Das Label "Classic Rock Productions" hat sich ganz dem 70er Jahre Prog verschrieben. Wichtigster Act das Labels dürften die immer noch aktiven Uriah Heep sein. Die sind auf "The Progressive Rock Anthology" leider nicht enthalten. Dafür eine ganze Reihe anderer Schmankerl.
Vier Tracks entführen uns vollständig in die frühen 70er (1, 3, 4 und 5) und konfrontieren uns nicht nur mit unkonventionellen Klängen, sondern auch mit einer ebensolchen Mode (very strange indeed). Denn hier wurden Live-Mitschnitte aus alten Archiven geplündert.
Die Aufnahmen von Rick Wakeman und Caravan dagegen stammen von 1990. Barclay James Harvest zeigen sich zu ihrem 25. Bandjubiläum (Das müsste 1991 gewesen sein.) noch einmal mit den Originalmitgliedern, Les Holroyd, John Lees und Mel Pritchard. Nektar ist ein interessanter Zusammenschnitt von alten (1972) und neuen Aufnahmen (nach der Reunion 2002).
Klar, dass der Sound auf den neueren Tracks fetter rüber kommt. Interessanter aber sind die alten Schinken. Man erlebt Roger Chapman in jungen Jahren (aber schon mit ziemlich gelichteter Platte) als Frontmann von Family vor einem riesigen Peace-Zeichen. Man beobachtet wie Curved Air mit fast wissenschaftlichem Ernst und Interesse Klänge und Sounds aus ihren Verstärkern und der Geige(!) hervorlocken, die von den Herstellern wohl nie vorgesehen waren. Thijs van Leer von Focus jauchzt im absoluten Gegensatz dazu mit unbändigem Spaß die wohl berühmtesten Jodler der Rockgeschichte in das Mikro, während Jan Akkermann an der Gitarre ihn mit einem fetten Grinsen beobachtet.
Dabei tobt von Leer mit einer Begeisterung und Kompetenz auf seiner drei-manualigen Orgel herum, dass die Vorstellung höchstens noch von Rick Wakeman getoppt werden kann. Der gibt sich natürlich nicht mit drei Tastaturen zufrieden, sondern verschanzt sich in einer kreisförmigen Keyboard-Burg, um von Gerät zu Gerät zu sprinten. Dabei schaut ihm die Kamera immer wieder sehr genau auf die Finger.
Insbesondere der Curved Air-Mitschnitt wird zum eindrücklichen Dokument, in welche Extreme sich in den frühen 70ern die Solo- und Verzerrer-Orgien begeben haben. Am anderen Ende stehen dann das sehr harmonische, fast poppige Barclay James Harvest-Finale und der fast "normale" Rock von Family.
Insgesamt ist diese DVD ein grandioser Überblick über eines der interessantesten Rock-Genres überhaupt, das zu meiner großen Freude - nach ziemlicher Flaute in den 80ern und frühen 90ern - langsam wieder an Bedeutung gewinnt. Die Compilation dokumentiert das mit zwei Bonus Tracks von aktuellen (Newcomer)-Bands, die extremen Hunger auf mehr machen.
Sowohl für Prog-Neulinge, als auch für nostalgische alte Knochen kann diese DVD bedenkenlos empfohlen werden. Enttäuschend ist lediglich das Drumherum. DVD-typische Extras gibt es nicht einmal im Ansatz. Statt dessen laufen Infos zu den Clips als Schriftband durch das Bild. Sie können nicht einmal abgeschaltet werden.
Norbert von Fransecky