Oh nein, Kulturschock: Da wird Frau Pink überall - sei es durch ihr eigenes
Verschulden, das des Managements oder meinetwegen auch durch das der Presse
(die aber bekanntlich keine Fehler macht) - als emanzipierte Partygöre
dargestellt. Und das nur weil ihre erste Singles "Get The Party Started"
zufällig dieses Thema aufgreift. Das schick in Pink (was sonst!?) gehaltene
Booklet birgt jedoch überraschende Abweichungen von diesem Vorurteil, von
der beiliegenden Schillerscheibe ganz zu schweigen.
Während Britney und Co. ganz gerne Alben mit vielen Popsongs aufnehmen (bzw.
aufnehmen lassen), die alle nach demselben Muster gestrickt sind und
schnell langweilen, gibt`s bei Pink zahlreiche Ausflüge in andere
Richtungen. Hier mal ein bisschen rockiger Marke Alanis Morissette, dort
wieder soulig mit viel melismatischem Gejammer a la Anastacia, oder ganz
ganz hart und bös wie in "Numb". Auch einen Rapversuch ließ sich die
Nachwuchsdiva nicht nehmen ("Respect"). So etwas wie Jazz soll wohl "Gone
To California" darstellen, zumindest trötet ein Saxophon vor sich her. Und
wer nach diesem Song noch behauptet Janis Joplin sei unersätzlich... hat
irgendwie recht, aber der Versuch ist es, der zählt!
So schlimm ist Pink eigentlich gar nicht. "Just Like A Pill" ist sogar ein
ganz klares Statement gegen böse böse Drogen und erst recht gegen die noch
böseren Drogenhändler. Übrigens ein wahrer Ohrwurm, der Song, und meiner
Meinung nach der beste Anwärter für die nächste Single. Aber ich vermute
eher, dass es eine Ballade werden wird - eigentlich schade, denn das
Aggressive steht Pink einfach besser als das Soulgejammer, mit dem sie sich
durch die meisten Balladen zu singen bemüht.
Ein hübsches vielseitiges Album mit sogar noch viel arg pinker als JBO
seinerzeit, und das soll was heißen! Für pubertierende 14jährige Mädels,
die mit dem Rauchen anfangen wollen und sich aber nochmal vergewissern
möchten, dass sie da auch wirklich etwas sehr sehr schlimmes tun, ohnehin
ein Muss. Jeder betagtere Popfan sollte erstmal in "Just Like A Pill" und
"My Vietnam" (ein etwas langsamerer, rhythmusgetragener Song) reinhören.
Hendrik Stahl
12 von 20 Punkte
