Wurmlöcher, Astralreisen, Rasputin und ein volles Pfund kreativer Metal - MASTODON im Interview
März 2009, ein Hotelzimmer mitten in Deutschland - Troy Sanders (Bass), Bill Kelliher (Gitarre) und Brent Hinds (Gesang, Gitarre) von der US-Band MASTODON haben sich eingefunden um der europäischen Presse Rede und Antwort zu ihrem neuen Albm Crack the skye zu stehen. Und man kann es uneingeschränkt behaupten: Diese CD ist schon jetzt eines der Highlights im Jahre 2009! Die Band hat es geschafft ihrem eh nicht gerade schlecht besetzten Backkatalog ein Sahnehäubchen draufzusetzen. Die Mischung aus Härte, Melodie und Progressivität überzeugt von vorne bis hinten und schickt den willigen Hörer auf eine 48-minütige Reise, die nur so von Abwechslung und starken Emotionen lebt. Da war es keine Frage, dass wir von MAS das Angebot wahrnehmen, auch mit MASTODON zu sprechen um mehr über den neuen Langdreher zu erfahren. Die Aufregung der Band über ihr neuestes Baby war von Anfang an zu spüren und es sprudelte regelrecht aus den dreien heraus. Nach ein paar Minuten wurde Troy zu einem anderen Gespräch gerufen, so dass Bill und Brent das lockere und sehr kurzweilige Interview alleine fortführten. Kein Wunder, dass bei der Redseligkeit der Musiker die Zeit wie im Fluge verging und die Plauderei ziemlich unsanft unterbrochen werden musste, um den straffen Zeitplan einzuhalten.
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Crack the skye ist wirklich ein großartiges Album geworden. Ich kann mir vorstellen, dass euch die Platte ziemlich stolz macht.
Troy: Dankeschön! Auf dem ganzen Album gibt es Reminiszenzen an Classic- und Hard Rock mit fantastischen Gitarrensounds und großen, rauen Schlagzeugspuren, sehr melodisch mit einprägsamem Gesang. Wir haben schon immer versucht unsere Musik ein Stück nach vorne zu bringen und sie größer und besser zu machen. Und ich denke dieses Mal haben wir es geschafft unsere gemeinsamen Einflüsse und das wo wir herkommen, unter einen Hut zu bringen. Das ist unser fünftes Album, und wir sind auf Crack the skye genauso stolz, wenn nicht sogar noch mehr, wie auf alle seine Vorgänger. Wie in jeder Kunstform versucht man etwas Frisches und Einzigartiges zu machen. Jede Platte bedeutet zwei Jahre harte Arbeit. Deshalb ist es schön darauf zurückzuschauen und sagen zu können „Wow, wir sind wirklich stolz darauf!“. Wir sind wirklich sehr glücklich mit dem Endergebnis.
Bill: Dies ist genau das Album, das wir immer schon machen wollten. Und schließlich haben wir es geschafft. Als ich es zum ersten Mal in voller Länge auf meinem iPod angehört habe, fielen mir viele Sachen auf, die ich vorher gar nicht bemerkt hatte. Sehr cool. Großartig. Ich dachte „Wow! Das sind wirklich wir!“. Irgendwie schwer zu glauben. Wir sind seit unserer ersten EP einen langen Weg gegangen, und so ergriff mich tiefe Befriedigung. Ich war tatsächlich ergriffen. Ich bin verdammt stolz auf jeden von uns und den Job, den wir hier gemacht haben.
Das Album klingt so viel anders als ein Vorgänger Blood mountain. Man hört sehr deutlich, dass ihr euch musikalisch an euren Idolen der Siebziger wie King Crimson, Yes oder Black Sabbath angenähert habt. Man könnte fast meinen, man hätte es mit einem Album aus dieser goldenen Ära der Rockmusik zu tun. Ist das etwas das ihr im Vorfeld bereits erreichen wolltet?
