Die (frühen) 70er waren - was die deutsche Rockmusik betrifft - eine extrem spannende Zeit. Kommerzielle Erfolge waren praktisch nicht zu befürchten. Daher war es auch völlig sinnlos irgendwelche Eingeständnisse und Rücksichten im Blick auf die Verkaufbarkeit der LPs zu machen. Die Plattenfirmen, die deutsche Bands gesignt haben, konnte man an einer Hand abzählen. Und die Bereitschaft zum Experiment gehörte bei Ihnen fast zur Grundausstattung.
"Krautrock" wurde zum Etikett für fast alles, was damals an Rockmusik aus deutschen Landen kam. Vielleicht mit Ausnahme der Scorpions, die sich relativ schnell auf ein ganz anderes kommerzielles Niveau schwangen, und Ende der 70er nicht unwesentlich dazu beitrugen, dass "Rock - Made in Germany" zumindest in Japan zum Qualitätsbegriff wurde. Aber musikalisch waren die Scorpions in der deutschen Szene auch Außenseiter. Mit Ihrem extremen Hard Rock (der noch nichts mit dem Schwiegermuter-kompatiblen Schmusesound á la "Wind of Change" zu tun hatte) und den teilweise provozierenden Cover Art Works (Das Original-Cover von "Virgin Killer" stand in Deutschland auf dem Index und war nur als Import zu bekommen.) platzierten sie sich eindeutig in einem Metal-Vorläufer-Segment, dass zumindest damals als prolliger Unterschichtsbereich galt.
Und da bewegten sich die deutschen Rocker ansonsten in anderen - oft schon überintellektuellen Bereichen. Völlig verstiegene Ethno- oder Jazz-Rock-Experimente wie zum Beispiel Embryo, Tri Atma oder Can, verlangten dem Hörer einiges an Nerven, Geduld und Verständnis ab. Mit Bands wie Neu oder Tangerine Dream wurde Genres begründet, die heute als Ambient oder New Age zum Standardprogramm jedes gut sortierten Plattenladen gehörten.
Irgendwo mittendrin das Triumvirat, dessen Gesamtwerk jetzt von der EMI komplett remastert und mit Bonus-Tracks auf CD re-released wurde. 1970 gegründet, wie es der Name schon sagt, von drei Musikern: Dick Frangenberg (b), Hans Barthelt (dr) und vor allem Jürgen Fritz (key). Denn wie bei vielen deutschen Bands dieser Zeit standen die noch recht neuen elektronischen Tasteninstrumente im Mittelpunkt. 1971 wurde Hans Pape neuer Basser im Triumvirat. Man wand sich von rein instrumentalen Kompositionen ab. Pape und Fritz teilten sich auf dem 1972 erscheinenden Debut die Gesangsparts.
Mediterranean Tales (1972)
(EMI) 54:21 Minuten
1. Across the Waters (16:34)
a Overture
b Taxident
c Mind Tripper
d 5 o'clock Tea
e Satan's Breakfast
f Underture
2. Eleven Kids (6:06)
3. E Minor 5/9 Minor /5 (8:00)
4. Broken Mirror (7:15)
Bonus-Tracks (1973)
5. Be home for Tea (3:35) 7"-Track Edit of Track 1.4
6. Broken Mirror (3:21) 7"-Track Edit
7. Ride in the Night (4:25) 7"-Track
8. Sing me a Song (4:38) 7"-Track
Kurz vor der Gründung von Triumvirat hatte Fritz die Schule geschmissen und auf dem Kölner Konservatorium mit dem Klavier-Studium begonnen. Die klassische Ausbildung im Verein mit Vorbildern, wie vor allem Keith Emerson und den Nice, gab den Weg vor: klassisch-symphonisch angehauchter Art-Rock mit massiver Keyboard-Präsenz. Typisch für das Genre: Stücke, die sich nur selten mit einem radiotauglichen 3-Minuten-Format begnügen. Für die Single-Auskopplungen mussten edierte, d.h. in diesen Fällen verkürzte, Versionen einzelner Albumtracks herhalten. Hört man sich z.B. das grandios groovende "Broken Mirror" an, tut es einen auch 30 Jahre später noch leid, dass es hier nicht zu Charterfolgen gekommen ist. Insgesamt hat die EMI damals etwa 3000 Exemplare des Debuts abgesetzt. "2.900 hier im Kölner Raum. Der Rest waren Musterplatten, die verschickt wurden," schätzt Fritz es Jahre später in einem Interview ein.
