U.T.M.

Un Trago Más


Info
Musikrichtung: Metal

VÖ: 14.12.2018 (1990)

(Gadir Records / Heroes De Culto / Demons Records)

Gesamtspielzeit: 73:30

Internet:

http://www.demonsshop.com
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Aus Spanien kam in den Achtzigern nur eine äußerst geringe Zahl an Metalbands, die es schafften, Aufmerksamkeit auch in den nichtspanischsprachigen Ländern zu erregen, und stammte eine Band nicht aus einem der großen urbanen Zentren, sondern wie U.T.M. aus dem beschaulichen Baskenland, lag die Chance auf eine überregionale Bekanntheit nahe Null. Nichtsdestotrotz arbeitete die Formation über etliche Jahre regional durchaus erfolgreich, bevor sie wie so viele Stilkollegen in den frühen Neunzigern aufgab und erst in jüngster Vergangenheit wieder zusammenfand, konkret am 5.11.2016 aus Anlaß eines Gedenkkonzertes für einen verstorbenen bekannten regionalen Musiker. Möglicherweise bildete das auch den Impuls, den einzigen regulären Tonträger aus der Frühphase der Band, nämlich den Fünftracker Un Trago Más, auf CD neu aufzulegen und um diverses weiteres Material zu ergänzen, so dass sich letztlich 22 Tracks mit einer Gesamtspielzeit von knapp 74 Minuten ergeben.
Als offizielles Gründungsjahr von U.T.M. gilt 1986, obwohl frühe Inkarnationen der Band um Gitarrist Txusko schon seit 1982 werkelten. Aber auf der Gesangsposition kehrte erst 1986 mit der Verpflichtung von Satur Stabilität ein, und nachdem bereits zuvor (mindestens) zwei Demos entstanden waren, von denen die beiden Songs des zweiten zusätzlich auf einem lokalen Kassettensampler veröffentlicht wurden, gab der Neue sein Konserven-Gesangsdebüt anno 1988 in zwei Songs für den regionalen Sampler Descarga Norte, der diesmal in LP-Form erschien. Im Folgejahr wurde dann die erwähnte Fünf-Track-Mini-LP eingespielt, deren Titel, wie leicht zu entschlüsseln sein dürfte, die ausführliche Variante des Bandnamenkürzels darstellt, übersetzt übrigens soviel wie „Noch ein Schluck“, so dass sich folgerichtig auf dem Coverartwork auch diverse Flaschen wiederfinden, allerdings in einer düsteren, steil ansteigenden und mit einer Kette abgesperrten Pflasterstraße positioniert – da könnte gerade bei einer baskischen Band also auch der eine oder andere Hintersinn versteckt sein. Die Mini-LP erschien 1990, übrigens bei einem katalanischen Label, der Präsentationsgig geriet allerdings zum GAU, weil U.T.M. aufgrund einer Krankheit von Satur gar nicht selber spielen konnten. Der Vokalist genas nach langer Rekonvaleszenzzeit zwar wieder und sang auch die nächsten Demos noch ein, verließ U.T.M. aber letztlich 1991, und sein Nachfolger Javi konnte das Steuer auch nicht mehr herumreißen – 1993 löste sich die Band auf.
Das Material auf der nun vorliegenden CD ist nicht ganz chronologisch sortiert – die ersten fünf Songs sind die der Mini-LP, und bei denen fällt eine seltsame Aufteilung ins Auge bzw. vielmehr ins Ohr: „Punto Y Final“ bietet nach einem sanften Intro speedigen Traditionsmetal, und „Hijo De La Ley“ greift diese Linie gleich auf, so dass die A-Seite also Speed vom Faß enthält. Die B-Seite hingegen gebärdet sich mit „No Cambiarán“ und „Donde Estás, Donde Irán“ midtempolastig, wenngleich zweitgenannter Song gegen Ende hin noch einmal ins Speedige schaltet. Ausklang der B-Seite ist „K’alegría“, ein Spaßsong flott-punkigen Zuschnitts, über dessen genaue Hintergründe wohl nur der detailliert Sprach- bzw. Kulturkundige referieren kann. Somit haben wir also in der ursprünglichen LP-Form zwei markant unterschiedliche