Bill: Crack the skye repräsentiert genau die Richtung die wir gehen wollten als wir mit Brendan O’Brien, der ein eher Rock-orientierter Produzent ist, ins Studio gingen. Auch die Tatsache, dass wir alte Marshall-Verstärker und Vintage-Gitarren aus der Zeit benutzen konnten, sorgt dafür, dass das Ganze wie aus dieser Ära klingt. Und Brendan hat ein gutes Händchen dafür, Schnickschnack, wie verschiedene Schlaginstrumente, einzubauen.
Troy: Dieses Album hat eine besondere Stellung in unserem Gesamtwerk. Es hat Anflüge von King Crimson, einen kleinen Spritzer Yes, ein paar Spuren von Frank Zappa, sowie ein paar Hände voll Pink Floyd. Es ist ein verrücktes Rezept, aber es schmeckt gut.
Die ersten vier Mastodon-Platten handelten von den vier Elementen Wind, Wasser, Luft und Erde. Worum geht es bei Crack the skye?
Troy: Im Okkulten ist Äther das fünfte Element. Die dunkle Materie, die das Universum beherrscht, das reinste aller Elemente. Es ist das fünfte Element, dies ist unsere fünfte Platte, das macht also alles Sinn. Wir waren schon immer fasziniert von Zeitreisen, dem Weltraum und von Himmelskörpern. Und das konnten wir alles zusammenbringen indem wir das Element Äther in den Mittelpunkt der Geschichte stellten. Mit dieser Platte haben wir nun alle Elemente abgehandelt.
Die Geschichte dahinter basiert also auf einem Konzept über Äther?
Bill: Es ist mehr eine Geschichte als ein reines Konzept über das Element Äther. Es ist mehr eine Reise. Wir haben Dinge wie Weltraumreisen, außerirdische Lebensformen und auch Rasputin genommen und diese miteinander verknüpft. Unser Drummer Brann folgte auf einer Russlandreise den Spuren von Rasputin von seiner Geburt bis zu seinem Tod und erzählte uns wie faszinierend seine Geschichte ist. Und wir wollten das gerne in unsere Geschichte für das Album mit einbinden. Solche lyrischen Konzepte zu entwerfen machte die Musik unserer Meinung nach interessanter und bringt die Leute dazu sich mit den Hintergründen zu beschäftigen. Zum Beispiel indem sie „Moby Dick“ lesen, das wir auf unserem Album Leviathan behandelt haben. Vielleicht interessieren sie sich nach diesem Album auch mehr für die Geschichte Russlands. Auf der anderen Seite sind die Texte sehr metaphorisch und man kann sie auf verschiedene Arten, auch für sich selbst, interpretieren.
Brent: Man kann verschiedene Dinge zwischen den Zeilen lesen. Und alle unsere Texte haben für jeden in der Band eine etwas andere Bedeutung. Brann verarbeitet zum Beispiel den Tod seiner Schwester, als sie gerade 14 Jahre alt war. Er war 15. Er wurde damit nie wirklich fertig. Für ihn ist das eine Möglichkeit dies in der Öffentlichkeit zu verarbeiten, anstatt allein im stillen Kämmerlein. Und ich denke es ist eine gute Möglichkeit endlich davon loszulassen und das Ereignis hinter sich zu lassen. Auf der anderen Seite ist es ein schöner Tribut an sie.
Troy: Um noch einmal auf die Geschichte selbst zurückzukommen: Die Story beschreibt eine multidimensionale Reise, die in der Gegenwart beginnt. Der Protagonist verlässt seinen verkrüppelten Körper und reist mit seinem Astralleib in den Weltraum, kommt aber zu dicht an eine Sonne. Er wird in ein Wurmloch gezogen und in die Sphäre der Geister geschleudert. Er muss sie überzeugen, dass er keiner von ihnen ist und wird in eine russisch-orthodoxe Sekte namens Khlysty im frühen 20. Jahrhundert eingeschleust. Mitten in Rasputins Körper kurz vor dem Mordanschlag. Dann wieder raus aus dem Körper, durch einen Riss im Himmel und in das Reich des Teufels. Aber er wird nicht in die Hölle gezogen, sondern kehrt zurück in die Gegenwart. Ganz schön verrückt, was? (lacht)
Nach den MTV Video Music Awards im Herbst 2007 erlitt Brent eine schwere Verletzung. Hat sich das auf die neue Musik und die Texte ausgewirkt?