Im Vergleich vor allem zu "Spartacus", dem Triumvirat-Klassiker schlechthin, wirken die Mediterranen Tales manchmal noch etwas bieder, harmlos und unausgegoren. Aber das ist ein Urteil, das wirklich nur bei diesem direkten Vergleich stand hält. Das Debut für sich gehört, hätte allein eigentlich reichen sollen, den damals(!) abwertenden Klang des Wortes "Krautrock" zu dem zu wandeln, was er heute ist - der Hinweis auf eine Goldmine, die zwar zum Teil verschüttet ist, in der sich aber grandioses finden lässt. Auch mit der reinen ELP-Kopie, als die Triumvirat gerne bezeichnet worden sind, ist bereits von Anfang an nur eine Teilwahrheit ausgesprochen. "Ride in the Night" zum Beispiel ist erheblich härter - erinnert eher an ein Stück einer britischen Band eines ganz anderen Genres - "Are you ready Eddy" von Ten Years after.
Illusions on a double Dimple (1973)
(EMI) 58:40 Minuten
1. Illusions on a double Dimple (23:22)
a Flashback
b Schooldays
c Triangle
d Illusions
e Dimplicity
f Last Dance
2. Mister Ten Percent (21:31)
a Maze
b Dawning
c Bad Deal
d Roundabout
e Lucky Girl
f Million Dollars
Bonus-Tracks
3. Dancer's Delight (3:32) 7"-Track
4. Timothy (4:08) 7"-Track
5. Dimplicity (3:15) 7"-Track Edit
6. Million Dollars (2:35) 7"-Track Edit
Der von dem ambitionierten Jürgen Fritz selbstproduzierte Zweitling trieb die Prog- und Art-Rock-Tendenz zum Longtrack auf die Spitze. Ähnlich wie bei einigen Yes- oder Mike Oldfield-Alben waren LP-Seiten und Titel identisch. "Illusions on a double Dimple" kommt daher in seiner ursprünglichen Form mit nur zwei Tracks aus. Die Single -Auskopplungen sind zum Teil wieder Auszüge aus diesen Stücken.
Für Illusions wurde zum zweiten Mal der Basser ausgewechselt. Hans Pape ist nur noch bei den größten Teilen des Titeltracks zu hören. Der Neue, Helmut Köllen, brachte erstmals auch die Gitarre mit an Bord. Bei Festival-Auftritten vor der Veröffentlichung war man teilweise mit dem alten und dem neuen gemeinsam als Quartett aufgetreten. Für die aufwendig produzierte LP selber hat man sich zudem noch mächtige Unterstützung von Streichern des Kölner Opernhauses, den Bläsern der Kurt Edelhagen-Band und einem Background-Chor gesichert.
Der Lohn ließ nicht auf sich warten. Zunächst aber auf eher unerfreuliche Weise. Die EMI zeigte sich aufgrund der immer länger werdenden Aufnahmezeit und dem ständigen Überziehen des Produktionsetats wenig geneigt den ausgelaufenen Vertrag zu verlängern. Dann aber verlangten die amerikanischen EMI-Partner Capitol-Records nach den deutschen Newcomern. Eine 40-Gig-US-Tour brachte die Band teilweise ins Vorprogramm von Fleetwood Mac und in die Billboard Top 40. Sowohl mit dieser Platzierung, als auch mit über 150.000 verkauften Platten stellten Triumvirat neue Rekorde für eine deutsche Band in den USA auf.
Völlig aus der bisher gekannten Art schlägt der als Bonustrack enthaltene Single-Titel "Dancer's Delight" - zwar auch wieder mit verspielten Keys garniert lässt das Stück fast im Disco-Takt mitwippen - erinnert sogar ein wenig an "Party Life", den allerletzten Triumvirat-Single Hit aus dem Jahr 1980.
