Musik an sich www.midifiles.de

Reviews


Inhalt
News
Reviews
Leserbriefe
Impressum



Musik an sich
 
Gustav Mahler: Symphonie Nr. 2 c-moll "Auferstehungs-Sinfonie"; Totenfeier
(decca)
Nachromantik
Mahler
 

Royal Concertgebouw Orchestra, Prague Philharmonic Choir, Riccardo Chailly

Riccardo Chailly setzt seinen Mahler-Zyklus bei Decca fort und sich mit seiner Interpretation zu befassen dürfte schon deshalb angebracht sein, weil er nach seinem Vertragsschluß in Leipzig als Chef von Gewandhaus und Oper demnächst das Musikleben in Deutschland prägen wird.

Zudem ist Mahlers zweite Symphonie vielleicht am ehesten geeignet, über den Kreis der eingeschworenen Mahler-Jünger hinaus Interesse an dieser komplexen Musik zu wecken. In dem 1894 vollendeten Werk sind die Strukturen noch deutlicher, als in den späten Symphonien, lassen sich Entwicklungslinien, Zitate und Parodien noch relativ unmittelbar nachvollziehen. Das abendfüllende Stück hat durchaus programmatischen Charakter, aber es erzählt kein Erlebnis, sondern kündet von den großen menschlichen Fragen um Tod und Vergehen, um Lebensrückblick und verklärende Erinnerung, um Jüngstes Gericht und göttliche Gnade und schließlich von der Auferstehung. Reichlich viel für einen damals erst 34jährigen Komponisten und erst recht für eine einzige Symphonie.

Dementsprechend riesig ist der Orchesterapparat und auch Chor und Solisten kommen zum Einsatz. Es würde den Rahmen der Rezension sprengen, hier die suggestive Kraft der musikalischen Visionen Mahlers auszubreiten, vom Sog zu sprechen, dem sich kein aufgeschlossener Hörer entziehen kann, den jeder anders erlebt und aus dem niemand unverändert hervorgeht. Insofern ist Mahler stets ein Wagnis - das gilt für den Hörer, wie für den Interpreten.

An Einspielungen seiner Symphonien mangelt es nicht und gilt das Lob der Kritik auch unverändert den Interpretationen aus vergangenen Jahrzehnten (insbesondere der 60er und 70er Jahre), so belegt doch diese CD, dass musikalisch beileibe noch nicht alles zum Thema Mahler gesagt ist:
Chailly schafft mit dem Concertgebouw Orchestra, von Anfang an eines DER Mahler-Orchester, einen Farb- und Atmosphärenreichtum, der seinesgleichen sucht. Weil seine Gesamtanlage im Pianissimo wurzelt, kann er auf brachiale Einsätze verzichten, ohne die Kontraste einzuebnen. So erreicht er zudem ein Höchstmaß an Transparenz und macht Stimmen im Orchester hörbar, die ansonsten in der Klangfülle nur allzu leicht untergehen.

Am ehesten zu kritisieren ist noch sein Zugriff auf den 2. Satz. Diesem retrospektiven "Traum vom Leben" unterlegt er von Anfang an doch arg viel wehmütigen Schmelz und nimmt dadurch die Entwicklung vorweg. Dafür ist das anschließende Scherzo kongenial dargeboten, mit der ganzen Kraft des Grotesken, so dass auch das folgende Gesangssolo "Urlicht" seine bewegende Schlichtheit und Innigkeit vollkommen entfaltet. Die Mezzo-Sopranistin Petra Lang trägt das ihre dazu mit einer weichen, sauberen Tongebung bei.

Im riesigen Schlußsatz vollzieht sich das vertonte Wunder der Auferstehung nach den Schrecken des "Dies irae" dank des souveränen Prague Philharmonic Choir tatsächlich als Weg vom Dunkel zum größten Licht. Leider fehlt es der Sopranistin Melanie Diener etwas an der Strahlkraft und Stimmgewalt die hier angebracht gewesen wäre.

Aufnahmetechnisch reicht die Decca nicht an ihre besten Zeiten heran, weshalb das Klangbild ein wenig zu trocken und in digitalisierter Art glanzlos wirkt.

Dennoch: Eine unbedingt empfehlenswerte Aufnahme. Rätselhaft nur, weshalb das Label einzelne CDs des Gesamtzyklus bereits wieder aus dem Katalog gestrichen hat, obwohl noch nicht einmal alle Symphonien eingespielt sind. Aber das Verhalten der Großkonzerne gibt in letzter Zeit ja viele Rätsel auf und legt den Verdacht nahe, dass die Ambitionen durchweg mehr pekuniärer, als musikalischer Natur sind.

Repertoire: 5 Punkte
Klang: 4 Punkte
Interpretation: 4 Punkte
Edition: 5 Punkte

Gesamt: 18 Punkte

Sven Kerkhoff

 

Inhalt | Impressum | News | Reviews | Leserbriefe
zur Homepage | eMail Abo bestellen | Download aktuelle Ausgabe