Troy: Wir bekamen diesen Anruf, dass einer unserer Brüder eine schwere Hirnverletzung hatte. Es hätte zum Tode oder zu bleibenden Schäden seiner Motorik führen können. Für einen Moment waren wir total geschockt, aber vor allem wollten wir, dass Brent sich wieder erholt. Keiner von uns hat die Band und unseren Werdegang als Selbstverständlichkeit hingenommen. Wir wissen alle, dass dir an einem Tag alles genommen werden kann, ganz egal, was es ist. Und das wäre hier vernichtend gewesen. Wir alle hatten den Gedanken, dass dies unser letzter Tag als Mastodon hätte sein können. Die vorangegangene Nacht hätte unser letzter Gig sein können.
Bill: Die Sache mit Brent brachte uns näher zusammen. Wir mussten vorausblicken. Brent lag im Krankenhaus, vollkommen fertig, aber wir mussten einfach in den Übungsraum gehen. Völlig egal, ob wir irgendwas Neues schreiben, aber wir mussten dahin gehen und als Band zusammen sein. Und wenn Brent zurückkäme, dann käme er zurück.
Troy: Ich war tief getroffen, wie jeder in der Band. Es gibt Momente wie diese in deinem persönlichen Leben, oder in deinem Bandleben, in denen man einen Schritt zurück machen muss und alle Gedanken und Wünsche ganz neu definieren muss. Die Situation veränderte alle Prozesse unseres Denkens und jede Emotion auf dem Album. Wir wurden gezwungen, uns Momente zu nehmen, in denen wir zurücktraten, um uns ernsthaft einige Dinge klar zu machen.
Brent: Ich war so froh, noch am Leben zu sein, als das alles vorbei war. So froh, dass meine Motorik wiederkam und ohne Nachwirkungen funktionierte. Ich war für ein paar Monate völlig ruhig gestellt, und als ich wieder Gitarre spielen konnte, war ich wirklich heiß darauf. Es war ein einziger kreativer Ausbruch. Ich weiß nicht, ob das vom Unfall her kam oder nicht. Aber als ich feststellte, dass ich soweit okay war, war ich wirklich scharf darauf, zu spielen.
Crack the skye ist ein ziemlich ausgeklügeltes und tief anspruchsvolles Werk, auf dem ihr eure über die Jahre gesammelten Erfahrung mit einbringt. Hättet ihr so ein Album auch schon früher einspielen können?
Troy: Wir haben sicher acht Jahre gebraucht um dieses Level zu erreichen, um in der Lage zu sein diese Musik zu machen. Es stecken auch neun Jahre Kameradschaft darin. Aber wir mussten auch viele Kompromisse eingehen, da wir vier sehr produktive und kreative Individuen sind. Manchmal ist es frustrierend, wenn zu zuviel Material hast. Was man hier hört ist jedenfalls das was wir ausgesiebt haben. Das ist der Stand der Dinge. Vielleicht schießen wir bei der nächsten Platte wieder aus vollen Rohren, werden wieder härter.
Bill: Wir wissen nie so genau was am Ende heraus kommt, bis die Platte fertig ist. Wir staunen jedes Mal selbst, dass wir uns durch all diese Riffs und Parts gearbeitet haben, jeder für sich, bis es geschafft war. Ich liebe es aufzunehmen. Es ist immer eine aufregende Erfahrung mit den verschiedensten Sounds und Dingen herumzuspielen. Ich weiß nicht, ob das für die anderen Platten funktioniert hätte. Das war die Platte, die es zu machen galt. Die Platte, die wir immer machen wollten.