Spartacus (1975)
(EMI) 49:19 Minuten
1. The Capital of Power 3:13
2. The School of instant Pain (6:22)
a Proclamation
b The Gladiator's Song
c Roman Entertainment
d The Battle
3. The Walls of Doom (3:56)
4. The deadly Dream of Freedom (3:54)
5. The hazy Shades of Dawn (3:09)
6. The burning Sword of Capua (2:41)
7. The sweetest Sound of Liberty (2:35)
8. The March to the eternal City (8:46)
a Dusty Road
b Italian Improvisation
c First Success
9. Spartacus (7:38)
a The superior Force of Rome
b A broken Dream
c The Finale
Bonus-Tracks
10. The Capital of Power (3:16) Live
11. Showstopper (3:37) previously unreleased
Themen aus den Bereichen Mythologe (z.B. Eloys "Ocean"), Sozialkritik (Sehr humorvoll Grobschnitts "Jumbo") oder Fantasy (als Beispiel wiederum Eloy auf "Power and the Passion") waren bei den Krautrockern wesentlich verbreiteter als die typischen Rock`n`Roll-Themen, Frauen, Alkohol und das harte Leben des Rock'n'Rollers. Für ihr musikalisch unbestrittenes Meisterwerk setzen sich Trumvirat auch hier an die Spitze. Sie greifen in die Kiste, aus der sie schon den Bandnamen geholt haben. Der Sklavenaufstand im antiken Rom unter Spartacus bietet den thematischen Rahmen für das dreiviertelstündige Konzeptalbum.
Besetzungsmäßig ändert sich nichts, außer das Fritz nicht mehr als Sänger in Erscheinung tritt. Zu der Dramatik und dem Bombast treten verstärkt verspielte tänzerische Elemente ("The hazy Shades of Dawn") und auch Reminiszenzen an Genesis-Scheiben (sehr deutlich in "Roman Entertainment"), die weniger mit ELP-artiger Virtuosität prahlen, als eher märchenhaft und romantisch Geschichten erzählen. Auch hier gibt es mit dem "Showstopper" wieder einen Bonus-Track, der an direkter Eingängigkeit das gesamte Albummaterial in den Schatten stellt.
"Spartacus" konnte die Platzierungen von "Illusions" in den USA sogar noch in den Schatten stellen, währen die Scheibe in Deutschland nicht einmal kurzfristig in die Top 50 einstieg. Das und die erheblich professionelleren Arbeitsbedingungen, die Fritz in den USA lieben gelernt hatte, führten zu der Entscheidung Deutschland ganz den Rücken zu kehren. Die damals geringeren Lebenshaltungskosten ermöglichten zudem ein Leben in Hollywood mit eigenem Haus und Swimming Pool. Köllen gelang die Anpassung an das neue Land wesentlich schlechter als seinen Partnern. Er verlies die Band und kehrte nach Deutschland zurück. Das tat die Band aus vertragstechnischen Gründen später auch. Ursprünglich war allerdings nur ein kurzer Aufenthalt zum Einspielen der vierten Scheibe geplant.
Old Loves die hard (1976)
(EMI) 52:36 Minuten
1. I believe (7:51)
2. A Day in a Life (8:13)
3. Uranus' Dawn (2:57)
4. Pisces at Noon (3:51)
5. Panorama Dust (1:21)
6. The History of Mystery (Part One) (7:50)
7. The History of Mystery (Part Two) (3:59)
8. A cold old worried Lady (5:50)
9. Panic on 5th Avenue (10:31)
10. Old Loves die hard (4:26)
Bonus-Track
11. Take a Break today (3:44) 7"-Track
Mit neuem alten Basser - Gründungsmitglied Dick Frangenberg kehrte zurück. - und erstmals einem zusätzlichen Mann am Mikrofon ging man ins Studio. Das Triumvirat war zum Quartett geworden. (Aber vierköpfige Triumvirate gab's ja auch im alten Rom schon.) Der neue Sänger hieß Barry Palmer - bislang in völlig anderem Umfeld tätig. Als Sänger der vom Produzentengespann Martin/ Coulter designten Teenie-Band Kenny war Palmer mit Glam-Pop-Hits wie "Hot Lips" oder "Fancy Pants" durch Iljas Disco, die BRAVO und ähnliche künstlerisch wertvolle Institutionen gereicht worden.
Mit dem Rekord-Etat von 120,000 DM wurde dann eine Scheibe eingespielt, die in Portugal sogar die Spitze der Charts erreichte und mit einer goldenen LP belohnt wurde.
Auf "Old Loves" präsentieren sich Triumvirat so kompakt, rockig und auf den Punkt gebracht wie nie zuvor, obwohl nach dem Ausstieg von Köllen das Rock-Instrument schlechthin, die Gitarre, wieder aus dem Triumvirat-Arsenal verschwunden ist. Zu dem erheblich kraftvolleren Eindruck trägt die härtere aggressivere Stimme von Palmer ihren guten Teil bei. Man ist sicher keine Single-Band geworden und die Liebe zu ausufernden Keyboard-Spielereien wird sorgfältig gepflegt, aber Fritz hat es offenbar gelernt gelegentliche ziellose Wanderungen durch den Notenwald zugunsten strukturierter Marschrouten aufzugeben. Entsprechend findet man auch keine x-fach untertitelten 20-Minüter mehr.
