Musik an sich


Artikel

Rappen in Ghana - Martin Kilger über "Soundscape - Africa"


Info
Gesprächspartner: Martin Kilger (Soundscaper)

Zeit: 06.04.2004, 16:00

Ort: Heidelberg

Interview: Telefon

Stil: HipHop / Alternative / Rock

Internet:
http://www.soundscaper.de

Wahrhaftig begeistert war ich von Martin Kilgers erstem Album Soundscape - Africa, das mit einer originellen Mischung aus HipHop, Rock, Alternative und einigen wenigen World Music Einflüssen nicht nur bei der MAS auf offene Ohren stieß. Dennoch - der Keyboarder und Sänger gibt sich als Perfektionist und spricht in einem Telefonat zunächst direkt die kleinen Kritikpunkte der letztmonatigen Rezension an - wie etwa die im Bonusteil der DVD nicht allzu professionell vorgetragene Hintergrundgeschichte.

Martin Kilger:
Ich bin also kein guter Sprecher...

MAS:
Tut mir Leid, aber filmreif war es wirklich nicht.

MK:
(lacht) Es war wirklich nicht besonders gut gesprochen. Du hattest allerdings eine vorproduzierte Version, bis zur endgültigen Auflage wurden noch einige Sachen verbessert - unter anderem ist "Mabel" jetzt kein Instrumental mehr und der Sprecher in dem Intro-Film ist ein anderer.

MAS:
Die Produktion der DVD war für dich auch eine Diplomarbeit - wie wurde sie benotet?

MK:
Ich habe an der Kunsthochschule für Medien in Köln studiert und bin in diesem Monat fertig geworden. Die Diplomarbeit waren die DVD und eine schriftliche Arbeit. Demnächst habe ich noch ein Diplomgespräch und dann - hoffentlich - mein Diplom. Noten bekommen wir allerdings nicht - es wird aber schon gutgehen.

MAS:
Wenn dein Dozent keinen HipHop mag hast du also ein Problem...

MK:
Genau (lacht). Nein, ich habe schon mit allen Prüfern gesprochen und die finden meine Arbeit ziemlich gut. Schließlich kann man ja auch mit einem einzigen Clip Diplom machen.

MAS:
Was hältst du eigentlich von Thomas D.?

MK:
Finde ich stark. Er hat mich auch auf jeden Fall sehr beeinflusst. Die früheren Fanta 4 gefallen mir zwar weniger, aber Lektionen in Demut beispielsweise ist ein unheimlich gutes Album. Beim Texten ist er astrein und er rappt auch saugut. Es gibt ja nicht allzu viele Deutschsprachige, die solchen halb-intellektuellen Stoff gut rüberbringen. Die meisten rappen ja nur über... naja, kann ich nicht aussprechen (lacht).

MAS:
Bist du überhaupt so richtig in die HipHop Szene involviert? Du rappst zwar viel auf deinem Album, aber HipHop klingt anders.

MK:
Ich spiele zur Zeit bei Don Abi Keyboard, der ist ja einer der Sänger bei Brothers Keepers. Ansonsten habe ich oft mit Curse Jams gemacht und kenne ein paar Leute, hatte zum Beispiel bei den Söhnen Mannheims einige Gigs. Aber ich halte mich wenig in der HipHop Szene auf. Allerdings ist die deutsche Musikszene ja sowieso sehr verschmolzen.

MAS:
Warst du bei den Söhnen Mannheims eigentlich festes Mitglied?

MK:
Die beiden Haupt-Keyboarder waren mit anderen Projekten beschäftigt, so dass ich als Ersatz für beide gearbeitet habe. Gegen Ende der Tour hatten sie fast keine Zeit mehr, so dass ich bei den letzten zwanzig bis dreißig Gigs gespielt habe. Das waren einige Gigs der normalen Tour und alle Auftritte der Festival Tour.

