Blondes Feuer: Siena Root mit Jail Job Eve in Jena
Siena Root bildeten vor einer knappen Dekade den Grund, weshalb die Cosmic-Dawn-Crew mit dem Veranstalten von Konzerten begann, und sie finden immer wieder einmal den Weg nach Jena, so auch an diesem Dienstagabend im Rahmen ihrer aktuellen Tour, auf der sie nicht mit lokalen Supports spielen, sondern auf der ganzen Reise die gleiche Truppe dabeihaben: Jail Job Eve passen, so stellt man später fest, stilistisch so gut zum aktuellen Siena-Root-Sound, dass diese Wahl nur logisch erscheint, bekommt der Anhänger des Hauptacts den Klang seiner Lieblinge so doch gleich zweimal serviert. Das soll freilich nicht bedeuten, dass die Osnabrücker die Stockholmer etwa kopieren würden – sie bemühen sich durchaus um Eigenständigkeit. Aber sie siedeln ebenso im klassischen Seventies-Rock, legen viel Wert auf die Hammondorgel und besitzen eine starke eindringliche Sängerin. Im Direktvergleich agieren sie aber weniger rockig, wählen nicht selten recht weit unten liegende Tempi und stellen die Gitarre zumindest im Soundgewand dieses Abends doch relativ weit nach hinten, obwohl ansonsten viel akustischer Druck herrscht und der Gesamtsound sogar einen Tick zu laut ausfällt, obwohl er schön klar bleibt. Schon „Dangerous Eyes“ an Position 2 schraubt allerdings das Tempo in die Nähe von Doomgefilden herunter, ohne diese jedoch zu betreten, und auch das Fach der düsteren Halbballade beherrscht das Quintett. Aber da stehen keine Trauerklöße auf der Bühne, zumal sich die Sängerin als sympathische Plaudertasche entpuppt, die das Publikum im Nu um den Finger wickelt. Bestes Beispiel: In Song 3, „Nothing To Lose“, baut die Band, von der in Jena vorher vermutlich nahezu niemand auch nur einen Ton vernommen hat, ein ausgedehntes Mitsingspiel ein, und die Anwesenden lassen sich gern darauf ein, so dass es nicht die einzige Aktivität dieser Art im sieben Songs umfassenden Set bleibt. Der speist sich im wesentlichen aus dem aktuellen Album der Band namens The Mission, und dessen Titeltrack, der das Tempo mal wieder etwas nach oben schraubt, schließt den Set der Niedersachsen auf hohem Niveau ab, so dass angemessener Applaus die Leistung des Quintetts belohnt, dessen Instrumentalisten übrigens allesamt bemützt agieren, allerdings in drei verschiedenen Ausprägungen: Der Basser trägt einen Hut, der Gitarrist ein Basecap, der Keyboarder und der Drummer jeweils ein Exemplar in schirmmützenartiger Ausprägung. Wer sich oben über die Bemerkung gewundert haben sollte, dass das Vorhandensein einer starken eindringlichen Sängerin Parallelen zwischen Jail Job Eve und Siena Root aufzeigen soll, der sieht sich schnell aufgeklärt, wenn er die schwedische Formation die Bühne entern sieht: Statt des Quartetts mit vier singenden Instrumentalisten agiert da jetzt nämlich ein Quintett mit Lisa Lystam als fünfter Person, die gasthalber das Frontmikrofon besetzt, zum ersten Mal in Jena auftritt und auch in der aktuellen Single der Band, „In The Fire“, zu hören (und im zugehörigen Video zu sehen) ist. Die Sängerin sieht so aus, wie man sich eine schwedische Frau archetypisch vorstellt (also vor allem blond), und ist vom körperlichen Wuchs her eher klein, besitzt dafür aber eine Riesenröhre, die sie zur Freude der Anwesenden in verschiedensten Intensitätsstufen einzusetzen imstande ist und damit auch die Songs noch veredelt, in deren Studiofassungen sie gar nicht zu hören ist. Mundharmonika spielen kann sie auch noch und bildet somit einen bedeutsamen Bestandteil der aktuellen Bandinkarnation. Dem Western-Intro folgt ein nicht offiziell, aber faktisch zweigeteilter Set aus sieben überwiegend eher kompakten und fünf tendenziell ausladenden Nummern, wobei die drei Opener „Dreams Of Tomorrow“, „Tales Of Independence“ und „There And Back Again“ erstmal allesamt recht flott ins Ziel kommen, bevor das uralte „Above The Trees“, vom 2004er Debütalbum der Band stammend, das Tempo erstmals massiv herausnimmt, was dann in der zweiten Sethälfte beginnend mit „In My Kitchen“ deutlich häufiger geschieht, wobei in den ausladenden Arrangements allerdings sowieso grundsätzlich eine große Vielfalt herrscht. Noch im ersten Teil spielt die Band auch die oben erwähnte neue Single, die gerade erst vor einer Woche veröffentlicht worden ist, sich beim Publikum allerdings schon überraschend großer Bekanntheit zu erfreuen scheint, wie aus dem allgemeinen Jubel zu schließen ist. Der Rezensent überlegt hin und her, woran ihn das markante Hauptthema erinnert – bis zum Rezensionszeitpunkt eingefallen ist es ihm allerdings noch nicht, und alle Hinweise von anderen Menschen, von Santanas „Soul Sacrifice“ bis zur „Magnum“-Titelmelodie, haben bisher nicht helfen können, die richtige Verknüpfung im Hirn herzustellen. Vielleicht löst sich das Rätsel ja irgendwann noch – aber auf die grundsätzliche Einschätzung des Gigs als sehr lohnend hat dieser Umstand ja sowieso keinen Einfluß. Die „Roots Rock Pioneers“, als die sich die Schweden in einem ihrer Klassikersongs, der natürlich auch in der Setlist steht, bezeichnen, liefern jedenfalls hervorragende Musik ab und bauen gelegentlich auch noch eindrucksvolle Showelemente wie brennende Drumsticks oder eine Flammenwand auf (!) der Hammondorgel ein, ohne dass das wie ein Dreivierteljahr zuvor bei Jex Thoth eher unglücklich und bemüht wirkt. Hier hat alles Hand und Fuß, die Band agiert sympathisch, unterstützt auch durch ein sehr klares Klanggewand, und das Auditorium gibt sich natürlich mit dem Hauptset nicht zufrieden und bekommt noch einen Zugabenblock vorgesetzt, der mit The Frees „Fire And Water“ nicht passender beginnen könnte. In dieser Form (und dieser Besetzung) dürfen uns die seit reichlich zwei Dekaden aktiven Stockholmer gerne noch lange erhalten bleiben und regelmäßig beehren. Roland Ludwig |
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