Seven Kingdoms
Brothers Of The Night
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Die meisten Metaller werden auf Seven Kingdoms anhand deren selbstbetitelten 2010er Albums, das bei Nightmare Records, dem Label von Ex-Balance-Of-Power-Sänger Lance King, erschien, aufmerksam geworden sein und dieses für das Debütalbum der Floridaner gehalten haben. Diese Vermutung ist allerdings ein Irrtum, was die erste Überraschung darstellt: Drei Jahre zuvor erschien bereits als Eigenproduktion ein Album namens Brothers Of The Night, das von Nightmare Records lediglich vertrieben wurde. Dieses sowie die beiden regulären Nightmare-Alben, neben dem selbstbetitelten Werk noch der Drittling The Fire Is Mine, erfahren im Zuge der Veröffentlichung des Viertlings Decennium bei Napalm Records eine Wiederauflage, wobei Brothers Of The Night in der Neufassung die gleichen zehn Songs enthält wie ein Jahrzehnt zuvor, der Besitzer der Eigenproduktion also nicht zum Zweitkauf gezwungen wird.
Die zweite Überraschung lauert dann schon im Opener „Eyes Of Summer“. Der Kenner der späteren Alben hat gelernt, Sabrina Valentines powervolle, leicht angerauhte Vocals als Mittelpunkt des Bandsounds auszumachen – und ebenjene kleine Blondine mit der großen Stimme ist auf dem Debüt noch gar nicht dabei. Statt dessen singt hier Co-Gründer Bryan Edwards und tut das mit einer klaren, aber seltsam dünnen, zurückhaltend wirkenden Stimme, die an einen erkälteten Matthew Barlow erinnert. Keine Ahnung, wer die paßgenau sitzenden und kraftvollen hohen Schreie um Minute 4 von „We Do Not Sow (The Legacy Of Black Harren, Part I)“ beisteuert, aber dieser Stil hätte, umgesetzt in reguläre Gesangslinien, hervorragend zum Grundsound der Band gepaßt. Das Booklet nennt nur Edwards für den Job Vocals, auch Gastmusiker werden keine angeführt, also muß diese Frage offenbleiben, und auch die zweite Frage kann nicht beantwortet werden, nämlich wer die Growls beisteuert, die Songs wie das erwähnte „We Do Not Sow (The Legacy Of Black Harren, Part I)“ oder auch „Stormborn“ entscheidend prägen. Da die auch noch auf dem Folgealbum zu hören sind, muß entweder Edwards, falls er es ist, dort noch als Gastsänger dabeigewesen sein, oder ein anderes Bandmitglied oder ein externer Gastmusiker ist am Werk. In der Dankesliste findet sich mit Pat von The Absence und den ebenso in Florida siedelnden Royal Anguish durchaus auch Vertreter der heftigen metallischen Zunft, so dass nicht auszuschließen wäre, dass hier der eine oder andere Gastsänger versteckt ist, zumal in „The Long Night“ die extremen Gesangspassagen auch noch zweistimmig daherkommen, indem der schon bekannte Growler hier durch einen Keifer flankiert wird. Anhand der Datenlage dingfest zu machen ist nur Patrick Pintavalle als Gastleadgitarrist in „Towers Of Hubris (The Legacy Of Black Harren, Part II)“, aber hinter dem verbirgt sich genau der erwähnte Pat von The Absence ...
