Händel, G. F. (Corti, F.)

Winged Hands - The eight great Suites & Overtures


Info
Musikrichtung: Barock Cembalo

VÖ: 04.03.2022

(Arcana / Outhere / 2 CD / DDD / 2021 / Best. Nr. A499)

Gesamtspielzeit: 147:00



BEFLÜGELND!

„Winged Hands“ – „Geflügelte Hände“ ist dieses Album mit G. F. Händels acht Suiten für Cembalo übertitelt. Wie überaus passend! Denn wenn man hört, wie der Cembalist Francesco Corti hier auf die Klaviatur seines Instruments tanzt, gleitet, surft und springt, ist man wirklich geneigt zu glauben, dass sein Hände von Fittichen über die Tasten getragen werden. Solches wurde weiland auch Meister Händel nachgesagt, dessen legendäre Virtuosität bei manchen Hörenden Zweifel weckte, ob dies denn noch alles mit rechten Dingen zugehe.

Für seine Interpretation – oder vielleicht sagt man angesichts der barocken Pracht besser: Inszenierung – hat sich Corti von den verschiedenen erhaltenen Quellen und der Aufführungstradition inspirieren lassen. Die wenigen notierten Zeugnisse von original händelscher und anderer historischer Improvisations- und Verzierungskunst eröffnen dem Interpreten ein weites Feld an authentischen Möglichkeiten, die von eher diskreten Manieren bis hin zu exuberanten Ausstattungen reichen. Er selbst gesteht, dass darüber hinaus u. a. die Übermutter des modernen Cembalospiels, die Russin Wanda Landoswka, hier und da ihre Spuren hinterlassen habe.

Corti schafft es, einen den anatomisch-mechanischen Vorgang der Klangerzeugung vergessen zu lassen. Manche besonders reich ausgezierten Stücke wie das überdreht strudelnde Presto aus der 3. Suite haben in den finalen Steigerungen fast schon etwas Gischtendes. Die Variationen der Passacaille der 7. Suite türmen sich zu gravitätischen Fantasiearchitekturen auf, als majestätisches Gegenstück zur Ouvertüre der selben Suite, deren geschraubte und brüsk gehämmerte Texturen Corti mit quasi-elektrischem Knistern entfesselt.
Solche Akrobatik macht um so mehr Spaß, weil Händel zum einen den gediegenen deutschen Kontrapunkt beherrscht, die Musik also per se Substanz hat und sich nicht in oberflächlicher Brillanz und Effekten erschöpft (zum Vergleich höre man die ebenfalls auf dieser Doppel-CD enthaltenen Händelparaphrasen von Händels Zeitgenossen William Babbell, die vor allem auf den virtuosen Thrill setzen, aber nicht so nachhaltig im Ohr bleiben).
Zum anderen tritt neben die vollgriffige konzertante Hochspannung der Ecksätze und schnellen Stücke immer wieder elegante Durchsichtigkeit und entspannte Versenkung in den ruhigeren Binnenteilen der Suiten. Faszinierend ist Händels Kunst, die nationalen barocken Schulen und Stile ganz natürlich zu verschmelzen und in mindestens vier musikalischen Sprachen gleichzeitig zu sprechen, ohne das Kauderwelsch herauskommt. Als Intermezzi fungieren noch Transkriptionen diverser Opernouvertüren Händels, bei denen seine Autorenschaft zwar nicht ganz so eindeutig ist, die aber doch deutlich von seiner Könnerschaft zeugen und überdies das Hörvergnügen weiter befeuern.

Der Nachbau eines historischen Cembalos des Hannoveraners Christian Vater von 1738 adelt diese Einspielung durch seinen satten, extrovertiert rauschenden Klang, der durch Juwelenglitzern in den hohen Registern veredelt wird. Ein durchweg beflügelndes Hörerlebnis!



Georg Henkel



Trackliste
Cembalosuiten HWV 426-433 (1720)

Rodelinda-Ouvertüre HWV 19 für Cembalo; Il Pastor fido-Ouvertüre HWV 8 für Cembalo; Radamisto-Ouvertüre HWV 12 für Cembalo; Teseo-Ouvertüre HWV 9 für Cembalo

William Babell: First Set F-Dur (Auszüge)
Besetzung

Francesco Corti, Cembalo nach Christian Vater, Hamburg 1738 


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