Seiten, was auch schon Roland Silberhorn auffiel, der das Werk im Lexikon „Heavy Metal aus Südeuropa“ vorstellte und eine Mixtur aus Exciter und Omen (den ungarischen, nicht den amerikanischen!) diagnostizierte. Letzteres kann man durchaus so stehenlassen, aber die Rasiermesserschärfe vor allem der früheren Exciter-Werke erreichen U.T.M. nicht, und vor allem unterscheidet sich (wie das auch Kollege Silberhorn feststellte) der Gesang markant. Satur besitzt eine halbhohe, eher flächige Stimme, mit der er in einer Epic-Metal-Band gut aufgehoben wäre, wenn sein Melodiehaltevermögen noch ein wenig stärker ausgeprägt wäre – er macht sein Ding durchaus nicht schlecht und zudem erfreulich ungekünstelt, aber zu den richtig Großen der Szene ist’s doch ein gutes Stück Abstand. Die vier Instrumentalisten spielten kompetent, und vor allem der Leadgitarrensound ist als ein wenig ungewöhnlich zu klassifizieren, besitzt einen leicht düsteren Unterton, wie er etwas später in Skandinavien gewisse Verbreitung fand. Welche der auf dem iberischen Subkontinent verbreiteten Sprachen U.T.M. verwendeten, müssen Kenner derselben entschlüsseln. Zwar scheint es kein Baskisch zu sein (eine der außergewöhnlichsten Sprachen Europas mit keinen lebenden Verwandten – am nächsten kommt ihm noch das Georgische, sagen Linguistikkenner), aber für den gemeinen Mitteleuropäer reicht es aus, die Refrains nicht mal eben leicht mitsingbar zu gestalten, obwohl die eine oder andere Melodielinie durchaus im Ohr hängenbleibt, nicht zuletzt auch befeuert durch die Tatsache, dass es einige Songs zweimal zu hören gibt, so dass die Erschließungszeit bei einem CD-Durchlauf doppelt so hoch ist wie bei den „nur“ einmal vertretenen Nummern.
Der erste doppelte Song ist gleich an Position 6 zu finden: der Mini-LP-Opener in einer als „V.O. 1989“ deklarierten Fassung, die sich hauptsächlich durch ein etwas anders abgemischtes Intro von der Albumfassung unterscheidet, dieser ansonsten in der Grundstruktur aber stark ähnelt. Die Encyclopedia Metallum sorgt für Verwirrung, indem sie zum Rezensionszeitpunkt als Zusatz „V.O. 1987“ ausweist, aber auf der hier vorliegenden CD steht eindeutig 1989. Damit könnte es sich hier um eine Alternativfassung handeln, die auf dem Sampler Metal Nacional Vol. II veröffentlicht wurde, der laut der Encyclopedia Metallum tatsächlich 1989 herauskam, laut der Bandbiographie im Booklet des Re-Releases allerdings erst 1990. Danach gehen wir noch einen Schritt weiter zurück in der Bandgeschichte: „Vende Tu Alma Al Diablo“ und „Déjame En Paz“ sind die beiden Songs des oben erwähnten 1988er Samplers Descarga Norte, und schon hier achteten U.T.M. darauf, beide Seiten ihres Schaffens zu präsentieren, nämlich Speed (erstgenannter Song) und Midtempo (zweitgenannter Song). Das Soundgewand ist einen Tick heller als auf den Albumaufnahmen, paßt aber trotzdem zum Stil der Band, und die beiden Songs sind keinen Deut schwächer als die später regulär veröffentlichten.
Damit bleiben noch 14 Trackpositionen zu füllen. Die Encyclopedia Metallum nennt für 1991 ein Vier-Track-Demo namens Maqueta, das im Booklet allerdings keine Erwähnung findet. Statt dessen ist dort von einem 9-Track-Demo die Rede, das im Proberaum der Band aufgenommen worden sei, und zudem gebe es noch ein Live-Demo, mitgeschnitten 1991 in El Pilar bei einem Gig auf einer Regionalmesse (!). Genau letzteres nun stellt die 14 weiteren Tracks, wobei die Tracklist auch die vier ausweist, die für das Maqueta-Demo angegeben werden. Gespielt wurde hier keineswegs