Bezüglich der instrumentalen Komponente darf der geneigte Hörer bereits anhand des Bandfotos auf der Bookletrückseite Rückschlüsse versuchen: Alle sechs Mitglieder tragen ein Bandshirt, und zwar von Children Of Bodom, Iced Earth, Amon Amarth, HammerFall und Blind Guardian – das Logo auf dem Shirt von Gitarrist Camden Cruz kann der Rezensent spontan nicht identifizieren. Aber das Verrückte ist: In der Schnittmenge der fünf genannten Bands musizieren Seven Kingdoms tatsächlich, wobei Iced Earth die meisten Berührungspunkte liefern. Das geschickte Händchen der Seven-Kingdoms-Gitarristen beim Umschalten von Akustik- zu Elektrogitarren hatte Jon Schaffer auch mal, und hier hört man selbiges beispielsweise im genannten „Stormrider“, äh, „Stormborn“ (wobei freilich die Growls alle Iced-Earth-Anklänge in die zweite Reihe schieben) oder auch in der Hymne „The Bloody Meadow“, die im Refrain zudem mit exakt ausgearbeiteten Backingchören der Blind-Guardian-Klasse, hier aber eher im Tonfall der völlig unterbewerteten Schweden Seven besticht, was die Frage nach dem/den hier aktiven Vokalisten noch einmal unterstreicht. Weil den sechsen dieses chorale Stilmittel so gut gefallen hat, setzen sie es in „The Long Night“ gleich nochmal ein und in „Watchers On The Wall“ abermals, hier aber stärker mit Blind-Guardian-Färbung. Bisweilen wirft Drummer Keith Byrd allerdings auch schnelle Stakkati ein, so gleich im Opener „Eyes Of Summer“, und obwohl Seven Kingdoms nie die Verrücktheit einer Band wie Dragonforce erreichen, kann man sich eines Gedankens in diese Richtung doch hier und da nicht erwehren. Selbige leicht zu technisch abgemischte Drums stellen neben den seltsamen klaren Vocals auch den markantesten Schwachpunkt des Sextetts dar, während Camden Cruz zusammen mit Cheftontechniker Jim Morris ansonsten ein recht ausgewogenes und gut nachvollziehbares, weder zu lasches noch alles zupflasterndes Klanggewand geschneidert hat. Haupttrümpfe der Band sind aber klar die beiden Gitarristen: Camden Cruz und Kevin Byrd spielen vielseitig, phantasievoll und dennoch immer im songdienlichen Rahmen, und wenn es paßt, schrecken sie auch nicht vor dem Einbau der einen oder anderen Folkmelodie zurück, selbst wenn das in „Watchers On The Wall“ einen fast schon zu fröhlichen Eindruck hinterläßt – aber die Verbeugung vor Somewhere Far Beyond kann auch nicht tief genug ausfallen. Angesichts der schon auf diesem Debütalbum eindrucksvoll dargestellten arrangementseitigen Reife verwundert die unmotiviert wirkende Ausblendung von „The Long Night“ umso mehr. Der Enthusiasmus, der sich durch alle zehn Songs zieht, macht die eine oder andere Schwäche aber locker wieder wett und sorgt für ein hörenswertes Album, dem zudem im Zuge des aktuellen „Game Of Thrones“-Serienfinales etwas mehr Aufmerksamkeit zu wünschen wäre: Die bandnamensgebenden Sieben Königreiche sind nämlich keine anderen als die von Westeros, und dass George R.R. Martin „for writing such amazing stories“ an erster Stelle der Dankesliste auftaucht, stellt somit keinen Zufall dar. In welchem Rahmen sich die von Bryan Edwards verfaßten Lyrics auf bestimmte Geschehnisse der Bücher und/oder der Verfilmungen beziehen, bleibt dem Intimkenner der Vorlagen zu ergründen offen, zu denen der Rezensent nicht zählt. Aber dass die Worte „Game of Thrones“ in der drittletzten Zeile des nochmal äußerst vielschichtigen, zunächst eine Hymne antäuschenden, aber dann komplexen Power/Speed Metal auffahrenden Closers „Winter Comes“ auftauchen, ist schon ein überdeutliches Zeichen. Nur der fast abrupte, geradezu banal wirkende Schlußakkord paßt wieder mal nicht zum Rest und sorgt für leichtes Kopfschütteln. Trotzdem sollte, wer die oben abgegrenzte Schnittmenge mag, hier durchaus ein Ohr riskieren, und für Freunde von Martins „A Song Of Ice And Fire“ ist das knapp einstündige Album sowieso ein Pflichterwerb.
Roland Ludwig
Trackliste |
1 | Eyes Of Summer | 4:27 |
2 |
Stormborn | 4:04 |
3 |
We Do Not Sow (The Legacy Of Black Harren, Part I) | 5:21 |
4 |
Blackwater Rush | 7:10 |
5 |
The Bloody Meadow | 7:49 |
6 |
Dragonflight | 5:11 |
7 |
The Long Night | 4:05 |
8 |
Watchers On The Wall | 6:08 |
9 |
Towers Of Hubris (The Legacy Of Black Harren, Part II) | 6:08 |
10 |
Winter Comes | 7:07 |
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Besetzung |
Bryan Edwards (Voc)
Camden Cruz (Git)
Kevin Byrd (Git)
John Zambrotto (Keys)
Cory Stene (B)
Keith Byrd (Dr)
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