Wie seht ihr euer neues Album im Vergleich mit seinem direkten Vorgänger?
Troy: Blood mountain ist eines der verrücktesten, wenn nicht das verrückteste Album das wir je gemacht haben. Alleine schon wegen Songs wie „Bladecatcher“, „Capillarian crest“ und „Hand of stone“. Ich denke Blood mountain ist eher ein Art Rock-Album, ein Heavy Metal Art Rock-Album. Crack the skye hat eher einen Classic Rock-Vibe, mit Classic Rock-Tönen und Classic Rock-Formeln im Songwritingbereich. Es klingt wie Ride the lightning, es klingt tough, wenn Du weißt was ich meine. Der Titel ist ganz klar Heavy Metal, aber die Musik hat mehr was von Classic Rock.
Also ist das, auch wenn es blöd klingt, eine Art Classic Rock für das neue Jahrtausend? Mit klar erkennbaren Wurzeln, aber trotzdem nicht altbacken.
Bill: Ich mag es wenn die Leute das sagen. Denn die Zeit in der die beste Musik raus kam, waren die Siebziger. Nach so einem Feeling haben wir gesucht. Deshalb auch das ganze alte Equipment mit dem wir aufgenommen und auf dem wir gespielt haben.
Brent: Wir hatten eine Regel, die ganze Ausrüstung musste vor 1980 produziert worden sein. Andernfalls verwenden wir es nicht.
Bill: Das Schlagzeug das Brann verwendete, war ein regelrechtes Frankenstein-Kit. Mit Becken die schon aus den 20er Jahren stamme, aber nie benutzt wurden. Die Bassdrum war aus den 50ern und der Rest kommt irgendwie aus den 60ern.
Brent: Wir wollten alles wieder etwas reduzieren. Wir haben sogar weniger Spuren verwendet, obwohl es eher nach mehr klingt, da die Ausrüstung einfach so hervorragend war. Viele der Gitarrenspuren habe ich zum Beispiel mit einer 12-Saitigen E-Gitarre aus dem Jahr 1965 eingespielt. Wir haben auch viele der Sachen in verschiedenen Räumen des Studios aufgenommen und mit den Mikros herumexperimentiert. Das hat uns irgendwann zu dem Klang geführt den wir gesucht hatten.
Ihr habt das erste Mal mit dem Produzent Brendan O’Brien gearbeitet, den man sehr gut für seine Arbeiten mit Pearl Jam, Bruce Springsteen oder kürzlich auch AC/DC kennt. War er genau der Richtige für eure neue Musik, oder habt ihr vielleicht nicht auch mal an Steve Albini gedacht, der für seine sehr natürlichen Aufnahmen bekannt ist?
Brent: Ich mag die Sachen von Steve Albini. Er hat zahlreiche Alben mit Neurosis aufgenommen, die ich sehr mag. Aber das ist weniger Steve. Es klingt mehr danach als würden Neurosis die Knöpfe drücken. Er ist mehr die Art Typ, der dich ein Studio übernehmen und kontrollieren lässt, als wäre er gar nicht da. Er ist ein Musiker mit einem Studio, mehr ein Toningenieur als ein Produzent. Wir benötigten mehr eine Art Produzent der auch viel Ahnung von Tonalität besitzt, der auch weiß was dabei herauskommt wenn man ein bestimmtes Mikrofon hier- oder dorthin stellt und wie man den gewünschten Sound technisch realisieren kann. Wir hatten bis dahin noch nie mit jemandem gearbeitet der ein solch tiefes Wissen von dieser Materie hat.
Klingt ganz so, als wolltet ihr auch in Zukunft mit ihm arbeiten.
Brent: Oh ja, wir wollen auf jeden Fall wieder mit ihm arbeiten. Er war definitiv der Richtige. Als hätten wir unser fünftes Bandmitglied gefunden.
Bill: Ein sehr kompetenter, sehr cooler Typ, mit dem man gut arbeiten kann und der genau weiß, wie man das Beste aus einem herausholt.
