Die ehemaligen Dokken-Streiter L und P legen mit "Wicked Underground" ein auf den ersten Blick nicht sehr auffälliges, extrem gediegenes Stück Schwermetall vor. Vielleicht ein Symbol dafür, dass der Metal nach über 25 Jahren Reife ein Stadium erreicht hat, in dem man seine Kraft zelebrieren kann ohne sich in überzogene Aggressivität zu verlieren.
Das mit Drummer Michael Frowein vervollständigte Trio strömt eine harmonische Wärme aus, die ein extrem druck- und kraftvolles Vorgehen in einen völlig positiven Rahmen einbindet. Auf sich destruktiv gebärdende Images, die im Metal sonst zum "guten" (d.h. evil) Ton gehören, kann man voller Selbstbewusstsein verzichten.
Schon der ungeheuer kraftvolle Opener, der von einer ganz tief unten drängenden Gitarre nach vorne getrieben wird, ist nicht schnell, nicht hart, aber eben voll von nicht zu stoppender Power. Hear it very(!) loud!!
"Beast in an Box" weist auf prä-metallsiche Traditionen hin. Es ist kein Heavy Metal, auch kein Hard Rock, sondern der Heavy Rock, der einmal von Black Sabbath und Uriah Heep erfunden wurde - allerdings in seiner zeitgemäßen Gestalt.
Auch Elemente, wie die gelegentlich an Phil Lynott erinnernde Stimme, und die sägenden Gitarren á la Subway to Sally (3, 4) markieren den Bogen zwischen Tradition und Moderne den L/P spannen.
Und endlich: Auch das gibt es! Die einleitenden Gitarrentakte von "Ever higher" bieten nach fast 20 Minuten zum ersten Mal etwas Raum zum Luft holen. Ein wunderschön ruhiges Stück Musik, das dich ganz sanft in die Entspannung trägt.
Ein fast geniales Scheibchen, das - so ist zu befürchten - im Trubel des Marktes untergehen wird.
Norbert von Fransecky
16 von 20 Punkte