Pärt, A. (Spivakov)
Werke für Chor und Orchester
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Info |
Musikrichtung:
Zeitgenössische Musik
VÖ: 15.03.2004
Capriccio / Delta Music (CD DDD (AD 2002) / Best. Nr. 67 079)
Gesamtspielzeit: 66:12
Internet:
Capriccio
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ZWISCHEN INBRUNST UND KITSCH: CHOR- UND ORCHESTERWERKE VON ARVO PÄRT Die Harmonie, Ganzheitlichkeit und religiöse Verbindlichkeit der Musik von Arvo Pärt (* 1935) sprechen jenseits aller Genre-Grenzen sehr viele Hörer an, wobei die Bewunderung mitunter in kultische Verehrung umschlägt. Mich erfüllen seine Kompositionen gleichermaßen mit Ungeduld, Zweifel und Bewunderung: Ohne in die filmmuskalische Sakralsüßlichkeit eines John Rutter oder den öden Simplizismus von John Taverner zu verfallen, balanciert seine Musik doch stets auf dem schmalen Grat von Schönheit, Ergriffenheit und Kitsch. Sein aus religiöser Neubesinnung und raffinierter Synthese neotonaler und serieller Verfahren gewonnener "Tintinnabuli-Stil" erweist sich dabei immer wieder als erstaunlich wandlungsfähig.
Dabei gibt es von diesem Komponisten aber auch ganz andere Töne zu hören: Das für mich interessanteste und auch interpretatorisch überzeugendste Stück auf dieser Einspielung ist die Collage über B-A-C-H (1964/1973). Es ist ein Werk des Übergangs, voller Spannungen und Brüche. Pärt, der bis dahin vor allem im Idiom der Zwölfton- und seriellen Musik komponiert hatte, suchte hier einen Ausweg aus der technizistischen Enge. Den fand er zunächst in der Collagetechnik bzw. durch die Adaption barocker oder klassischer Modelle. So verarbeitet Komponist hier das berühmte B-A-C-H-Thema z. B. in Gestalt einer wohlklingenden, nostalgischen Sarabande à la Bach und Händel, in die dann leidvoll zerissene, chromatische Akkorde à la Pärt hineintönen. Dieses Spiel mit unterschiedlichen Stilen war für Pärt eine Art Krücke, um das Gespür für die Musik jenseits abstrakt-formaler Notenorganisation zurückzugenwinnen. Doch erst nach einer kreativen Pause fand er zu seinem "Tintinnabuli-Stil", dem "typischen" Pärt-Stil.
Die Mehrheit der Stücke auf dieser Aufnahme ist nun solch "typischer" Pärt. Es bedarf schon einfühlsamer Interpreten, um da besagte Gratwanderung ohne Abstürze ins Süßliche und Banale hinzubekommen. Wie das gelingen kann, haben z. B. der Estnische Philharmonische Kammerchor und das Kammerorchester Tallinn mit ihrer sehr klaren und strukturbewußten Fassung der Berliner Messe gezeigt (ECM New Series/Universal). Der bei allem Wohlklang doch sehr abstrakte Satz Pärts steht bei ihnen im Vordergrund, die Musik spricht für sich selbst.
Unter der Leitung des Geigers Vladimir Spivakov gehen die Moscow Virtuosi und der Chor der Akademy of Choral Art einen anderen Weg. Die Einzelstimmen lassen sich deutlicher vernehmen, auch wird mit einem individuellen Ausdruck gesungen, dem Inbrunst und Pathos nicht fremd sind. Das Orchester setzt seine Akzente dagegen mit einem eher körperlosn, diffusen Klang: Instrumentaler Sphärenklang trifft auf den Gesang der Ostkirche. Das alles mutet viel weniger artifiziell als auf der "objektiveren" Vergleichsaufnahme an, ist aber manchmal (z. B. in den Schlusskadenzen des Gloria oder den Soli der Allelujas) für diese sparsame Musik dann doch zu dick aufgetragen.
Hört man nun die übrigen Stücke dieser Aufnahme, zeigt sich, dass ein sturkturbewußter, zurückhaltender Zugriff Pärts Musik besser angestanden hätte: Die weichgezeichneten Streicher nehmen dem Cantus in memory of Benjamin Britten viel von seiner packenden Strenge und erzeugen zusammen mit der halligen Akustik und dem breiten Tempo einen sentimentalen Sog. Gleiches gilt für Fratres, wo Gidon Kremer (ebenfalls ECM) den Solopart ebenfalls direkter und bündiger als Spivakov angeht, der dynamisch und agogisch freier, "romantischer" agiert. Mir sagt die zurückhaltende Spielweise Kremers mehr zu, ebenso die Diskretion des Estnischen Philharmonischen Kammerchores. Bei beiden kommt das Ikonenhafte und Entrückte der Pärtschen Musik eindrücklicher zu Geltung.
Georg Henkel
Trackliste |
01-10 Berliner Messe 11 Fratres 12-14 Collage über B-A-C-H 15 Summa 16 Cantus in memory of Benjamin Britten 17 Mozart-Adagio |
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Besetzung |
Moscow Virtuosi Chor der Akademy of Choral Art
Vladimir Spivakov (Ltg. u. Solo-Violine)
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