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Musik an sich
 
Weltschmerz Im Frühling
 
Coldplay begeisterten beim Böblinger Gastspiel

Kann man mit melancholischen Songs und unspektakulärem, skandalfreiem Auftreten im Musikbusiness erfolgreich sein? Man kann. Das eindrucksvollste Beispiel liefert derzeit die britische Band Coldplay. Seit drei Jahren finden sich ihre Singles und Alben in Spitzenpositionen der internationalen Charts wieder. Ein Phänomen an sich ist, dass die Musik von Coldplay anscheinend bekannter ist als die Band selbst. Dem wollten die Grammy- und Brit Awards Gewinner mit Live-Auftritten entgegenwirken.

Die ausverkaufte Böblinger Sporthalle war die letzte Station ihrer Deutschland -Tournee. Als die Vorband "Feeder" mit einer mehr als gelungenen Vorstellung die Bühne verließ, war das Publikum bereits in bester Stimmung. Die ersten Töne von "Politik", Opener vom zweiten Album "A rush of blood to the head", erklangen und schon brandete frenetischer Beifall auf. Dieser steigerte sich noch als Frontmann Chris Martin zum Bühnenrand sprintete, Luftsprünge vollführte und gut gelaunt die Fans in "kleinem Deutsch" begrüßte.

Wo war denn diese unendliche Traurigkeit, die man dem sensiblen Martin gerne nachsagt? An diesem Abend jedenfalls hatte er sie nicht mit im Gepäck. Selbst dann nicht, als er sich in gebeugter Haltung hinter dem Piano verschanzte und mit großer Perfektion die Tasten bearbeitete. Mit seiner unverwechselbaren Stimme sang er mal gefühlvoll, mal zerbrechlich und klagend "Open up your eyes" und die Fans antworteten mit mehrmaligem Zwischenapplaus. Zu diesem frühen Zeitpunkt hatte er das Publikum bereits in seinen Bann gezogen.

Die vier Mittzwanziger kamen live viel rockiger daher als auf ihren Alben. Bei "God put a smile upon your face" wechselte Martin zur Gitarre und fegte im Stil eines Angus Young über das Halbrund der Bühne. Es folgte eine schöne Abwechslung zwischen gefühlvollen Piano Balladen und treibenden Gitarrensalven, die manchmal an U2 erinnerten. Einer der zahlreichen Höhepunkte war zweifelsfrei "Yellow" der Superhit aus Coldplays Debüt "Parachutes". Perfekt inszeniert mit Unterstützung einer effektreichen Lasershow, welche die Halle mal in futuristisches Blau, in grell blitzendes Stroboskopgewitter oder eben in warmes Gelb tauchte. Chris Martin zeigte, dass er ein wahres Temperamentbündel sein kann, er hüpfte wie Skippy das Känguru und riss dabei die Arme nach oben als ob er die Sterne vom Himmel holen wolle.

Doch Coldplay sind keine "One Man Show", auch wenn Guy Berryman (Bass), Jonny Buckland (Gitarre) und Will Champion (Schlagzeug) nur Statistenrollen bleiben, wenn auch überaus wichtige. Sie halten dem Bühnenfixpunkt Chris Martin den Rücken frei. Nur gemeinsam verströmen sie diese wohlig warme Magie und konnten es sich sogar erlauben, anhand der Fülle ihrer wunderschönen Songs, den großen Hit "In my place" erst im Zugabenteil zu bringen. Die Fans lagen sich in den Armen, schwelgten nach diesen 90 Minuten in höheren Hemisphären und waren sich alle einig, "Melancholie kann so schön sein."

Jutta Hinderer

 

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