonaten fürs Clavier“ finden lassen. Zu hoch waren Bachs Forderungen, zu hoch schien auch das Risiko angesichts des - vermeintlich - altmodischen Stils: Insbesondere Fugen galten kontrapunktische Zöpfe, mit denen zu einer Zeit, die ihren Weg zwischen empfindsamer Galanterie und Sturm und Drang suchte, kein Geld zu machen war.
Hört man diese Musik heute, dann kann man schon verstehen, warum Johann Sebastian Bach Friedemann musikalisch für den interessantesten, vielversprechendsten seiner Söhne hielt: W. F. Bach versuchte, die strenge, gebundene Satzweise seines Vaters mit den neuen Ausdrucksformen der eigenen Generation zu verbinden. Seine kontrapunktische Meisterschaft äußert sich gerade darin, dass sie äußerst diskret zum Einsatz kommt. Sie ist Mittel zum expressiven Zweck und verbirgt sich hinter spielerischer Leichtigkeit und Eleganz. Die Musik gewinnt so trotz der formalen Bindungen eine fast rhapsodische Freiheit und verfügt über ungewöhnlich breite Ausdruckspalette. Während Bachvater noch „etwas“ ausdrückte, ist beim Sohn der subjektive Einschlag, das komponierende „ich“, schon viel deutlicher zu vernehmen.
Der junge Cembalist Ewald Demeyere (Jg. 1974) nähert sich dieser Gratwanderung zwischen den Stilen auf dem silbrig und ausgesprochen leicht klingenden Nachbau eines französischen Instruments von Herni Hemsch. Obschon nicht sonderlich resonanzreich, erweist es sich für Bachs Musik doch als geeignet, zumal Demeyere die galanten und eleganten Seiten der Stücke betont, was vor allem bei den „offener“ gestalteten Sonaten aufgeht. Zum Vergleich: Christophe Rousset (Harmonia Mundi) kehrt auf seinem ebenfalls französischen, aber sehr viel erdiger und sonorer klingenden Cembalo von Ruckers-Couchet eher die retrospektiven Momente hervor. So behandelt er die Fugen durchaus als Fugen, wenn er die Stimmeinsätze und den polyphonen Verlauf durch eine akzentuierte Phrasierung und markant gesetzte Registerfarben herausstreicht. Demgegenüber bietet Demeyere hier zwar die „modernere“ Interpretation, die Architektur der Musik und ihre unterirdischen Spannungsverläufe werden bei ihm aber weniger präsent: Im Vordergrund stehen die vielen schön ausgeformten Details, die durch sein perlendes Spiel ins rechte Licht gerückt werden.
Georg Henkel
Trackliste |
01-03 Sonata A-Dur 04-06 Sonata D-Dur 07-09 Sonata B-Dur 10-17 Acht Fugen |
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Besetzung |
Ewald Demeyere, Cembalo nach Henri Hemsch, Paris 1756
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