Auf der "Kings And Queens"-Tour hatte Meister Pell nicht nur sein gleichnamiges neues Album bzw. seine All-Star-Truppe, sondern auch zwei sehr interessante Supportacts mit im Gepäck. So war es auch nicht weiter verwunderlich, dass an diesem stinknormalen Dienstagabend der Nürnberger Hirsch bei der Stippvisite des Meisters erstaunlich gut mit einer bunt zusammengewürfelten Zuschauerschar gefüllt war und so schonmal ideale Voraussetzungen für ein erinnerungswürdiges Konzert gegeben waren.
Mit dem Song "Dangerous" vom erst vor kurzem veröffentlichten Longplayer Against Everones Advice eröffneten die schwäbischen Hardrocker Pump ihr Set. Die professionell dargebotene Mixtur aus moderneren Acts dieses Genres wie Shakra und einer großen Portion 80er-Jahre-Sound erwies sich als idealer Anheizer für das Nürnberger Publikum. Kaum zu glauben, dass hier als Frontmann Ex-Brainstorm-Shouter Marcus Jürgens agierte, da die Musik seiner neuen Band mit Powermetal eigentlich nichts am Hut hatte. Doch auch hier machte er bis auf die teilweise in englisch vorgetragenen Ansagen ebenso wie der Rest der Truppe eine gute Figur. Freunde traditioneller, unverfälschter Hardrocksounds können also durchaus mal in die aktuelle CD der Jungs reinhören, denn zumindest beim ca. halbstündigen Gastspiel im Hirsch kam die Band beim Publikum ziemlich gut an. So hoffen wir einmal, dass wir trotz der großen Konkurrenz noch einiges von den Schwaben hören bzw. sehen werden.
Eigentlich sollte ja der nächste Act mit Iced Earth und Primal Fear Europa unsicher machen, doch diese Tour wurde ja bekanntlicherweise wegen einer Verletzung von Iced-Earth-Mastermind Jon Schaffer gecancelt und so konnten Axel Rudi Pell und Co. auf die Dienste von Thunderstone zurückgreifen. Vielen Dank von meiner Seite schonmal an den Meister für seine Entscheidung, denn es wäre ja auch jammerschade gewesen, wenn man die Finnen dieses Jahr überhaupt nicht zu Gesicht bzw. Gehör bekommen hätte, da die Hoffnungsträger des melodischen Powermetals auf der Bühne im Nürnberger Hirsch die Messlatte für den Hauptact ziemlich hoch legten. Bis auf den etwas zu laut abgemischten Livesound gab es nämlich an den Jungs heute nichts auszusetzen, die Truppe aus Helsinki präsentierte sich in einer bärenstarken Form und bot den Fans ein komprimiertes Best-Of-Programm, das selbst ich mir in meinen (feuchten) Träumen nicht besser zusammenstellen hätte können. Besonders eindrucksvoll waren natürlich wieder die fast schon unmenschlich schnellen Gitarren-/Keyboard-Duelle in Songs wie "Until We Touch The Burning" und "Virus", aber auch die straighten Rocker "Eyes Of A Stranger" und "Forth Into The Black" sowie die Ballade "Sea Of Sorrow" gehören zu den absoluten Perlen, die dieses Genre momentan zu bieten hat.
Eine der berühmtberüchtigen Coverversionen gönnten uns Pasi Rantanen und Co. dieses Mal aber leider nicht, doch kurz vor dem Schlusspunkt "Let The Demons Free" wurde passenderweise kurz der AC/DC-Klassiker "Whole Lotta Rosie" angespielt und Keyboarder Kari Tornack unterstütze dies visuell mit seiner Teufelshörnchenmütze, mit der er bei diesen Song sein Haupt bedeckte. Starker Auftritt einer Truppe, die übrigens beim anschließenden gemeinsamen Bierchen genauso sympathisch 'rüberkam wie auf der Bühne.
Nach einer langen Soundcheckpause und einem spotlightunterstützten Intro, das sich ebenfalls solchen Zeitdimensionen anpasste, betraten die Hauptakteure dieses Abends plus zwei nett anzusehende Backgroundsängerinnen die Bühne, um ihrer Arbeit nachzugehen. Auch auf dieser Tour konnte man ein Axel Rudi Pell-Konzert kaum mit Gigs der Konkurrenz vergleichen, denn anstatt Note für Note die Albumversionen der Titel zu kopieren, konnte man hin und wieder nette Jamsessions bewundern und so mancher Refrain wurde desöfteren an diesem Abend wiederholt, um die Stimmung im Publikum noch mehr anzuheizen. Großes Kompliment deswegen an die Pell`sche All-Star-Truppe, durch diese Massnahmen wurde das Livefeeling noch um einiges verstärkt und wem sowas nicht gefällt, der kann sich auch in den heimischen vier Wänden die Songs von Axel Rudi Pell über seine Hifi-Anlage anhören. Apropos Pell: Der Meister hielt sich im Gegensatz zu einigen seiner selbstdarstellerischen Mitbewohner auf dem Gitarrenolymp dezent im Hintergrund, lies sein Genie nur ab und zu kurz, aber dafür gewaltig aufblitzen und stellte sein Spiel eindeutig in den Dienst der Songs. Sogar die Ansagen überlies er seinem Sänger Johnny Gioeli, der durch seinen genialen Gesang bzw. seiner Gestik förmlich mit den Stücken eins wurde und wieder mal eindrucksvoll unter Beweis stellte, dass er ohne schlechtes Gewissen in einem Atemzug mit Sanges-Ikonen wie Jorn Lande und Co. genannt werden darf. Vocal-Championsleague eben!
Die Songs, die der musikalisch äußerst kompetente Fünfer heute veredelte, konnte man getrost mit einer Best-Of-Setlist gleichstellen, die mit aktuellen Krachern wie "Strong As A Rock" und "Legions Of Hell" vom neuen Album Kings And Queens ergänzt wurden. Zeit für ein wenig Erholung gewährte die Truppe eigentlich nur durch eine Halbakkustiksession, die aus "Oceans Of Time" und "Forever Angel" bestand und bei der nur Mr. Pell für seine Solis ein strombetriebenes Sechs-Saiten-Instrument benutzte. Selten hat man so eine schöne Einladung zum gemeinsamen Träumen bekommen.
Ihre Solistenqualitäten durften natürlich auch die anderen Musiker unter Beweis stellen, wobei als Punktsieger wieder einmal die Schlagzeuglehrstunde von Mike Terrana hervorging. Ich wage mal zu behaupten, dass die Soli des Amis eine der wenigen wirklichen Bereicherungen in Sachen Schlagzeugdemonstration in einer Rock N`Roll-Show darstellen, denn seien wir doch mal ehrlich - bei 90 Prozent aller Drumsolos kann man den Applaus des Publikums als Dankeschön werten, dass diese Qual endlich vorbei ist. Anwesende Schießbudenkollegen sind bei meiner Theorie natürlich ausgeschlossen.
Nach diesem ganzen Feuerwerk startete der zweiteilige Zugabenblock mit dem Kracher "Fool, Fool" und als die Lichter in Halle wieder angeknipst wurden, war man sich schon sicher, dass das Gähnen am nächsten Morgen im Büro, außer an der Müdigkeit, auch an ein starkes Stück Live-Musik erinnerte, dem man am Abend vorher beiwohnen durfte.
Manuel Liebler
Internet:
www.pump-rocks.com
www.thunderstone.org
www.axel-rudi-pell.de
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