Wo Neo-Prog drauf steht, da sind normalerweise tonnenweise Keyboards drin. Und auch Jadis haben keinen Sticker "No Synths" auf dem Cover. Dennoch, obwohl die Band eindeutig in den Neo-Prog-Topf gehört und mit ihren beiden ersten Alben sogar Klassiker des Genres in de Welt gesetzt hat, steht auf "Fanatic" im Zentrum des Geschehens eindeutig das klassische Rock-Gerät schlechthin, die Stromgitarre.
Auch sonst verhalten sich Jadis nicht unbedingt szenekompatibel. Ein Stück mit acht Minuten; der Rest hat Längen, bzw Kürzen, in denen Pendragon & Co für gewöhnlich gerade mal das Intro unterbringen.
"Fanatic" präsentiert sich mit einem Outfit, das perfekt zur Musik passt. Beim schnellen ersten Blick wirkt das Cover nichtssagend - blasse, durchsichtige Farben, keine erkennbaren Motive. Erst der zweite und dritte Blick findet Details, Strukturen, Gegensätzliches.
Die gleiche kühle, durchscheinende, fast transzendente Atmosphäre strahlen Jadis auch mit ihrer Musik aus. Verantwortlich dafür ist nicht zuletzt die klare hohe (aber nie schrille) Stimme von Gary Chandler, die sich weit über diese Erde zu erheben scheint in eine jenseitige Welt, der alles Erdenschwere, Bedrängende fehlt - wären da nicht immer wieder die erdigen Rockgitarren (ebenfalls von Chandler gespielt), die für eine feste Verankerung im Diesseits sorgen und verhindern, dass Jadis in die kalorienarme Esoterik entgleiten.
Als Anspieltipps lohnen sich:
- das instrumentale Titelstück, das mit sehr ruhigen Keys beginnt und mit einsetzender Gitarre auf den Spuren jüngerer Pink Floyd wandert (übrigens nicht das einzige Mal. Chandler scheint in der letzten Zeit viel Gilmour studiert zu haben.);
- das nette "Each and everyday", das beweist, dass auch ein "Naaa nana naa"-Chor einfach nur schön sein kann;
- das brillante "I never noticed", das auch ohne aggressiv zu werden, dramatischen Druck zu erzeugen weiß. Hier hätte ich mir allerdings eine etwas kräftigere und dunklere Stimme gewünscht,
- ebenso wie beim Schlussstück, bei dem die Briten zu beweisen versuchen, dass man auch beim härteren Prog mithalten kann, und dafür sogar kleine Ausflüge in den Progmetal wagt. Dream Theater grüßen heftigst.
Norbert von Fransecky
14 von 20 Punkte
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