Vivaldi, A. / Sollima, G. / Strawinsky, I. (Kadesha)
Suite italienne
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Info |
Musikrichtung:
Barock / Moderne
VÖ: 16.02.2024
(Linn / Outhere / Note 1 / CD / 2022 / Artikelnr. CKD 742)
Gesamtspielzeit: 54:33
Internet:
Jonian Ilias Kadesha
CHAARTS
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Verflixt - wann habe ich das letzte Mal bei Vivaldi gelacht? Wann hat mich Zeitgenössisches noch einmal wirklich verblüfft und gebannt? Wann hat Strawinskys "Suite italienne" mir mit ihren Wechselbädern so viel Vergnügen bereitet?
All das ist mit diesem Album passiert. "Suite italienne" ist klug konzipiert und schlägt so kühn wie treffsicher die Brücken vom Barock zur Moderne. Im Mittelpunkt stehen die stupende Technik und musikalische Vielseitigkeit des Geigers Jonian Ilias Kadesha. Vivaldis "Il Grosso Mogul" tönt bei ihm, obschon in den vergangenen Jahren fast totgespielt, noch einmal neu und gerade im Finalsatz aufregend extravagant, ist mehr Fantasie als Concerto. Dies indes nicht in gewollter Manier, sondern bis in die Verzierungen hinein organisch aus dem Material erwachsend und mit ernsthafter, gleichwohl spielerischer Neugier dem Geist des Stücks abgelauscht.
Dadurch ist der Weg dann auf einmal gar nicht weit zum Konzert für Violine, Streicher, Laute und Percussion, das Giovanni Sollima (Jg. 1962) als Auftragskomposition für ein Festival im Jahre 2021 schuf, die gedanklich um das Thema Glück und Schicksal kreist. Es finden sich folkloristisch südosteuropäische Anmutungen, Bezüge zu Inspirationsquellen aus der Alten Musik (Dowland, Byrd und - im Finalsatz - Vivaldi), kaprizöse Verwicklungen der Violinstimme, Anspielungen auf Glass, Sangliches wie Geräuschhaftes. Das nimmt man nicht unbedingt über alle fünf Sätze hinweg als stringent verbunden wahr, doch das wäre dem erratischen Charakter des Glücks auch kaum angemessen. Vielmehr gibt es ein Staunen über den steten Fluss der Ideen, bei dem Sollima sehr geschickt die abgedroschenen Avantgardeeffekte umschifft und die Klangwelten des traditionellen Orchesters mit den Potentialen des Perkussionsapparats wie der Mal um Mal aus der klassischen Rolle fallenden Violine zu verbinden weiß. Vivaldis "Della tua sorte" bricht in das Finale wie ein Meteorit aus einer anderen Welt herein, wird sogleich amalgamiert und einem steten Metamorphosenstrom unterzogen - die Spur bleibt hörbar. Doch selbst für einen so unschlagbar formstabilen Vivaldi gilt hier mit Orff: "O fortuna, velut luna statu variabilis..." Und so gipfelt das Konzert in einem fast schon brachial bacchantisch taumelnden Schluss-Stretta von Violine und Schlagwerk. Packend.
Nach diesem Parforceritt hat Strawinskys "Suite italienne" mit ihrem charmant-harmlosen Beginn es zunächst nicht leicht. Eigentlich für Violine bzw. Cello und Klavier gesetzt, wurde sie hier von Andreas Fleck für Streichorchester, Cembalo und Violine eingerichtet. Das gibt dem starken Ensemble "CHARTS Chamber Artists", das sich selbst scherzhaft als das größte Streichquartett der Welt bezeichnet, dann den idealen Entfaltungsspielraum. Und der Zugriff der Musiker:innen ist in der Tat nicht nur hoch präzise, sondern auch elektrisierend. Die flirrende Dauerspannung, unter die die Suite immer wieder gerät, um danach in ruhigeres Fahrwasser und tänzelnde Anmut zurückzufinden und im Stakkato des Finales zu enden, wird ideal abgebildet, so dass die Musik so abhebt, wie Strawinsky es sich gewünscht haben dürfte.
Sven Kerkhoff
Trackliste |
Antonio Vivaldi: Violinkonzert D-Dur RV 208
Giovanni Sollima: Konzert für Violine, Streicher, Laute & Percussion "TYCHE"
Igor Strawinsky: Suite Italienne |
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Besetzung |
Jonian Ilias Kadesha: Violine
CHAARTS Chamber Artists
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