Live funktionierte das neue Line up allerdings nicht. Palmer sei zwar ein guter Sänger gewesen, habe die alten Stücke der großen Erfolgsalben aber nicht singen können, meint Fritz später. Da die Band nun doch wieder back in Germany war und die Solokarriere von Helmut Köllen in einer Sackgasse steckte, versuchten Triumvirat es noch einmal im alten Line up. Aber auch dieser Versuch scheiterte nachdem zwischen Barthelt und Fritz ein unlösbarer Streit über den künftigen Stil ausgebrochen war. Daraufhin erklärte Fritz die Band für aufgelöst. Er wollte Triumvirat alleine als Projekt mit neuen Musikern weiter führen.
Pompeii (1977)
(EMI) 49:11 Minuten
1. The Earthquake 62 A.D. (6:19)
2. Journey of a fallen Angel (6:15)
3. Viva Pompeii (4:17)
4. The Time of your Life...(?) (4:36)
5. The rich Man and the Carpenter (5:58)
6. Dance on the Vulcano (3:32)
7. Vesuvius 79 A.D. (6:32)
8. Hymn (7:13)
Bonus-Track
9. Hymn (4:13) 7"-Track Edit
Das Line up auf dem zweiten Konzeptalbum der Band sieht konsequenterweise vollständig runderneuert aus. Am Schlagzeug sitzt mit Curt Cress eine echte Legende. Er kam genau wie der neue Bassist Dieter Petereit von der Jazz-Rock-Formation Passport. Eigentlich sollte auch Köllen mit dabei sein, der habe es sich aber nicht zugetraut technisch mit den beiden versierten Jazz-Rockern mitzuhalten. Als die Playbacks zu "Pompeii" fertig waren, stieg er aus und wir finden - eher überraschend - als einzig Verbliebenen wieder Barry Palmer am Gesang. Köllen verstarb am 3. Mai 1977 kurz vor Veröffentlichung seiner mit Hilfe von Fritz fertig gestellten Solo-Scheibe "You won't see me".
Gar nicht einverstanden mit seinem Rauswurf war Bassist Frangenberg. Er warf dem neuen Triumvirat rechtliche Knüppel zwischen dem Beine, deren Folgen man auf dem Cover sehen kann. Firtzens Band firmiert für ein Album unter dem Markennamen "New Triumvirat".
Trotz der prominenten Mitstreiter hält "Pompeii" das Niveau der Vorgänger nicht völlig. Der Anschluss an die legendäre "Spartacus", die man angesichts des erneuten Rückgriffs in antike Rom erwartet, gelingt nicht. Vielleicht hat Fritz wirklich recht, dass Palmer an dieser Stelle überfordert ist. Es wäre aber falsch einfach Palmer den schwarzen Peter in die Schuhe zu schieben. Gerade wenn man die Triumvirat-CDs im Stück hört, kann man sich bei "Pompeii" des Eindrucks nicht erwehren, hier versuche eine müde gewordene Band eine gutklassige CD in der Tradition der ersten drei Alben einzuspielen. Um so erstaunlicher, dass das insgesamt immer noch empfehlenswerte Werk dann mit einem echten Hammer schließt, dem siebenminütigen dramatisch sanften Hymn, das in einer Kurzversion auch als Single veröffentlicht wurde.
Auch das neue Super-Line Up sollte nicht lange halten. Cress und Petereit verabschiedeten sich und kehrten in den Jazz-Rock-Bereich zurück. Cress gründete Snowball und Petereit steig wieder bei Klaus Doldingers Passport ein. So wurde die LP live kaum präsentiert, obwohl Pompeii endlich auch in Deutschland ansprechend verkauft wurde und die bombastische Single "Hymn" sehr gut im Radio lief.
