Musik an sich


Artikel

Regy Clasen - "Ich will Gefühle zeigen"


Info
Gesprächspartner: Regy Clasen

Zeit: 15.04.2004

Ort: Hamburg

Interview: Telefon

Stil: R'n'B / Deutschpop

Internet:
http://www.regyclasen.de

Tocotronic wussten es schon: "Über Sex kann man nur auf englisch singen" - eine Aussage, die sich durchaus ausweiten lässt. Denn während englischsprachige Rockbands mit schmalztriefenden Liebesliedern die Charts aufwühlen, droht ihren deutschen Pendants nicht selten der Spott deutschsprachiger Zuhörer.

Regy Clasen tut es trotzdem. Zwar ist Beischlaf kein (... oder zumindest kein überwiegendes) Thema auf ihrem aktuellen Longplayer Wie tief ist das Wasser, aber Gefühle wie Liebe und Sehnsucht stecken hier in jedem Track. Deutsch zu singen ist eben ein Risiko. Ein Risiko, das nicht immer belohnt wird.

MAS:
Dein Debut Album erschien noch auf einem Major Label, das allerdings nicht bereit war weitere Werke von dir zu veröffentlichen. Wie steckt man einen solchen Rückschlag weg?

Regy Clasen:
Als es entschieden wurde war ich eigentlich froh da raus zu sein. Es war ein langes Gehadere, das hatte mir gar nicht mehr so gefallen - ich war eher befreit da gehen zu können.

MAS:
Wie kam es dazu, dass dein aktuelles Album auf Michy Reinckes Label Rintintin veröffentlicht wurde?

RC:
Ich habe Michy Reincke Anfang letzten Jahres über einen gemeinsamen Freund kennengelernt. Wir haben uns angefreundet und so einiges zusammen gemacht, auch einen Song aufgenommen, der auf einem seiner Alben veröffentlicht wurde. Als dann klar war, dass ich nicht noch einmal einen Plattenvertrag unterzeichnen würde - schon gar nicht bei einem Major, aber auch nicht bei einem kleinen Label - brauchte ich natürlich einen Labelcode und somit ein Label, bei dem mein Album erscheinen konnte. Michy hat mir schließlich angeboten, dass ich das Album auf seinem Label "Rintintin" veröffentlichen kann, ohne dass wir einen herkömmlichen Vertrag dafür machen.

MAS:
Deutschsprachige Musik ist in den letzten Jahren wieder deutlich populärer geworden, allerdings besteht bei deutschsprachigen Liebesliedern immer die Gefahr als Schlagersängerin abgestempelt zu werden. Deine Songs sind ja auch nicht immer komplett kitschfrei, wird man da schonmal in Schubladen gesteckt, mit denen man eigentlich gar nichts zu tun haben will?

RC:
Nein, eigentlich nicht so sehr. Ich habe diese Angst inzwischen verloren. Bei meinem ersten Album war ich schon so ein bisschen besorgt, in diese Schlager-Kiste gesteckt zu werden, aber ich glaube nicht, dass die Gefahr bei Wie tief ist das Wasser besteht. Es ist sehr eindeutig R'n'B-beeinflusst und die Stücke, die nicht R'n'B sind, gehen sehr in Richtung Songwriter-Pop. Inzwischen gibt es ja auch wirklich viel deutschsprachige Popmusik, früher gab es eigentlich nur Schlager und Rock - dazwischen hat sich immer nur wenig abgespielt, es gab bisher nur wenige Songwriter mit deutschen Texten auf dem Markt. Daher hatte man nur diese zwei großen Schubladen - heute ist es glücklicherweise anders.

MAS:
Hast du auch schonmal darüber nachgedacht, englische Stücke zu komponieren?

RC:
Ich habe schon englische Stücke geschrieben, sogar noch bevor ich anfing, deutsche Lieder zu schreiben. Das mache ich auch gerne, nur habe ich im Moment so einen großen Gefallen an der deutschen Sprache gefunden, dass ich bestimmt erstmal so weitermachen werde.

MAS:
Könnte also passieren, dass du auch mal wieder einen englischen Song singst...

RC:
Könnte passieren, bisher habe ich aber nur deutsche Sachen auf meinen Platten und das finde ich auch ganz gut so.

