Musik an sich


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Blicke in den Maschinenraum der Musik: MICHAELYS Analyse von MESSIAENS FRANZISKUS-OPER




Info
Autor: Michaely, Aloyse

Titel: Messiaens „Saint François d’Assise“: Die musikalisch-theologische Summe eines Lebenswerkes

Verlag: Stroemfeld

ISBN: 3-87877-976-3

Preis: € 48,00

314 Seiten

Internet:
http://www.oliviermessiaen.org/messiaen2index.htm
http://oliviermessiaen.net/
http://www.messiaen2008.com

Wer einen tiefen Blick in den Maschinenraum von Messiaens Musik werfen will, dem sei Aloyse Michaelys umfassende Anaylse von Messiaens Opus summum, der „Mysterien-Oper“ „Saint François d’Assise“ empfohlen. Mit dem repräsentativen und sorgfältig produzierten Doppelband eröffnen Heinz-Klaus Metzger und Rainer Riehn die Fortsetzung ihrer renommierten Reihe Musik-Konzepte beim Stroemfeld-Verlag. Unter dem Reihentitel Querstand sollen hier in gewohnter Qualität musikalische Monographien zu Komponisten des 20. Jahrhunderts erscheinen. Die Messiaen-Premiere erfüllt die hohen Erwartungen an das Projekt, das sich allerdings eher an den musikwissenschaftlich gebildeten Kenner als den Musikliebhaber wenden dürfte.
Der Band ist randvoll mit Fußnoten, Literatur und vor allem Notenbeispielen, die man sich gerne spielend am Klavier erschließt. Der Materialreichtum und der großzügige, augenfreundliche Satz machen aber die Lektüre auch für solche Leser interessant, die sich für die Details der Musik interessieren: Wer mehr weiß, hört auch mehr.
Die eigenwilligen „Leitmotive“, die wie komponierte Versalien das Riesenwerk durchziehen, werden ausführlich dargestellt und erläutert. Tafeln mit sämtlichen Vogelgesängen und ihrer Verteilung befriedigen die ornithologische Neugierde; die wichtigsten Vögel, die den handelnden Personen als „lebendige Leitmotive“ beigesellt sind, werden in eigenen Kapiteln erschlossen.
Michaely nimmt dazu immer wieder auf den schwer zugänglichen siebenbändigen Traité Messiaens Bezug. Loriod hat diese mehrere tausend Manuskriptseiten umfassende Musikästhetik nach dem Tod ihres Mannes herausgegeben. Dort finden sich unter anderem genaue Listen mit Tonkomplexen, die der Synästhet Messiaen als sehr präzis beschreibbare Farbkomplexe wahrnahm. Dieser subjektive Aspekt an seinem Werk hat immer für irritierte Neugierde gesorgt. Genuine Synästhesien sind ausgesprochen individuell; selbst für andere synästhetisch begabte Menschen erschließen sie sich nicht automatisch.
Messiaen hat seine Musik offenbar wirklich als prismatische Regenbögen wahrgenommen. Im Kapitel „Klänge und Farben“ geht Michaely ausführlich auf die eigenwillige farbige Harmonik Messiaens auf der Grundlage begrenzt transponierbarer Modi (exotisch klingenden „Tonleitern“) und vielen Spezialakkorden ein. Endlich einmal gewinnen die bekannten Schlagworte aus den Konzertprogrammen und Interviews eine konkrete Gestalt. Mit der Analyse in der Hand kann man an der Oper nun überprüfen und nachhören, wie das alles gemacht ist.
Dabei erfährt man unter anderem, dass die Gartengrasmücke, einer der Lieblingsvögel Messiaens, in der Franzsikus-Oper im blauen A-Dur singt. Michaely bringt dazu ganze Tafeln mit blaugetönten Tonkomplexen. Faszinierend!
Seitenlange statistische Analysen über die Verteilung und Variation der Themen und Akkorde nimmt man stattdessen einfach zur Kenntnis, um sich dann mit Gewinn in die Transformation der historisch überlieferten Franziskus-Gestalt in Messiaens Libretto und den theologisch-ästhetischen Perspektiven des Werkes zu vertiefen, denen der Verfasser einen umfangreichen ersten Teil widmet.
Gerade in den Fußnoten finden sich manche interessanten Details, z. B. zur von Messiaen-Schülern losgetretenen Auseinandersetzung mit Igor Stravinsky, der sich dann über Werke Messiaens in übellauniger Weise ausließ.

Michaely, der bereits 1987 eine große Gesamtdarstellung zum Schaffen Messiaens vorgelegt hat, bietet mit dieser Monographie eine konzentrierte und kompetente Einführung in die Klangvorstellungen und musikalische Theologie des Komponisten.


Georg Henkel



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