Rameau, J.-Ph. – Rameau, C. – Rameau C.-F. u.a. (Taylor, J.)

La Famille Rameau


Info
Musikrichtung: Barock Cembalo

VÖ: 09.04.2021

(Alpha / Note 1 / CD / DDD 2020 / Best. Nr. Alpha 721)

Gesamtspielzeit: 78:41



RAMEAUS STAMMBAUM

Gleichsam als Fortsetzung seines Albums mit Cembalomusik von Forqueray Vater und Sohn hat Justin Taylor nun auch eine Art musikalischen Stammbaum der Rameaus aus deren Werken komponiert. Vom berühmten Jean-Philippe Rameau kommen Bruder Claude, Sohn Claude-François und Neffe Lazare allerdings nur mit jeweils einem Stück aus ihrem Œuvre zu Wort, es handelt sich also lediglich um zarte Seitenästchen am Hauptstamm des Programms, das im Wesentlichen aus den Kompositionen des genialen Maître aus Dijon besteht.
Doch lockern diese überwiegend galant-klassizistischen Einlagen die Auswahl bekannter Stücke aus der Feder Jean-Philippes auf, obendrauf gibt es zudem noch Variationen über einen seiner Hits, den Tanz „Les Sauvages“, die ein gewisser Jean-François Tapray komponiert hat: Ein fantasievoll ausgestattetes Bravourstück, das Taylor mit Verve und Brio präsentiert. Er spielt ein Instrument aus der Werkstatt Donzelague aus dem Jahr 1730, das sich heute im Schloss von Assas befindet und von außergewöhnlicher Qualität ist: samtige Tiefen und leuchtende Höhen, aristokratisch und elegant, frei von Schärfen. Mutmaßlich hat Jean-Philippe Rameau selbst darauf gespielt.

Taylor lässt sich von edlen Klang inspirieren und bietet durchaus andere Lesarten als Christophe Rousset oder Blandine Rannou in ihren klassischen Einspielungen. Vor allem den Stuck der Verzierungen inszeniert Taylor als Tanz der Elementarteilchen, der die Oberfläche der Stücke wie kostbare Stickereien oder Brokatstoffe flimmern lässt. Die langsameren Stücke werden mit feinschwingender Agogik ausgekostet, tastend und unvorhersehbar entwickelt sich das Geschehen aus dem Moment. Die Seufzerstimmen von „Les Tendres Plaintes“ oder die entrückten Tanzfiguren einer Allemande greifen auf geheimnisvolle Weise ineinander, manche Wendung bekommt eine ganz andere Richtung und Aufladung, auch wenn die süße Melancholie, die Rameau zu eigen ist, auch hier immer präsent ist.

Während die schmiedehämmernden Zyklopen nebenbei Pirouetten auf dem Hochseil drehen, wirkt das zeitlupenhaft verlangsamte „Le Rappel des Oiseaux“ plötzlich wie eine Vorahnung der „Oiseaux tristes“ von Ravel (und entgeht in dieser Darbietung nicht einer gewissen „Rokokomechanik“). Dagegen nimmt sich das unverwüstliche Huhn im gleichnamigen „La Poule“ geradezu naturalistisch aus; Taylor präpariert die von Rameau einkomponierten Volten und Minidramen heraus – wer hätte gedacht, dass in diesem gewöhnlichen Vogel so viele Geschichten stecken?

Etwas angestrengt wirkt hingegen Taylors eigene Bearbeitung eines der Konzertstücke Rameaus für Cembalo, Gambe und Violine (oder Flöte) – allzu hart zusammenmontiert und unstet in den Tempi springt das notenreiche Stück „La Rameau“ von Moment zu Moment. Aber möglicherweise wollte der Interpret schlicht den unberechenbaren und avantgardistischen Charakter Jean-Philipps aus diesem Selbstporträt kenntlich werden lassen: Man kann das Stück auch wie eine Cembalo-Zeitrafferreise durch dessen gesamtes Werk hören …

Ein besonderes Bonbon hat sich Taylor, der sowohl Cembalo wie Klavier studiert hat, für den Schluss aufbewahrt: Claude Debussys „impressionistische“ Reverenz, die „Hommage à Rameau“, aus der ersten Serie seiner „Images“. Dieses Klavierstück präsentiert Taylor historisch bewusst auf einem diskreten Érard-Piano von 1891 – ohne dabei das Stück weich zu zeichnen. Vielmehr wirkt klar konturierte Darbietung wie ein pianistisches Echo jener Musik aus dem 18. Jahrhundert, deren Spuren Taylor vorher nachgezeichnet hat – so wie seine Interpretationen auf dem Cembalo seine Beschäftigung mit der Moderne nicht verleugnen.



Georg Henkel



Trackliste
Werke von: Jean Philippe Rameau (1683-1764), Claude Rameau (1689-1761), Jean-Francois Tarpray (1738-1819), Lazare Rameau (1757-1794), Claude-Francois Rameau (1727-1788), Claude Debussy (1862-1918).
Besetzung

Justin Taylor, Cembalo Château d’Assas (ca. 1730) und Piano Maison Érard 1891


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