MAS:
Bevor ich "Africa" zum ersten Mal angehört habe hatte ich bereits die Promo Blättchen überflogen und war sehr überrascht - warum so wenige World Music Einflüsse?

MK:
Ich halte von der World Music insgesamt selten viel. Es stößt mich ein wenig ab, dass Europäer afrikanische Bilder und Klänge zeigen und sie als ihre Eigenen ausgeben. Ebenso hat es einen negativen Beigeschmack, dass bei der World Music oft eine heile Welt gepriesen wird, das liegt mir nicht so. Wir sind Europäer und in die europäische Musikszene hineingewachsen, also spielen wir auch die Musik, die aus uns herauskommt.
Wir haben ja auch durchaus viele afrikanische Klänge benutzt, aber nicht im Ethno/World Music Stil.

MAS:
Auf manchen Videos sieht man dich in der Öffentlichkeit singen und oft tauchen auch Aufnahmen von Ghanaern auf - habt ihr für viel Aufsehen gesorgt?

MK:
Es war teilweise unheimlich schwer zu drehen. Sobald wir irgendwo eine Kamera aufgebaut haben - zudem noch als Weiße - kam sofort die gesamte Dorfjugend und hat mitgesungen. Das war zum Beispiel bei "Schrein" sehr lustig, da haben die Kinder versucht mitzusingen und den deutschen Refrain nachgeäfft. Solange wir auf DV gedreht haben war das nicht so schlimm, weil wir davon genügend Material hatten, aber bei 16 mm Aufzeichnungen war es schon wirklich anstrengend den Menschen zu vermitteln, dass sie jetzt nicht durch's Bild gehen dürfen.
Einmal haben wir auch ein Mädchen auf einem Spielplatz gefilmt, da kam anschließend der Vater und wollte dafür Geld von uns haben. Das war manchmal nicht einfach... wir hatten aber einen afrikanischen Führer bei uns, der die einheimische Sprache beherrschte und uns immer sehr gut vermittelt hat. Der schwierigste Faktor war eigentlich das Wetter, vor allem beim ersten Dreh war es sehr heiß.

MAS:
Wie lange ward ihr eigentlich in Afrika?

MK:
Wir haben 2002 eine Reise von sechs Wochen gemacht. Da haben wir vor allem Film- und Tonmaterial gesammelt und das Land kennengelernt. Anschließend habe ich ein Jahr lang die Songs vorproduziert, um 2003 nochmal nach Ghana zu reisen. Zu dem Zeitpunkt wusste ich ja, was ich noch nachdrehen und welche Klänge ich noch sammeln musste. Das waren auch nochmal sechs Wochen, insgesamt also etwas über drei Monate.

MAS:
Wie habt ihr die Reisen finanzieren können? Die Kosten müssen für so eine große Gruppe ja immens gewesen sein, zudem noch ohne große Plattenfirma im Rücken.

MK:
Das Album ist bei einem kleinen Label erschienen, aber die haben für die Produktion kein Geld gezahlt. Ich habe das Glück, von der Hochschule Geld zu bekommen - ähnlich wie bei einer Filmhochschule, bei der die filmerischen Projekte ja auch finanziell unterstützt werden.

MAS:
Ist Soundscaper nur ein vorübergehendes Projekt oder eine dauerhafte Band? Wird es weitere Alben geben?

MK:
Wir arbeiten bereits am nächsten Album. Es wird ganz ähnlich sein, nur etwas tanzbarer. Die Reise geht diesmal nach Indien. Ich arbeite dafür mit einem indischen Videoregisseur zusammen, der an derselben Hochschule wie ich studiert. Wir werden in Indien seine Familie besuchen und das Land kennenlernen. Am Schluss soll wieder ein DVD Album dabei herauskommen, vielleicht schon Anfang nächsten Jahres. Vorher werden wir im Sommer noch eine Unplugged-Audio-CD mit Konzertmitschnitten herstellen.


Hendrik Stahl