Marko Hietala

Pyre Of The Black Heart


Info
Musikrichtung: Hard Prog

VÖ: 24.01.2020

(Nuclear Blast)

Gesamtspielzeit: 52:08

Internet:

http://www.facebook.com/markohietalaofficial


Schon bevor Marko bzw. Marco Hietala mit Nightwish zu überregionaler Popularität gelangte, hatte er sich mit Tarot in den Achtzigern einen guten Ruf in der geschmackssicheren Metal-Szene erspielt, wenngleich hauptsächlich bei diversen Spezialisten, da die Tarot-Scheiben nicht selten nur in Finnland und Japan erschienen. Seine musikalische Sozialisation reicht allerdings weit in die Siebziger zurück, und das macht auch sein erstes Soloalbum deutlich, das er aufnahm, als Nightwish sich eine Pause gönnten, die deren Chefdenker Tuomas Holopainen u.a. für das Debütalbum seiner Zweitband Auri nutzte. Hietala wiederum revitalisierte nicht etwa Tarot, sondern trommelte drei andere Kumpels zusammen, von denen Gitarrist Tuomas Wäinölä und Keyboarder Vili Ollila auch markant am Songwriting beteiligt waren. Zehn Songs entsprangen dieser Kooperation, die 2019 zunächst mit finnischen Texten unter dem Titel Mustan Sydämen Rovio erschienen, bevor dann auch noch eine Version mit englischen Texten erstellt wurde, die als Pyre Of The Black Heart das Licht des Weltmarktes erblickte und das titelgebende schwarze Herz auch auf dem Cover darstellt – allerdings ohne jegliche Nennung von Künstler oder Albumtitel, was die Zuordnung seitens des potentiellen Interessenten nicht eben erleichtert, wenn er im Laden durch frontal aufgereihte Regalbestände blättert.