Brent: Er kann gut kommunizieren. Und das ist sehr wichtig, denn du musst andere manipulieren können. Du darfst sie nicht merken lassen, dass sie etwas Überflüssiges tun. Er hat eine nette Art, einen von etwas zu überzeugen.
Bill: Er ist aber auch ein hervorragender Musiker, Pianist, Gitarrist and Sänger. Er sang auch ein paar Parts mit uns auf dem Album ein, half uns bei den Harmonien, Intros und Outros. Er hatte so viele Ideen. Ehe wir uns versahen, hatten wir eine super Platte fertig.
Als aktiver Musiker hat er sicherlich noch einen etwas anderen Zugang zur Musik als ein reiner Knöpfchendreher.
Brent: Sozusagen. Da er auch ein guter Musiker ist, hört man ihm auch viel besser zu, wenn er etwas sagt oder vorschlägt, da man sich geistig auf einer gleichen Ebene befindet. Durch ihn haben wir auch sehr viel Neues über das Aufnehmen an sich gelernt. Er hat uns auf sehr viele Arten inspiriert. Und wir haben uns einfach auch auf persönlicher Ebene sehr gut verstanden, was die ganzen Arbeiten sehr positiv beeinflusst hat.
Dieses Mal habt ihr erstmals zu Hause in Atlanta aufgenommen. Wie kam es dazu?
Bill: Wir hatten ein tolles Studio, dass zu 100 % Rock ´n Roll ist. Atlanta wird ja sonst ziemlich von Hip Hop und R&B dominiert. Aber über der Tür dieses Studios hängt ein Schuld mit der Aufschrift „Hier nur Rock ´n Roll!“. Es war toll, dieses Mal zu Hause aufzunehmen und nicht in eine fremde Stadt zu ziehen, dort zu wohnen und ständig zu fahren. So war es angenehm und man konnte abends in seinem eigenen Bett schlafen. Das war großartig. So haben wir viel fertig gebracht, da man in seiner vertrauten Umgebung auch nicht so viel von äußeren Einflüssen abgelenkt wird.
Wie ihr vorhin schon erwähnt habt, habt ihr den Anspruch aus, euch von Album zu Album stetig weiter zu entwickeln. Setzt man sich dabei nicht einem gewissen Druck aus, der einen geistig behindern kann?
Bill: Du kannst das nicht an dich ranlassen. Wir versuchen den Kopf frei zu bekommen und einfach die Platte zu machen, die wir machen wollen und das zu tun, was wir am besten können. Wir setzen uns also zusammen und machen Kompromisse. Hauptsache alle sind am Ende glücklich mit dem Ergebnis. Normalerweise bleiben wir so lange im Proberaum, bis alle zufrieden sind. Wenn einer von uns nicht einverstanden ist, ändern wir es, bis wir uns alle einig sind. Wir brauchen da nicht noch zusätzlichen Druck von außen, so wie: „diese Platte muss unglaublich werden, also müssen wir noch bessere Songs schreiben“. Manchmal darf man so nicht denken, sondern sollte einfach seinen Weg gehen, einen guten Song schreiben, ihn aufnahmen und gut.
Brent: Wir lassen viele Dinge, Ängste und negative Gefühle hinter uns, sobald diese uns davon abhalten könnten ein Album aufzunehmen. Hier bei diesem Album waren wir so entspannt wie niemals zuvor in unserem Leben, und das obwohl diese CD viel komplexer als seine Vorgänger klingt.
Aufgrund der Komplexität wird es sicherlich nicht einfach sein, die neuen Songs live umzusetzen.
