Südamerika im Leipziger Werk II, Teil 1: Doctor Krapula
Als Band aus Südamerika im Winter durch Europa zu touren erfordert üblicherweise etwas temperaturtechnisches Durchhaltevermögen, wenn man nicht gerade sein übliches Domizil in Feuerland oder auf dem patagonischen Inlandeis hat. Doctor Krapula freilich siedeln in Kolumbien, und wenn sich ihr Proberaum nicht gerade in einer der dortigen Tieflandsregionen befinden sollte, sondern z.B. in der Hauptstadt Bogotá, dann sind sie aufgrund der Höhenlage auch kältere Temperaturen gewöhnt. Vor diesbezügliche Belastungsproben werden sie Ende Februar 2020 in Deutschland allerdings sowieso nicht gestellt, endet der Winter doch genauso, wie er begonnen hat, nämlich mit zweistelligen Plusgraden, und Booker Stefan erzählt, am Tag des Leipzig-Konzerts habe man in der Sonne durchaus geschwitzt. Ins Schwitzen kommt das Publikum während des Konzertes im Werk II auch – aber das muß auch so sein, denn schließlich spielen Doctor Krapula äußerst bewegungsfördernde Musik, und es dauert nach dem Intro gar nicht lange, da ist bis auf einige wenige Menschen, die links und rechts des Mischpultblocks an den Tischen sitzen, das komplette Auditorium im vorderen Teil der Halle versammelt und schwingt zu „Exigimos“ das Tanzbein, wozu diese flotte Nummer auch bestens geeignet ist, wenngleich das Quintett auch mit gemäßigtem Tempo zu überzeugen weiß, wie die nächsten Songs unter Beweis stellen, wobei „Buscanod El Amor“ fast zur doomigen Metalhymne gerät, mit dieser Stilistik allerdings ein Einzelkämpfer im Set bleibt. Der ist allerdings auch so recht bunt zusammengesetzt: Rock, Punk, Ska, Reggae, alles findet sich, nur der in der Konzertankündigung genannte Hip Hop bleibt aus. Fürs südamerikanische Lokalkolorit sorgen neben Songs mit regionaler Umweltschutzthematik (dafür sind Doctor Krapula bekannt und haben es irgendwie geschafft, noch nicht erschossen zu werden, wenn sie mit einem Projekt mal wieder irgendeinem Großen Kolumbiens in dessen dreckiges Handwerk gepfuscht haben – statt dessen wurden sie vom Nationalkongreß ihres Heimatlandes sogar mit einer hohen Ehrung bedacht) speziell die mit Cumbia-Anleihen, also einem Tanz aus der Salsa-Verwandtschaft, für deren Wiedergabe der Gitarrist zur Akustischen greift, aber nicht weniger Druck macht als in den rockenden Nummern. Für den melodischen Aspekt sorgt allerdings im wesentlichen der Keyboarder, der leider vom Soundmann relativ lange ein wenig zu stiefmütterlich behandelt wird und sich erst schrittweise auch außerhalb von Intros, Themenmelodien etc. stärker entfalten darf, wohingegen die Aufgabe, den Bassisten klanglich ins Gesamtbild einzupassen, bis zum Setende nicht so richtig gelöst werden kann – dass der rockende Hauptsetcloser „Amazonas“, zu dem der Basser seinen Baß weglegt und ans Frontmikrofon wechselt, instrumentensoundlich kaum anders klingt als der Rest des Sets, spricht diesbezüglich Bände. Das Kuriosum ist nun aber, dass dieser Umstand zwar dem Groovefaktor abträglich ist, dem Tanzbarkeitsfaktor aber ganz und gar nicht – im Publikum herrscht die ganze Zeit über intensive Bewegung, auch der Rezensent hüpft fröhlich mit durch die Gegend, und da die Halle nur zu einem Drittel gefüllt ist, bleibt für solche Aktivitäten auch genügend Platz, wenngleich man der Band natürlich ein volles Haus von Herzen gegönnt hätte. Es ist übrigens ihr dritter Gig in Leipzig, und ein guter Teil der Besucher scheint zur hiesigen spanischsprachigen Gemeinde zu gehören: Der Sänger hält seine Ansagen fast durchgehend in Spanisch, und viele der Anwesenden verstehen ihn offenbar, während dem dieser Sprache nicht mächtigen Rezensenten das alles spanisch vorkommt und er sich daher freut, dass der Gitarrist zumindest einige der Ansagen ins Englische übersetzt. Die Stimmung in der Halle ist jedenfalls prächtig, und so kommen Doctor Krapula ohne vier Zugaben auch nicht davon, von denen die letzte, „Bombea“, nochmal einen feist rockenden Höhepunkt unter die reichlich anderthalbe Stunde intensiver wie interessanter Musik setzt. Wenn die Leipziger linke Szene mal konstruktive kulturelle Unterstützung für solche Klassenbrüder (jawohl!) leisten würde, anstatt Spiegelfechtereien wie die Umbenennung einer Ernst Moritz Arndt gewidmeten Straße in eine Hannah Arendt gewidmete zu betreiben oder Baukräne anzuzünden, müßte die Hütte beim zu erhoffenden vierten Doctor-Krapula-Gig in der Messestadt eigentlich brechend voll sein ... Setlist Doctor Krapula: Intro Exigimos No Te Vayas El Peligroso Buscanod El Amor Rock The Casbah Tauricida Ilegal El Pibe Selva Cumbia El Soñador Bogogo Seinekvn Amanece Mr. Danger Amazonas -- Democracy Mi Sol DRK Presente Bombea Roland Ludwig |
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