GULFH of Berlin
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Erneut liegt mir eine Veröffentlichung vor, für die der 1957 geborene Gebhard Ullmann mitverantwortlich zeichnet. Immer wieder schien es den Musiker zu reizen, seine Vorstellungen von Jazz in unterschiedlichen Projekten in Angriff zu nehmen, immer unter Einbeziehung verschiedener Stilelemente, in kleinen und auch großen Formationen. So unter anderem auch mit "Basement Research", 1993 gegründet, zuletzt stellte ich Impromptus And Other Short Works vor.
Diese Platte als auch mikroPULS, in anderer Formation, konnten mich sehr überzeugen. Und nun geht es weiter mit GULFH of Berlin. Die Veröffentlichung dieser Platte stellt für den Saxofonisten etwas Besonderes dar. Denn in jungen Jahren waren die Veröffentlichungen des legendären Plattenlabels ESP Disk (unter anderen Albert Ayler veröffentlichte dort) maßgeblich an seiner musikalischen Ausrichtung beteiligt. Ja, und nun, zum 65.Geburtstag des Musikers im November diesen Jahres, ist GULFH of Berlin ebenda auf jenem Label erschienen,als ein Geburtstagsgeschenk vorab.
Es kann losgehen, ich zitiere mich vorab selbst, aus der Rezension zu "Impromptus And Other Short Works": Und so geht es weiter mit anderen Songs, die mich erinnern an Musik von Albert Ayler, Archie Shepp oder das Art Ensemble Of Chicago.. Na, da schien der Weg bereits vor drei Jahren geebnet zu ESP Disk, der Kreis scheint nun geschlossen.
Saxofon, Posaune, Bass und Schlagzeug, das deutet grundsätzlich erst einmal in Richtung Jazz, wie man ihn kennt. Doch wer die Musik von Gebhard Ullmann kennt, wird wissen, dass es hier mitnichten traditionell zugehen wird. Und nicht nur, dass auch noch Bassklarinette, Sousaphone und Cello zum Ansatz kommen, da lese ich im Line-up doch noch zusätzlich, dass sich der Drummer mit "objects" beschäftigt und dass Michael Haves, der fünfte im Bunde, der kein Instrument spielt, mit seinem "live sound processing" wohl auch noch etwas beigetragen hat. Und so entstand genau das, was ich vermutete - Jazz der individuellen Art, und wiederum anders als die letzten Veröffentlichungen. Zwar wird auch hier in der Regel improvisiert und die Kompositionen entstehen insofern aus dem Augenblick, aber speziell durch Sousaphone und das "processing" wird etwas hinzugefügt, dass schon fast Jahrzehnte zu verbinden scheint, das Sousaphone aus Anfangstagen des Jazz und moderne Elektronik.
Trotz aller Freiheit ist es für mich kein typischer Free Jazz, Avantgarde mag der rechte Ausdruck sein, oder? Jeder einzelne Song ist in seiner Ausführung unberechenbar, läßt stets neue Strukturen entstehen, die ohne Frage jeden Hörer/jede Hörerin fordern. Schnell werden Einige abspringen, weil es zu sperrig erscheinen mag. Doch ich empfinde nichts Sperriges, vielmehr sehr viel Entgegenkommendes. Denn - die Musik zwingt zur Öffnung, nicht auf verkopfte und sachlich-nüchterne Art und Weise, sondern emotional, energetisch, humorvoll bisweilen und frech, auf jeden Fall. Manchmal muss ich beim einen oder anderen Song auch an das Willem Breuker Kollektief denken, ja, dass passt durchaus...
Einzelne Songs herauszustellen, ist nicht erforderlich, denn ich empfinde die Ansammlung der zehn Stücke als Gesamtwerk. Ich versuche, mir ein Kunstwerk vorzustellen, sei es ein Gemälde oder eine Skulptur, vielleicht auch ein Kurzfilm. Jeder Song ist Teil dieses Werkes, und die Farben oder Formen werden geschaffen durch die jeweiligen Instrumente. Diese malen oder formen Teile des Ganzen und ich kann im Geiste mitmalen. Sehr interessant ist es, wenn sich wie bei "Serenade" mitten im Song swingende Passagen entwickeln, die allmählich mit einem drohnenhaften elektrischen Dauerton in eine Richtung schweben, die entweder an Tinnitus oder elektronische Klangexperimente der Sechziger erinnern.
So etwas ist belebend und läßt die Vielfalt der Musik gedeihen und kräftig blühen. "Prisoner's Dilemma", hier scheint nach etwas verloren Gegangenem gesucht zu werden, ich empfinde das so. Bis dann der "Mann aus dem Himmel" fällt und die Musik in Richtung klassischen Jazz' der Sechziger zu entfliehen scheint, hier sind es Free Jazz-Passagen, ich vernehme Anklänge an Brötzmann, klar - an Ayler, aber auch ein Hauch Sonny Rollins könnte integriert sein. Das Saxofon ist jedenfalls mit sehr kraftvollem Ausdruck belegt, das "processing" wiederum schlägt den Bogen zur Moderne. Diesen Song halte ich für einen der Besten des Albums, denn dieser Ausdruck ist berührend und mitreissend. Nun, schließlich sind das alle Songs. Die Geschichte des Jazz ist mit GULFH of Berlin weder neu geschrieben worden noch um Wesentliches erweitert worden, aber die Band hat es vollbracht, hiermit eine sehr wichtige Platte zu veröffentlichen, die sich mit ihrer facettenreichen Nutzung der Stilelemente und der Instrumente sehr zum Hören empfiehlt, weil es einen Zugewinn bedeutet.
Wolfgang Giese
Trackliste |
1 Nether (5:00)
2 K3 (3:21)
3 Joja Romp (4:45)
4 GG (2:28)
5 Tellus (4:43)
6 Serenade (4:01)
7 Prisoner's Dilemma (4:06)
8 Mann aus dem Himmel (2:59)
9 5 Elements (5:00)
10 Jeton (7:03)
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Besetzung |
Gebhard Ullmann (tenor saxophone, bass clarinet)
Gerhard Gschlössl (trombone, sousaphone)
Johannes Fink (double bass, cello)
Jan Leipnitz (drums, objects)
Michael Haves (live sound processing)
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