À la Carte (1978)
(EMI) 52:19 Minuten
1. Waterfall (4:53)
2. (Oh, I'm) late again (6:46)
3. Jo Ann Walker (4:45)
4. For you (5:48)
5. I don't even know your Name (4:51)
6. A Bavarian in New York (5:37)
7. Original Soundtrack from the Movie "O.C.S.I.D." (3:47)
8. Darlin' (3:43)
9. Good Bye (4:29)
Bonus-Tracks
10. Waterfall (3:36) 7"-Track Edit
11. Jo Ann Walker (3:42) 7"-Track Edit
"À la Carte" ist anders. So anders, dass man sich fragt, ob das überhaupt noch Triumvirat sind. Das ist natürlich erst mal ein Eindruck, der auch in meiner Enttäuschung über dieses Album wurzelt. Aber man kann auch eine ganze Reihe objektiver Tatsachen aufzählen, die "À la Carte" von allen Vorgängeralben unterscheiden.
Das fängt schon beim Cover an. Zum ersten Mal in der Bandgeschichte haben wir statt einer Fotomontage oder einer Zeichnung ein wirklich reales Fotos. Zum ersten Mal sieht man die Band auf dem Cover - in eleganter Abendgarderobe neben zwei Rolls Royce. Klar, das sind Äußerlichkeiten, aber sie verbreiten eine völlig neue Atmosphäre von Reichtum, Erfolg und normierter Eleganz, die im Gegensatz zu dem Undergroundgefühl und der individuellen phantasievollen Ausstrahlung der bisherigen CDs steht.
Fritz selber sagt, dass die Struktur nun endgültig den Projektcharakter erreicht hat. Triumvirat ist keine Band mehr, was er sich von dem Curt Cress-Line up noch erhofft hatte, sondern es ist Musik, die von ihm als "Macher" mit Musikern realisiert wird, die für genau umgrenzte Aufgaben angesprochen und bezahlt werden.
Palmer, der letzte verbliebene Musiker, fliegt raus, weil seine Gagenforderung zu hoch sind. Ersetzt wird er durch David Hanselmann. Am Schlagzeug Matthias Holtmann; Bass Werner Kopal (heute bei BAP). Darüber hinaus, wie es jetzt für Triumvirat schon gute Tradition ist, eine Vielzahl von Gast-Musikern und -Sängern. Erfolg ist der Band und der CD nur wenig beschieden. Für Rekorde sorgt wieder einmal der Produktionsetat (inzwischen 170.000,-- DM) und der Aufwand für die geplante Tournee. Fritz selber hält Management- und Organisationsfehler seitens der Plattenfirma (verschleppte Pressung und dadurch verpasstes Weihnachtsgeschäft, schlecht koordinierte Promotion, später Plakatdruck) für einen der entscheidenden Gründe, dass sowohl die LP, als auch die Tour horrende Verluste einfuhr, die - negative Folge des Projektcharakters - nun zum großen Teil von ihm selber getragen werden mussten.
Auch die Linernotes in der remasterten Edition machen den Richtungswechsel deutlich. Von einem "oppulenten Rockpop-Mahl" ist da die Rede und von der Orientierung "an zeitgemäßen internationalen Produktionen á la Supertramp". Wenn man genau hinhört, kann man z.B. bei "Late again" tatsächlich gewisse Nähen zu Supertramp hören. Aber letztlich sind es eher die glatter polierten US-Produktionen wie Toto, die man anpeilt, aber qualitativ bei weiten nicht erreicht. Es gab 78 eine deutsche Band, die das deutlich besser konnte, und an die mich "À la carte" immer wieder erinnert - die Hamburger Lake (die ich nebenbei sehr empfehle)
Ansonsten hört man Anleihen an Disco-Produktionen der End-70er ("Jo Ann Walker"), Elton John ("Good Bye"), späten Lloyd Webber-Musicals ("For you"), Chicago ("I don't even know your Name") oder Lake ("A Bavarian in New York", wo das Duell zwischen Orgel und Stimme fast an Gillan-Lord erinnert). Passend zur neuen Ausrichtung die erste Cover-Version der Bandgeschichte - nicht von ELP, nicht von Genesis, nicht von The Nice. Nein, die garantiert Prog-unverdächtigen Miterfinder der Pop Musik, Brian Wilson's Beach Boys werden geehrt ("Darlin'").
"À la Carte" ist nicht einfach schlecht. Niemand hätte über diese Triumvirat geschimpft, wenn sie als zusätzlicher Act auf einem Festivals internationaler Mainstream-Bands erschienen wäre. Aber der eigene unverwechselbare Flair ist Vergangenheit. "À la Carte" ist übrigens ein prima Titel. Hier werden neun einzelne Gerichte geboten, die durch keinen roten Faden verbunden sind. Steak, Fisch, Geflügel und Vegetarisches - für jeden ist etwas dabei, aber für niemanden etwas besonderes Eigenes.
