Musik an sich


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Saariaho, K. (Lintu – Saraste – Salonen – Eschenbach)

Orchesterwerke


Info
Musikrichtung: Neue Musik

VÖ: 23.01.2012

(Ondine / Naxos / 4 CD / DDD / 1992-2008 / Best. Nr. ODE 1113-2Q)



REGENBÖGEN

Im Zentrum des Schaffens der 1952 in Helsinki geborenen Komponistin Kaija Saariaho steht das Licht – oder besser: der Klang des Lichts. Zu ihrer luxuriösen und sinnlichen Musik kann man beim Hören die verschiedensten Lichtfarben assoziieren, aber auch an Prismen, Kristalle und metallische Legierungen möchte man denken. Nicht umsonst tragen einige Werke Titel wie Notes of light oder Nymphéa reflection - das sind in der Tat orchestrale Regenbögen. Die irisierende Farbigkeit mag sich vor allem ihrem Kontakt mit den französischen Spektralisten und der Arbeit im Pariser IRCAM-Institut verdanken, aus letzterer gingen in den 1980er-1990er Jahren eine Reihe von Stücken mit instrumentalen und elektronischen Klängen hervor.
Soeben hat das Label Ondine aus dem Backkatalog eine Box mit ihrem Orchesterschaffen veröffentlicht, das Saariahos Entwicklung in einem repräsentativen Querschnitt abbildet. Nicht nur reine Orchesterwerke, sondern überhaupt Stücke mit Orchesterbeteiligung sind hier enthalten, also auch Lieder und „Konzerte“, denn in vielen Stücken Saariahos spielen einzelne Instrumente eine wichtige Rolle, wenngleich nicht so sehr als virtuose Solisten, sondern als Kernstimme, wie z. B. in dem von der Solo-Violine dominierten Graal théâtre (1994), einer ihrer bekanntesten Kompositionen. Aber es gibt auch umfangreiche quasi-kammermusikalische Stücke bzw. Abschnitte (z. B. im suitenartigen Notes on Light), so dass man sich auch von den Fähigkeiten Saariahos in der kleinen Form überzeugen kann.

Sämtliche Werke lassen die grundsätzliche stilistische Offenheit der Komponistin erkennen, die sich mit einem unüberhörbaren Faible für Timbres und Texturen verbindet. Saariaho scheut sich nicht, tonale Zentren zu etablieren und in sinnlichen, wenngleich vieldeutigen, oft nervös flirrenden Harmonien zu schwelgen – das mutet bei Orion mit seinen zum Teil üppig blühenden, weiträumigen Orchesterklängen fast schon romantisch an, und doch wirkt ihre Musik nicht retrospektiv. Dafür entwickeln viele Stücke eine mysteriöse Atmosphäre, geben sich mal ätherisch durchlichtet und dann wieder urwaldartig dicht. Doch bleibt es nicht bei reiner Klangfarbenmalerei, denn immer wieder gibt es pointiert herausgearbeitete, rhythmisch akzentuierte Abschnitte und bei den Liedern steht per se die Singstimme im Vordergrund der meist transparenten Texturen.

Die diversen Interpreten setzten die Intentionen der Komponistin maßstäblich um. So bekommt man mit dieser Box ein wirklich gelungenes, vielschichtiges Porträt der finnischen Komponistin.



Georg Henkel



Trackliste
CD 1
01 Lichtbogen
02 Grammaire des rêves
03 Du cristal
04 ...à la fumée

CD 2
01 Caliban's dream
02 Solar
03-04 Graal théâtre
5 Miranda's lament

CD 3
01-07 Oltra mar: seven preludes for the new millenium
08-13 Nymphéa reflection
14-18 Cinq reflets de 'l'amour de loin'

CD 4
01-03 Orion
04-08 Notes of light
09 Mirage
Besetzung

Pia Freund
Anu Komsi
Karita Mattila

Avanti! Chamber Orchestra
Finnish RSO
Los Angeles PO
Orchestre de Paris

Hannu Lintu, Jukka-Pekka Saraste, Esa-Pekka Salonen, Christoph Eschenbach: Leitung


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