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Blackmail
Gute deutsche Rockmusik. Auch im Jahre 2001 im "Post-Hamburg" und
"Berlin zeigts euch"-Zeitalter kein leichtes Thema. Wer sich mit der
aktuellen Popwelle a la Paula oder Meinrat Jungblut nicht ganz
anfreunden kann, dennnoch aber nicht auf verzerrte Gitarren aus
heimischen Gefilden verzichten möchte, hat es schwer im Augenblick.
Doch es gibt noch Hoffnung. Und die kommt aus Koblenz und heisst
Blackmail. Vier Männer, ein Sound. Und der begräbt erst mal alle
Zweifler mit einer wahren Gitarrenwelle unter sich. Dieser wahnsinnig
dichte, satte Sound ist die Spezialität von Aydo Abay (Gesang), Kurt
Ebelhäuser (Gitarre), Mario Matthias (Schlagzeug) und Carlos
Ebenhäuser (Bass). Dazu Kurt: "Der Sound ist definitiv dichter
geworden. Der ist halt ein bisschen sauberer geworden. Bei der
"Blackmail" und der "Science Fiction" [die ersten beiden Alben der
Band] war er halt noch sehr dreckig, und das ist auch das, was ich ein
bisschen vermisse auf der neuen CD, aber ist auch nicht schlimm. Ich
denke, das wird sich mit der nächsten Platte wieder legen."
Zurückzuführen ist dies laut Kurt auf die Entwicklung ganz neuer
musikalischer Freiheiten. Denn gerade im Songwritingbereich hat sich
seit der letzten Platte einiges getan. Völlig konträr zum normalen
Entstehungsprozess eines Albums haben Blackmail nämlich ihr neues Werk
mit Ausnahme von 5 Songs erst im Studio entstehen lassen. Dazu Carlos:
"Hier haben wir 4 Wochen lang ganz bewusst das Studio gebucht, haben
uns Zeit genommen, haben auch vorher kaum geprobt, haben ein paar mal
vorproduziert. Es standen dann diese 5 Songs. Wir wollten uns als Ziel
setzen, 20-30 Songs aufzunehmen, um dann nachher eine Auswahl zu
haben. Den Rest haben wir dann also komplett im Studio entstehen
lassen. Und das war dann doch nicht so einfach wie wir dachten, aber
letzten Endes hat es dann doch geklappt."
Ganz falsch kann diese Herangehensweise wohl nicht gewesen sein. Denn
was die vier hier geschaffen haben ist ein Meisterwerk in Sachen
Noiserock, in welch en der Bandsound noch am ehesten einzuordnen ist.
Auffällig ist diese melancholische, mystische und auch düstere
Atmosphäre, die eben durch jene Gitarrenwand erzeugt wird. Interessant
sind zudem die unüblichen Akkorde, die sich mit der Stimme von Aydo
Abay, die sich ebenfalls oft am äussersten Rand des Erlaubten
befindet, zu einem wunderbaren Gesamtsound vereinigen.
Auch dieses Wechselspiel zwischen Drive und ganz ruhigen Passagen
gemischt mit etwas Groove, verfeinert mit ein bischen Jazz ist sehr
reizvoll. Als absoluter Ohrwurm ist natürlich "Same, Sane" besonders
zu empfehlen. Persönlich besonders beeindruckt hat mich allerdings das
anfangs sehr ruhige "Permanently Temporary", in dem ein wunderbares,
atmosphärisches Vibraphonsolo schliesslich von grausamen, langsam
erstarkenden Gitarren sozusagen in der Luft zerrissen wird. Nach
diesem schrecklichen Mord folgt eine etwa zweiminütige Phase Stille.
Wie kommt es dazu? Sänger Aydo: "Den Track mussten wir dazwischen
machen, wie der davor eine lange Session ist und die 16 ja auch, so
dass wir ein bisschen Raum brauchten. Den Titel (Leave On) haben wir
gewählt, wie es ohne Titel ein einfacher Hidden Track geworden wäre.
Das wollten wir nicht."
Textlich wirken Blackmail zunächst etwas dunkel, was Aydo jedoch
sofort ablehnt: "Ich finde meine Texte eher ziemlich positiv. Aber ich
brauche manchmal ein Jahr bis ich überhaupt verstehe, was da aus mir
raus wollte." Auf die Bedeutung des Titels "Bliss, Please"
angesprochen äussert er sich folgenderwe ise: "Wir sind alle auf der
Suche nach Glückseeligkeit . Natürlich ist der Titel nur ironisch
gemeint, wie man am schönen Coverartwork von Dirk Rudolph sehen
kann."
Ein ganz wichtiger Punkt in der Bandgeschichte stellt auch die
Labelpolitik dar. Wohl von kaum einer anderen Band war so viel
Gelästere und Gemaule über grosse Majors und deren Bands, aktuelles
Beispiel Guano Apes, zu hören. Doch wie erklärt sich ausgerechnet dann
der Umstieg vom kleinen Indielabel "blunoise" zu "Speicherstadt",
einer kleinen Schwester von Riese "Warner"? Dazu Carlos: "Es wäre
definitiv keine Steigerung mehr möglich gewesen. "Science Fiction" ist
definitiv das erfolgreichste , was bisher auf blunoise gelaufen ist.
Vertriebstechnisch wäre das mit der dritten Platte bei blunoise für
uns ein Rückschritt gewesen. Wir hatten jetzt die Wahl, wo wir
veröffentlichen und haben uns dann für die Möglichkeit entschieden,
die uns alle Freiheiten zugesichert hat. Dies war bei Warner der Fall.
So eine Platte kann auch nur entstehen, wenn du komplette
Narrenfreiheit hast. Zum Beispiel für "Sad Source", ein Stück, das nur
aus Halbtönen besteht und total seltsam ist, wären wir bei Sony wieder
nach Hause geschickt worden."
Blackmail haben es also doch geschafft, was andere Bands vermissen
lassen: Sie sind trotz einigen Erfolges immer noch ihren alten
Prinzipien und damit auch sich selbst treu geblieben.
Live zu sehen gibt's Blackmail in nächster Zeit bei einigen grösseren
Festivals in Deutschland, wie z.B. Rock am Ring, Rock im Park,
Southside oder Hurricane.
Lash Larue
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