MAS:
Den ersten 2.000 Exemplaren von Wie tief ist das Wasser liegen Rohlinge mit Zugangscodes bei, die das Downloaden von Live-Versionen auf deiner Homepage ermöglichen. Die Idee ist ja ganz gut, auf jeden Fall erhält der Käufer so deutlich mehr für's Geld. Aber wäre es nicht einfacher gewesen, die Live Versionen direkt mit drauf zu pressen?

RC:
Ja, wir haben auch darüber nachgedacht. Aber ich wollte deutlich machen, dass es wirklich ein Bonus, den man sich bei Bedarf beschaffen kann, und keine Doppel CD ist.

MAS:
Außerdem bringt es mehr Besucher für deine Homepage...

RC:
Das auch, ja. Es hat natürlich einen gewissen Promo-Effekt und erweckt Aufmerksamkeit, klar. Es ist auch gut, die Aufmerksamkeit darauf zu lenken, weil ich finde, dass auf vielen Alben für das viele Geld einfach zu wenig geboten wird. Daher haben wir es ganz bewusst so konzipiert, dass wir sehr viel zum Preis einer normalen CD bieten. Viele beschweren sich, dass die Leute den Wert von Musik nicht mehr schätzen - das kann ich bei den heute üblichen Preisen verstehen.

MAS:
Ich nehme an deine Songs sind größtenteils biographischer Natur?

RC:
Ja, alle.

MAS:
Kostet es nicht unheimlich viel Überwindung in Texten derartig viel von sich selbst preis zu geben? Schließlich kann ja jeder in einen Laden gehen und ein Stück Einblick in Regy Clasens Persönlichkeit kaufen.

RC:
Das stimmt, ich finde das aber gut. Ich will das so haben und es kostet mich gar keine Überwindung. Mir wird oft gesagt, dass das mutig sei - das empfinde ich gar nicht so, ich finde es gut, mich zu zeigen. Dadurch fühlen sich die Leute vielleicht auch motiviert, ihre eigenen Gefühle zu zeigen, und das ist es ja, was ich möchte.

MAS:
Tut Kritik nicht doppelt weh wenn sie sich auf so persönliche Texte bezieht?

RC:
Es geht... eigentlich nicht so sehr. Sie tut sowieso weh, weil meine Musik so etwas wie mein "Baby" ist. Aber ich kann mit Kritik leben. Ich bekomme so viel positives Feedback von Menschen, die dadurch berührt werden, dass ich mein Seelenleben so ausbreite, das mir Kritik nicht viel ausmacht.
Diskografie
2004: "Wie tief ist das Wasser"
2000: "So nah"
2000: "Ich seh dich" (Single)

MAS:
Wer sind eigentlich die Regy-Assistenten?

RC:
Das sind meine Spezial-Fans... sie haben mein Album vorbestellt und damit ein T-Shirt erworben, mit dem sie sozusagen für mich Werbung laufen (lacht). Sie sind der engere Fankreis, der mich unterstützt und auch bei anderen Aktionen mitwirken kann und will.

MAS:
Welche Instrumente beherrscht du eigentlich? Auf deinem Album hast du bei ein oder zwei Stücken Gitarre und bei einer Live Version Klavier gespielt.

RC:
Ich spiele eigentlich lieber Klavier, aber auch Gitarre. Live im Moment leider nicht mehr, weil mir das zu stressig ist - da konzentriere ich mich lieber auf das Piano.

MAS:
Wer ist eigentlich Matthias Clasen? Auf deinem Album war er laut Booklet an den Bläserarrangements beteiligt.

RC:
Das ist mein Bruder, der ein ganz hervorragender Saxophonist ist und mit den "Boxhorns" in Hamburg eine Bläsertruppe aufgebaut hat. Die haben in zwei Stücken gespielt, was ich ganz toll fand.

MAS:
Matthias Clasen spielte Flöte auf dem letzten Album von Doris Decker, die du ja auch in deinem Booklet grüßt.

RC:
Sie ist eine gute Freundin von mir, wir haben bei ihr im Gartenhaus viel für das Album produziert. Ich kenne sie schon sehr lange, ihre Musik ist wirklich toll...

MAS:
Abschließend eine persönliche Frage, um angesichts der hier veröffentlichten Bilder einer möglichen Leserbrief-Welle zuvor zu kommen: Gibt es eigentlich sonst noch einen Herrn Clasen oder zumindest einen Anwärter?

RC:
(lacht) Nein, im Moment nicht.


Hendrik Stahl