Brent: Es ist nicht ganz leicht, aber wir lieben es gefordert zu werden. Es ist toll etwas zu tun, von dem du nicht wusstest, dass du es kannst. Als ich mit den Jungs im Studio war um das Album zu machen, habe ich die Gitarren- und Gesangsparts getrennt voneinander aufgenommen. Ich habe also nicht gleichzeitig gesungen und Gitarre gespielt. Wenn wir jetzt im Proberaum sind und die Songs üben, merke ich erst, wie schwierig es ist das gleichzeitig zu tun. Aber das ist kein Problem. Wir versuchen diese Schwierigkeiten zur Routine werden zu lassen, so dass es uns genauso leicht fällt, diese Songs zu spielen, wie alle anderen, von denen wir zuerst dachten wir könnten sie nicht spielen. Aufgrund der Komplexität der einzelnen Songs kann man sie nicht Note für Note wie auf dem Album nachspielen. Deshalb muss man manchmal ein wenig improvisieren. Aber das macht Spaß an unserem Job. Das war von Anfang an auch so gedacht. Wir wollten Platz zum Atmen haben, die Möglichkeit zu improvisieren und Spaß dabei haben Musik zu spielen, die einem nicht so schnell langweilig wird. Ich freue mich richtig darauf die Lieder live zu spielen.
Auf dem Titelsong habt ihr auch wieder Neurosis’ Scott Kelly zu Gast. Das scheint mittlerweile ja zu einer richtigen Dauereinrichtung zu werden.
Bill: Ein paar Stellen verlangen einfach nach ein paar coolen Schreien und er hat so eine tiefe und gutturale Stimme.
Brent: Meiner Meinung nach ist er die einzige Person die so singen kann. Wir spielen es auch live wenn er nicht da ist, aber es klingt einfach nicht genauso. Er hat ein Organ damit könnte er ein ganzes Haus wegblasen. Unglaublich, wie der böse Wolf. (lacht)
Ist er ein guter Freund von euch, oder nur jemand mit dem ihr gerne zusammen arbeitet?
Brent: Er ist ein enger Freund von uns. Er hat mit Neurosis auch großen Einfluss auf uns und unsere Musik. Er ist einfach eine tolle Person, eine der coolsten Leute die ich kenne. Er ist sehr lustig und klug, aber nimmt das was er tut auch sehr ernst.
Bill: Brann und ich haben zusammen in der Band Today is the Day gespielt. Wir tourten in Europa 1999 zusammen mit Neurosis und Voivod. Wir haben uns zusammen einen Bus geteilt und wurden da gute Freunde. Besonders mit Scott haben wir danach den Kontakt aufrechterhalten.
Mittlerweile kann man euch stilistisch gar nicht mehr so richtig einordnen. Aus Ermangelung eines Begriffs dafür, nennt man euch eine Prog Metal-Band, oder einfach generell eine Metalband. Ist dieses Freischwimmen von jeglicher Einordnung und das Sitzen zwischen sämtlichen Stühlen ein erklärtes Ziel von euch?
Brent: Das ist auf jeden Fall eines der Ziele, die wir erreichen wollen. Und es scheint zu klappen. Denn wir können selbst schlecht einschätzen was wir erreicht haben und was nicht. Wir wissen nur, dass wir verrückte, kreative Typen sind, die ihre Musik lieben. Es ist toll zu hören, dass wir eines unser Ziele offensichtlich erreicht haben. Denn wer wird schon gern in eine Schublade gesteckt oder als etwas abgestempelt?
Bill: Ich möchte jedenfalls nicht mit anderen Heavy Metal- oder Black- oder Death Metal-Bands in einen Sack gesteckt werden. Es ist nicht so, dass wir diese Sachen nicht mögen, wir möchten nur nicht mit denen auf einen Haufen geworfen werden. Dafür haben wir nebenbei noch zu viele andere Interessen und zu viele verschiedene Einflüsse. Wir sind mit anderen Bands und Stilen aufgewachsen, und das möchten wir auch zeigen. Ich höre mir aktuelle Heavy Metal-Sachen gar nicht mehr wirklich an. Leute kommen zu mir und fragen mich „wie gefällt dir das neue Lamb of God-Album?“, und ich kann es nicht sagen. Nicht dass ich die Typen und ihre Musik nicht mögen würde, aber ich habe keine Ahnung was momentan hip oder cool ist. Wenn ich mir Musik anhöre, dann nur alte Sachen.