nur neues Material, sondern ein Best-Of-Set, der beispielsweise auch vier der fünf Songs der Mini-LP umfaßt, und der Rezensent vermutet, dass auch „Punto Y Final“ in der Setlist stand, aber aus Platzgründen nicht mit auf der hiesigen CD landete (und der Song wäre dann der einzige dreimal vorhandene gewesen). Auch von den beiden 1988er Samplerbeiträgen gibt es mit „Déjame En Paz“ einen im Liveset zu hören (mit einem Mitsingspiel erweitert), der zudem in einer noch nicht von Satur, sondern von Juan „Peque“ Maldonado vokalisierten Frühform schon auf dem 1986er Kassettensampler stand. Letzterer enthielt zudem das Instrumental „Ecos“, und auch das steht im Liveset und macht mit seinen Gitarrenspielkünsten hochgradig Laune. Die neuen Songs von 1991 fügen sich überwiegend nahtlos ins Gesamtbild ein, sind aber größtenteils midtempolastiger und lassen zugleich dezent neue Einflüsse zu – so wirkt etwa „Con Uñas Y Dientes“ mit seinem latenten Rock’n’Roll-Touch in der Gitarrenarbeit wie eine metallischere und melodischere Version von Motörhead. Die Band präsentiert sich spielerisch in prima Form (Nachbearbeitungen werden hier wohl kaum stattgefunden haben), auch der Sänger macht seine Sache durchaus gut, obwohl er hier und da leicht neben der Spur liegt (in „K’alegría“ scheint ein zusätzlicher Gastsänger mitzuwirken, aber der agiert zumindest anfangs richtig schaurig-schräg), und der Bandsound ist für eine Liveaufnahme erstaunlich gut, so dass es sich möglicherweise um einen Soundboardmitschnitt handelt. Vom Publikum hört man zwischen den Songs übrigens kaum mal etwas, einzig in den Mitsingpassagen (neben der genannten noch eine in „Hijo De La Ley“, die den Songfluß allerdings eher unvorteilhaft unterbricht) sind die Anwesenden deutlicher zu vernehmen – wenn der Sänger mit dem Publikum redet, wirkt das in der vorliegenden Form also ein wenig eigentümlich, zumindest wenn man nicht versteht, was er da sagt. Das macht aber nichts – hier zählt die Dokumentationsfunktion anderweitig sonst eher schwer beschaffbaren Materials (wer außer dem unmittelbaren Umfeld der Band wird schon die Demos besitzen?), und Hörspaß macht das Ganze zudem ja auch noch, zumindest dann, wenn man auf ehrlichen Metal urwüchsiger Bauart und traditionellen Zuschnitts steht, der kompetent dargeboten wird. Da die Originalpressung von 1990 kaum irgendwo aufzutreiben sein dürfte, bietet sich mit dem remasterten Re-Release, der im Booklet neben diversen historischen Fotos auch die Bandbiographie in Spanisch und Englisch enthält, zumindest 499 Menschen (der 500. ist naturgemäß der Rezensent) die Gelegenheit, eine interessante Band kennenzulernen, die die Musikwelt nicht auf den Kopf gestellt hat, aber die Entdeckung zumindest für Genrefreunde allemal lohnt.



Roland Ludwig



Trackliste
1Punto Y Final4:45
2 Hijo De La Ley3:48
3 No Cambiarán3:18
4 Donde Estás, Donde Irán3:41
5 K’alegría1:56
6 Punto Y Final (V.O. 1989)4:54
7 Vende Tu Alma Al Diablo3:05
8 Déjame En Paz2:47
9 Noches Sin Rumbo (Live)3:01
10 Con Uñas Y Dientes (Live)2:42
11 Donde Estás, Donde Irán (Live)3:51
12 Muerte Premeditada (Live)2:39
13 Pisa El Freno (Live)3:05
14 Noches De Cristal (Live)3:02
15 Ecos (Live)3:01
16 El Violador (Live)2:46
17 Encerrado (Live)2:55
18 No Cambiarán (Live)3:21
19 Déjame En Paz (Live)4:06
20 No Molestarás (Live)3:46
21 Hijo De La Ley (Live)4:09
22 K’alegría (Live)2:38
Besetzung

Satur Pardo (Voc)
Iñaki „Txusko“ Díaz (Git)
Jesús Rivas (Git)
Javier Ariño (B)
Fernando Heras (Dr)



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