"Nanu, was ist den das ?!? Etwa Nightwish meets Linkin Park, oder was ?",
dachte ich mir als in meiner Flimmerkiste das Video zu "Bring Me To Life"
lief. Welcher romantisch veranlagte Nu-Metaller nun spekuliert, dass der
komplette Longplayer in diesem Stil gehalten ist, den muss ich herb enttäuschen.
Evanescene fabrizieren auf "Fallen" Gothik-Rock, der durch geschickt eingesetzte
technische Einsprengsel sehr modern klingt und bei dem sich die männlichen
Vocals bzw. der Sprechgesang nur auf den eben erwähnten Song bzw. dem
Gastauftritt vom 12-Stones Frontkasper Paul McCoy beschränkt. Die restlichen Songs
prägt die Stimme der Frontlady Amy Lee, deren Gesicht den Musikkonsumenten
Ville-Valo-like schon vom CD-Cover entgegenschaut.
Wo wir gerade bei Vergleichen sind, beschreiben kann man den Sound der Amis
als Melange zwischen Lacuna Coil aus Bella Italia und Within Temptation, die
bekanntlich im Land von Gouda und Co. beheimatet sind. Sehr europäisch also
und so musste ich schon dreimal hinschauen um sicher zu gehen das die Truppe
wirklich aus Bill Cintons Heimat Little Rock in Arkansas stammt, wo sie
angeblich schon seit Highschoolzeiten zusammen musizieren.
Genug Geographie für heute und zurück zu dem Silberling. Das Album startet
mit der fast schon mystischen Gänsehautnummer "Going Under", worauf die
allseits bekannte Singleauskopplung "Bring Me To Life" folgt. Weitere Leckerbissen
sind das verhältnismässig heftige "Tourniquet", sowie "Whisper" mit dessen
einprägsamen Refrain es der Truppe gelingt am Schluss noch einmal mächtig zu
punkten. Bis auf die zwei (fast schon zu) ruhig gehaltenen Balladen "My
Immortal" und "Hello", die sich nicht wirklich mit den anderen Stücken anfreunden
wollen, ist auch über den Rest der Songs nichts negatives zu vermelden und
trotz radiokompatibler Dauer jeder Nummer bemühte man sich durch Chöre bzw.
Piano-Outros Atmosphäre zu schaffen, was recht gut gelungen ist.
Um aber wieder auf das Anfangs erwähnte Musikvideo zurückzukommen, die
Plazierung auf der Hot-Rotation der Musiksender hat sich für die Band auf
jedenfall gelohnt, denn dieser Longplayer stieg offiziell auf Platz zwei in die
Deutschen Albumcharts ein. Wirklich erfreulich, wenn man bedenkt, was sich sonst
dort so für Zeugs tummelt, doch irgendwie auch schade, dass stylistisch ähnlich
gelagerten Kapellen wie Lacuna Coil und Nightwish zum Beispiel diese Chance
durch fehlendes Videoairplay genommen wird. Vielleicht stört MTVIVA ja, dass die
Jungs dieser Gruppen lange Haare haben und nicht aus dem Amiland kommen wie
die schnicken Evanesence-Jungs mit ihren hippen Ziegenbärten und
Rappermützen. (Oder die von dir genannten Bands sind nicht bei den Majors gesignt,
denen die Werbesender MTVIVA ja zum größten Teil gehören... Anm.d.Red.)
MANUEL LIEBLER
15 von 20 Punkte
Internet: www.evanescence.com