Guédron, P. - Le Jeune, C. – Boesset, A. u. a. (Christie, W.)

N’espréz plus, mes yeux… (Airs Serieux Et A Boire Vol. 3)


Info
Musikrichtung: Barock Ensemble

VÖ: 30.04.2021

(Harmonia Mundi / Harmonia Mundi / CD / DDD / 2019 / Best. Nr. HAF 8905318)

Gesamtspielzeit: 81:40



HAUTE COUTURE AUS DER ALTEN MUSIK

Aller guten Dinge sind drei! Mit ihrer Sammlung „N’espréz plus, mes yeux…“ schließen William Christie und das Kammerensemble von Les Arts Florissants ihre Trilogie mit „Airs sérieux et à boire“ ab, die sie vor einigen Jahren mit "Bien que l'amour" und "Si vous vouliez un jour..." begonnen hatten.

Aus dem schier unerschöpflichen Schatz französischer höfischer Lieder des späten 16. und frühen 17. Jahrhunderts haben die Interpreten wieder eine Kollektion von wenigem schon Bekanntem und noch mehr Unbekanntem zusammengestellt.
Komponisten wie Claude le Jeune, Étienne Moulinié, Pierre Guédron und Antoine Boesset sind inzwischen auch durch die musikalischen Schürfarbeiten anderer Ensembles nicht mehr nur eine Sache von Spezialisten. Doch sind die Interpretationsspielräume bei diesem Repertoire so groß, dass jede Darbietung wieder ein neues Licht auf ein und dasselbe Stück werfen kann. Man vergleiche nur Pierre Guédrons „Quel espoir de guarir“, das hier vom Bass Lisandro Abadie und dem Theorbisten Thomas Dunford als affekttiefes barockes Kunstlied dargeboten wird, mit der mehrstimmigen bzw. rein instrumentalen Version des Ensembles Le Poème Harmonique. Letztere wurzelt noch mehr in archaischeren Renaissancegründen. So entstehen ganz verschiedene Schönheiten – aus ein und derselben Vorlage!

In sich gekehrte Soli mit sparsamer Begleitung stehen neben Madrigalen à capella oder begleiteten Ensemblestücken, die mitunter als kleine dramatische Dialoge gestaltet sind. Instrumentale Einlagen anonymer Komponisten aus einer 1665 gedruckten Sammlung mit Quartetten für Streicher lockern die Programmfolge auf.
Erneut begeistert der Feinsinn, mit der die zwischen (überwiegend) todernstem Liebesschmerz und frivoler Komik wechselnden Stücke inszeniert werden, jedes eine kleine poetische Welt für sich. Ob es sich nun um eine ergreifende Klage über die Unerreichbarkeit einer herzlosen Angebeteten oder einen flotten Schlager über die Dorfmagd Margot handelt, die ihre verlorene Unschuld im Wald sucht; ob die Seufzer einer verliebten Nachtigall besungen oder der knoblauchschwangere Atem eines lüsternen Spaniers von einer kecken Französin satirisch aufs Korn genommen werden: Die fünf Sänger:innen und das kleine Instrumentalensemble finden immer den richtigen Ton, um diese Kabinettstücke frisch und frei vom Staub des Antiquarischen auf eine imaginäre Bühne zu bringen. Ein besonderes Augenmerk liegt zudem auf den anhand überlieferter Quellen improvisierten Verzierungen, die die Wiederholungen mit flirrenden Arabesken bereichern.

Gerade weil die Musiker:innen jedem Stück ein individuelles Gesicht geben, immer wieder liebevoll kunstvolle Details entdecken und das Besondere jedes Moments herausarbeiten, gerät dieses mit über achtzig Minuten Spielzeit üppig ausgestatte französische Bankett wieder zu einem durchgängigen Hörvergnügen. Auch im 40. Jahr ihres Bestehens erweisen sich Les Arts Florissants einmal mehr als ein Haute-Couture-Ensemble der Alten Musik!



Georg Henkel



Besetzung

Emmanuelle de Negri: Sopran
Anna Reinhold: Mezzo-Sopran
Cyril Auvity: Tenor
Marc Mauillon: Bariton
Lisandro Abadie: Bass

Tami Troman & Emmanuel Resche: Violine
Simon Heyerick: Viola
Myriam Rignol: Gambe
Thomas Dunford: Theorbe
William Christi: Cembalo und Leitung



 << 
Zurück zur Review-Übersicht
 >>