Brent: Lamb of God haben ein Album namens American Heavy Metal oder so ähnlich veröffentlicht. Dadurch brandmarkst du dich gleich selbst und wirst dieses Stigma nicht mehr los. Selbst wenn sie etwas Neues versuchen, schießen sie sich damit selbst ins Knie, da sie einfach einen so guten Job darin abgeliefert haben, diesen American Heavy Metal zu repräsentieren. Für viele ist so ein Markenzeichen nicht schlecht, aber es ist einfach nicht unser Ding.
Bill: Bands wie Slayer, die Ramones oder AC/DC haben ihre ganz eigene Nische geschaffen und sie sind wirklich sehr gut darin, und es ist wirklich toll, dass sie sich so treu bleiben. Man weiß einfach was einen erwartet. Das weiß man bei uns aber auch. Und zwar dass wir uns beständig verändern und es sich trotzdem immer noch wie Mastodon anfühlt.
Brent: Es ist nicht immer dieselbe Musik, aber es sind die dieselben vier Leute, welche die Musik machen.
Denkt ihr eigentlich auch daran, ob eure alten Fans die neue Platte mögen und euch auch weiterhin treu bleiben?
Brent: Ich hoffe schon, dass sie das tun werden. Aber irgendwie ist auch egal, denn ich glaube, dass wir mit dem neuen Album mehr Fans gewinnen werden als verlieren. Weil, wenn die Leute sie nicht verstehen, dann haben sie noch nie verstanden was wir wollen.
Bill: Ich glaube die Kids werden es mögen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass man es nicht ausstehen kann, wenn man Mastodon und das für was wir stehen mag. Aber es gibt Leute die denken, dass wir uns verkaufen, da wir bei einem Major Label unter Vertrag stehen.
Brent: Einige haben aufgehört uns zu mögen, als wir Blood mountain raus gebracht haben. Wir haben tausende Fans verloren, aber wir haben tausende mehr gewonnen als verloren.
Diskografie | Lifesblood (EP, 2001)
Remission (2002)
Leviathan (2004)
Call of the Mastodon (Compilation, 2006)
The workhorse chronicles (DVD, 2006)
Blood mountain (2006)
Crack the skye (2009) |
| Bill: Diese Platte jetzt ist um einige zugänglicher, aber kein Mainstream oder etwas in der Art. Aber wir haben unsere Songwriting-Integrität nicht verloren. Wir müssen die Platte machen, die uns glücklich macht. Es ist zwar nicht so, dass wir das für die Leute machen, aber es ist trotzdem schön, wenn sie es mögen. Und als unsere erste Single „Divinations“ raus kam, war ich doch sehr gespannt was sie Fans sagen würden. Ich hatte ein bisschen Sorge, dass sie schreiben „jetzt mit Brendan O’Brien haben sie sich verkauft - jemand der Platten mit Bruce Springsteen produziert hat, kann ja nur kitschigen Mist aufnehmen“. Denn ich habe mitbekommen, dass einige Leute so einen Müll schreiben, noch bevor sie die ersten Töne gehört haben.
Brent: Solche Leute möchte ich auch nicht als unsere Fans haben. Mit einer solchen Dummheit gesegnet, haben sie es einfach nicht verdient Fans dieser Band zu sein. Die wahren Fans werden uns auf unserer Reise auch weiterhin folgen. Wenn sie es nicht sind tun, können sie meinetwegen zu Hause bockend rumsitzen und sich weiterhin Remission anhören.
Bill: Ich habe ein ziemlich gutes Gefühl was in den nächsten Wochen auf uns zukommt. Ich kann es kaum erwarten, bis Crack the skye endlich erscheint und die Kids die Musik in sich aufsaugen.
Sprach es und schon war die halbe Stunde überraschend schnell vorbei. Dabei hätte man den Herren sicherlich noch das eine oder andere interessante Detail entlocken können. Vielleicht ja beim nächsten Mal ...
Mario Karl
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