Hat man diese Hürde allerdings genommen und wirft die CD in den Player, könnte man überrascht sein oder auch nicht. Pyre Of The Black Heart hat jedenfalls so gut wie nichts mit Nightwish und kaum was mit Tarot zu tun, sondern exhumiert die Siebziger-Wurzeln Hietalas sehr deutlich, wenngleich in einer durchaus modernen Umsetzung. Der Sänger und Bassist nennt das selbst „Hard Prog“ und hat damit durchaus recht. Bisweilen denkt man an die frühen Pain Of Salvation oder an Riverside, und hier und da ist auch der düstere Einschlag des ersten Tarot-Albums im neuen Jahrtausend, Crows Fly Black, zu vernehmen, jedoch ohne dessen starke Metalkante. Wäinölä evoziert zwar durchaus auch kräftigeres Riffing, aber dieses bildet nicht den Fokus des Schaffens, wobei „Star, Sand And Shadow“ gitarrenseitig auch von Emppu Vuorinen hätte gestaltet werden können, wenngleich mit etwas weniger Achtziger-Metal-Feeling. Bisweilen kratzt das Material an der Doom-Grenze, etwa im Refrain von „Dead God’s Son“, überschreitet diese allerdings nicht dauerhaft, sondern spielt eher mit der Herangehensweise von Black Sabbath in den Achtzigern, etwa bereits im kapitalen Opener „Stones“, zu dem auch ein Video entstand und diesem mit einem sehr merkfähigen und doch erfreulich unplatten Refrain ausgestatteten Song zu einiger Bekanntheit verhalf. Überhaupt merkt man Hietala seine Erfahrung im Gestalten eingängiger Passagen, die trotzdem einen gewissen Grundanspruch nie unterschreiten, deutlich an – die Refrains des schleppend-fragilen „The Voice Of My Father“ oder des erwähnten „Dead God’s Son“ legen eindrucksvoll Zeugnis von seinen diesbezüglichen Fähigkeiten ab. Dass er sich zugetraut hat, alle zehn Songs auch ins Liveprogramm aufzunehmen, spricht für sein Selbstvertrauen, und zumindest in Leipzig wurde dieses auch gerechtfertigt, da selbst die düstere Halbballade „For You“, mit reichlich sieben Minuten der längste Song der Scheibe, sich als konzertfähig erwies, ohne den Stimmungsboden in Richtung des Hallenfußbodens kippen zu lassen. Hier wie auch in diversen anderen Nummern zeigt Hietala zugleich, dass er, obwohl er seine Siebziger-Wurzeln weder verleugnen kann noch will, auch neueren Methoden der Klangerzeugung zugeneigt ist, spielt in der ersten Hälfte doch hintergründige Elektronik eine Rolle, was sich im Intro von „Star, Sand And Shadow“ bis zu Andeutungen von Achtziger-Dancemotivik auswalzt, bevor der Song dann wie erwähnt in andere Gefilde wechselt, was auch „For You“ tut, dessen zweiter Teil angedüsterte Pink Floyd oder andere Atmosphäriker ins Gedächtnis ruft. Ollila holt dort die gute alte Hammond aus dem Schrank, agiert generell allerdings sehr vielseitig und wechselt gleich im folgenden „I Am The Way“ ans klassische Grand Piano, das zusammen mit Kunststreichern auch die großen Doomteile in diesem Song prägt, während rings herum abermals angedüsterte Modernität herrscht.
Wer das Gefühl nicht loswird, danach täte etwas mehr Tempo der Scheibe gut, der wird mit „Runner Of The Railways“ bestätigt – der kürzeste Song der Scheibe ist zugleich auch der schnellste, wenngleich man das hier im Kontext relativ sehen muß: Drummer Anssi Nykänen darf nur im Solo mal kurz richtig auf Speedtempo schalten, was man zwar zuvor schon mehrfach erwartet, aber nicht geboten bekommen hat, wobei der Folk-Touch samt Geigenthema diese vielschichtige Nummer markant prägt, wenngleich das zwar grundsätzlich ähnliche, aber doch eine andere Marschrichtung verfolgende „Last Of The Wilds“ unerreicht bleibt, was auch nicht Sinn und Zweck gewesen sein dürfte. „Death March For Freedom“ wiederum hätte allein vom Titel her Optionen geboten, an Amon Amarth zu erinnern oder aber konsequent in den Doom zu wechseln – Hietala tut beides nicht, sondern erschafft einen eigenartigen Zugang zum AOR mit einerseits deutlicher Achtziger-Kante, andererseits aber auch moderner Herangehensweise, was wie erwähnt vom Grundsatz her auch auf die kompletten 52 Minuten Musik zutrifft: Man hört die Wurzeln des Protagonisten, aber auch die seiner (jüngeren) Mitstreiter, und beide Parteien kleben nicht sklavisch an ihnen. In „I Dream“ lugen Type O Negative um die Ecke, aber imitiert werden sie natürlich nicht – da ist schon Hietalas Stimme vor, die natürlich auch auf dieser Scheibe jederzeit identifizierbar bleibt, egal ob der Barde klare düstere oder höhere angerauhte Klänge aus seiner Kehle holt. Wie beim 2020er Gig in Leipzig schließt auch auf der Konserve die streicherausstaffierte Ballade „Truth Shall Set You Free“ das Programm ab.
Die 52 Minuten zu mögen fällt nicht schwer, wenn man weiß, worauf man sich einläßt – der Prog-Anteil im Hard Prog führt nicht zu Unzugänglichkeit, und nur das „Hard“ muß man etwas relativieren bzw. einklammern, wenngleich auch der Freund kerniger Gitarrenarbeit zumindest hier und da bedient wird und nur der Speedfreak so gut wie komplett leer ausgeht. An den technischen Komponenten gibt es jedenfalls ebensowenig was zu deuteln wie an den Zeugnissen der Kreativität generell, und so ist’s hochgradig bedauerlich, dass sich Hietala 2021 ins Privatleben zurückgezogen hat. Aber vielleicht juckt es ihn irgendwann ja doch mal wieder in den Fingern (erste Anzeichen dafür gab es 2022 bereits) – bis dahin bietet Pyre Of The Black Heart mancherlei reizvollen Stoff für eher düstere Jahreszeiten (zum fröhlichen Herumpogen auf sommerlichen Baggersee-Festivals ist das wie beschrieben nichts – dafür müßte ein Nightwish-Sampler mit „Last Of The Wilds“, „Moondance“, „The Riddler“, „Scaretale“, „I Want My Tears Back“ und „Last Ride Of The Day“ her).



Roland Ludwig



Trackliste
1Stones5:15
2The Voice Of My Father4:37
3Star, Sand And Shadow5:01
4Dead God's Son4:12
5For You7:11
6I Am The Way5:06
7Runner Of The Railways3:51
8Death March For Freedom5:02
9I Dream5:38
10Truth Shall Set You Free5:43
Besetzung

Marko Hietala (Voc, B)
Tuomas Väinölä (Git)
Ville Ollila (Keys)
Anssi Nykänen (Dr)



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