Aki Takase Japanic
Thema Prima
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Die japanische Komponistin und Pianistin Aki Takase wurde 1948 in Osaka geboren. Seit ihrem dritten Lebensjahr spielt sie Piano, studierte später klassisches Piano und wechselte danach zum Jazz. Neben Kontakten zu Musikern des Hard Bop wechselte sich das Betätigungsfeld nach und nach hin zum freien und avantgardistischen Jazz. Verantwortlich dafür mag auch ihr Ehemann Alexander von Schlippenbach sein, durch den Kontakt zur europäischen Free Jazz-Szene um Musiker wie Han Bennink, Evan Parker, Paul Lovens zum Beispiel. Seit 1987 lebt Aki Takase in Berlin.
Ihre aktuelle Platte, Thema Prima, wurde jedoch in Budapest eingespielt. Es startet recht wild und furios, die Musik scheint kontrovers, eine verwegene schnelle Jagd, das treibende Schlagzeug hetzt das von Thema und Saxofon gespielte Thema, der Bass grummelt nervös, und elektronische Fetzen ziehen wie Wolkenbilder durch das sich entwickelnde Bild, als würden sie von rasanten Stürmen gejagt werden, ob es ein Gewitter ist, was sich hier ankündigt? Nach gut zwei Minuten klärt es sich auf, man kommt ein wenig zur Ruhe, es bleiben nur Piano und Saxofon im Zwiegespräch. Ob es sich um zwei Kontrahenten in der Rush Hour handelt, die hier kommunizieren? Denn schließlich heißt der Eröffnungssong “Traffic Jam“, und das ist fürwahr brillant dargestellt. Zunächst bleibt es ruhig, Bass, elektronische Effekte und das Schlagzeug übernehmen die Handlung und sogar Kirchenglocken gibt es zu hören, die offensichtlich zu Ordnung und Struktur aufrufen, denn bei Minute fünf sind alle lieb und brav und musizieren friedlich nebeneinander her, bis sich dann erneut der improvisierte Jazz zu Wort meldet. Und so kommt es letztlich zu einem ganz anderen und kurzen Ende dieses wilden Songs.
Eigentlich ist diese aus spontanen Eindrücken entstandene Beschreibung symptomatisch für die Musik der ganzen Platte. Fetzen von Musik werden aufgemischt durch DJ IIIVibe und seine Turntables. Das ist „harter Tobak“, so werden manche sicher zwischenzeitlich festgestellt haben. Doch wer Aki Takase und ihre Musik kennt, wird auch bemerkt haben, dass sich die Japanerin kontinuierlich weiter entwickelt und nicht stehen bleibt. Offen für moderne Aspekte gibt sie stets anderen Ideen Freiraum und verarbeitet diese mitunter recht avantgardistisch. Entstanden ist mit Thema Prima weiß Gott keine einfach zu konsumierende Musik, hier wird man gefordert, und wer nach dem zweiten Song noch nicht das Handtuch geworfen hat und bei der Stange bleibt, der wird sicher mit dieser umwerfenden Vielfalt belohnt.
Balsam für die Nerven ist die Miniatur “A Goldfish In Space“, in knapp eineinhalb Minuten unterhalten sich Saxofon, Bass und Schlagzeug miteinander, niemand stört die Drei dabei, dieser Jazz ist improvisiert und fließt sehr angenehm dahin, die Musik erinnert mich stark an skandinavischen Jazz zu Beginn der Siebziger. So Manche/r mag es als störend empfinden, wenn sich DJ IIIVibe einschaltet, ja, er „zerstört“ in der Regel auch oft eher bestehende Strukturen als dass durch seinen Einsatz etwas Gewinnbringendes entsteht, so scheint es jedenfalls zunächst, oberflächlich betrachtet. Der Einsatz der Elektronik als zusätzliches Instrument ist dieses Erachtens durchaus annehmbar und auch von gestaltender Natur, nur, wenn dann durch Störgeräusche und Unterbrechungen des Flusses einiger Songs stockende und hakende Momente entstehen, findet das nicht unbedingt mein subjektives Wohlwollen.
Am interessantesten ist die Musik mithin immer dann, wenn die Band zum rasanten Swing ansetzt und sich diese Strukturen entsprechend entwickeln, auflösen, in den freien Fluss gelangen oder durch freie Improvisationen ein von Leidenschaft geprägtes Eigenleben entwickeln, ich nenne exemplarisch “Mannen i tårnet“. Als sehr gelungen halte ich solche Stücke wie “Wüstenschiff“, weil hier sehr geschickt die Atmosphäre jener Landstriche, in denen die Kamele durch die Wüsten ziehen, in die Songstruktur einbezogen wurde, und dann wird auch noch gerapt. Diese Kombination ist gelungen. Auffällig ist, dass ich oft Elemente der Musik, wie sie in frühen Zeiten des Münchner Labels ECM gespielt wurde, entdecke, sei es in der seinerzeit noch eher freien Stimmung oder generell im typischen Ausdruck. Hier gesellen sich dann noch eine große Portion Frechheit, Offenheit und Energie dazu.
Bis auf drei Stücke stammen alle Kompositionen von Takase und mit ihrem mitunter stakkatohaft wirkenden Pianospiel bestimmt sie wesentliche Themen und Arrangements damit, aber auch ihre dann sehr frei dahinrasenden Improvisationen setzt sie wichtige Akzente. Dabei bleibt sie nicht die Einzige, denn alle Mitwirkenden tragen ihr Scherflein dazu bei, dass dieser ungemein kollektive Sound geschaffen wurde. Man sollte sich die Zeit und Muße nehmen, nicht nur einmal zu hören und sich möglicherweise abgeschreckt fühlen, denn wenn man erst einmal mittendrin ist in der Musik, dann kann man durchaus etwas feststellen, was hier auch sehr kraftvoll ausgestrahlt wird, nämlich Vergnügen und Freude an der Gestaltung. Ja, die Musik gewinnt an Nähe, wenn man sie respektiert. Dabei steht so etwas wie Frische im Vordergrund, hier klingt nichts erstarrt, hier sprudelt der Jungbrunnen. Ein Rückschritt oder Rückblick findet allenfalls mit dem letzten Song statt, “Madam Bum Bum“ zitiert ungeniert die Anfänge des Jazz, Ragtime und alles, was sich stilistisch in längst vergangenen Tagen darum herum tummelte. Mit diesem spaßigem Titel schließt eine sehr interessante, wenngleich auch äußerst komplizierte Einspielung mit Jazz, der sich einer gewaltigen Frischekur unterzogen hat, und das nie akademisch ernst und verkopft.
Wolfgang Giese
Trackliste |
1 Traffic Jam
2 Thema Prima
3 A Goldfish in Space
4 Mannen i tårnet
5 Wüstenschiff
6 Hello Welcome
7 Monday in Budapest
8 Les Constructeurs
9 Berlin Express
10 Madam Bum Bum
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Besetzung |
Aki Takase (piano)
Daniel Erdmann (saxophone)
DJ IIIVibe (turntables, electronic)
Johannes Fink (double bass)
Dag Magnus Narvesen (drums)
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