Russian Roulette (1980)
(EMI) 53:17 Minuten
1. Party Life (3:29)
2. You can't catch me (4:08)
3. Come with me (4:01)
4. Games (4:14)
5. Cooler (4:30)
6. The Ball of Rudy Törner (4:22) German Intro
7. We're rich on what we've got (4:10)
8. Twice (2:45)
9. Rien ne vas plus (4:42)
10. Roxy (6:30)
11. Russian Roulette (5:48)
Bonus-Track
12. The Ball of Rudy Törner (4:20) English Intro
Welchen Ruf Triumvirat nicht zuletzt in den USA immer noch hatten, zeigt das Line up der zum Schwangesang noch einmal komplett umgekrempelt und aufgeblasenen Band. Gleich drei Musiker der Weltstars Toto finden sich bei Triumvirat: Jeff Porcaro an den Drums, Steve Lukather an Bass und Gitarre und David Hungate ebenfalls am Bass. Als Sänger konnte Fritz Arno Steffen von der Zeltinger Band gewinnen. Vervollständig wird das Aufgebot von Tim May (git), Robert Greenridge (Steel Drums) Neil Stubbenhaus (Bass), Pete Christlieb (Sax, Klarinette) Mike Gong (git) und Alan Esti (perc). Dafür kann Fritz diesmal auf weitere Chöre, Orchester oder Gebläse verzichten.
Wer erwartet hatte, dass Triumvirat mit der Verdingung der Toto-Recken näher an das Niveau des amerikanischen Originals heranreichen würden, wurde herb enttäuscht. Die musikalische Entwicklung ging absolut nicht in die Richtung eines erwachsenen AOR-Sounds. Man pendelte zwischen völliger Banalität ("Games") und poppigen Anbiederungen, die man eher nach der Einzug des Kenny-Sängers Palmer hatte befürchten müssen. Offensichtlich wurde hier massiv auf die Disco-Pop geprägten Hitparaden geschielt, um einen Platz an der Sonne zu gewinnen. Auch der damals sehr gefragte Reggae-Trend wurde bedient ("The ball of Rudy Törner")
Ganz erfolglos bleibt Russian Roulette nicht. Die Single "Party Life" kann sich - zumindest im WDR - recht gut in den Hitparaden etablieren. Aber ob die Kids, die die fröhliche Pop-Hymne hier wählten, irgendetwas von den alten Triumvirat wussten oder gar schätzten, ist zu bezweifeln. Und die alten Fans waren auf das, was sie hier geboten bekamen, nicht gut zu sprechen. So war es kaum möglich aus alten und neuen Freuden eine gesunde Fanbasis zu bauen. Die Tour, zu der die Band noch einmal umgebaut wird, findet nur mäßigen Anhang und das Triumvirat erreichtet in einem schleichenden Niedergang sein Ende.
Aber vielleicht sind Triumvirat auch nur das Symbol einer Epoche, die es einfach nicht mehr gibt, und die unwiederbringbar dahin ist - dem deutschen Krautrock, einer Epoche, in der Musiker einfach noch unschuldig und naiv mit ihren Ideen spielen konnten.
Unwiederbringbar ? Vielleicht doch nicht . Art- und Prog-Rock erleben derzeit eine klare Renaissance, Krautrock ist fast zum Qualitätsbegriff mutiert und Triumvirat haben angekündigt, dass eine neue Scheibe in Arbeit ist.
Bis sie in den Läden steht muss man sich mit den Remasters begnügen, die im Original-Layout mit Texten und Liner-Notes versehen. Letztere stammen vom Metal Hammer-Schreiber Matthias Mineur - steht jedenfalls im Booklet. Genau besehen stammt ein Großteil des Materials aus Rainer M. Schröders "Rock - Made in Germany" Heyne-TB, 1980. Klar, auch ich habe u.a. dort meine Weisheit her. Aber ich gebe das wenigstens zu.
Mir gibt Mineurs Fehltritt zumindest die Gelegenheit das besagte TB zu empfehlen - ebenso wie "Rock in Deutschland" von Günter Ehnert, Taurus Press 1979. Solltet ihr einen der beiden Titel mal im Antiquariat sehen, greift zu. Da sie nach Ende der echten Krautrock-Phase erschienen sind, sind sie im Grunde aktuell geblieben.
Norbert von Fransecky