Schiller
Morgenstund
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Schiller, das ist eigentlich Christopher von Deylen. Der am 15. Oktober 1970 in Visselhövede geborene Musiker, Musikproduzent und Komponist hat unter dem Namen Schiller sein Musikprojekt ins Leben gerufen. Seit nunmehr gut 20 Jahren gilt der Mann als angeblich wegweisend und stilbildend in der elektronischen Musik.
Unter dem Titel Morgenstund hat von Deylen nun sein neues Album vorgelegt. Erhältlich ist es in folgenden Versionen: 2 LP, Ultra Deluxe (6CD/Blu-ray), Super Deluxe (4CD/Blu-ray) und Deluxe(CD/Blu-ray). Letztgenannte Version liegt mir vor.
Als hätte ich eine Meditations-Platte eingelegt, startet die Platte mit meditativen Synthie-Klängen, und eine ruhig ausgelegte Frauenstimme spricht eine Einleitung: „Guten Abend. Herzlich willkommen in der neuen Welt von Schiller. Schließen Sie die Augen. Entspannen Sie sich. Willkommen, in der neuen Welt von Schiller.Das dauert etwa sechsunddreißig Sekunden, dann gleitet man nahtlos über in den zweiten Titel, “Harmonia“. Das ist ein Trip in die Welt des New Age, oder? Oder hatte Klaus Schulze seine Finger im Spiel? Doch rasch wird man in dieser Hinsicht aus dem meditativen Traum gerissen, denn ein gewisser Mike Rutherford fügt typische Gitarrentöne ein, hintergründig an- und abschwellend, und dazwischen blubbern die Synthies, sowie legen diese einen dichten und breiten Klangteppich aus. Das rumpelnde Schlagzeug lässt ebenfalls eine vermutete Ruhe nicht zu. Nach etwa fünfeinhalb Minuten ebbt das ganze Klanggebilde dann langsam ab und hinterlässt bei mir Lücken. Lücken dahingehend, was mir dieser Song nun tatsächlich gebracht hat. Nun, keine Ruhe und Meditation, dazu war es zu unruhig im Gesamtbild. Auch keine aufregende Unterhaltung, denn das, was schließlich vom Protagonisten als auch von Rutherford eingeflochten wurde, ist einfach relativ belanglos und langweilend.
Also geht die Suche nach interessanten Aspekten weiter. Denn die Besetzungsliste lässt auf die eine oder andere positive Überraschung hoffen. Nehmen wir zum Beispiel den Song “Das Goldene Tor“. Hier schlägt die persische Sängerin und Dotar-Spielerin Yalda Abbasi auf. Also ein Versuch, verschiedene Kulturen zusammenzubringen? Nun, zumindest in der relativen und oft vorherrschenden Eintönigkeit der Elektronik ist das ein warmer und emotionaler Moment, wenn sich der Klang des persischen Saiteninstruments (leider viel zu kurz) einbringt und Abbasi in ihrer Landessprache singt. Letztlich gehen diese Augenblicke einfach unter in der fetten Klangwand voller wattig-weicher Elektronik, die sehr aufgeblasen wirkt. Das gleiche gilt für den nächsten Versuch eines kulturellen Schulterschlusses, “Berlin Tehran (Miniatur)“, hier hätte das Thema gut ausgebaut werden können, anstatt es als Miniatur bei gut 50 Sekunden zu belassen.
Und hier komme ich zu einem Punkt, der mich assoziieren lässt. Unter anderem bin ich aufgewachsen mit den Pionieren der elektronischen Musik, exemplarisch genannt seien zunächst Tangerine Dream, Edgar Froese und Klaus Schulze. Ihrer Musik war stets gemein, dass sie aufregend war, dass man gespannt war, was „hinter der nächsten Ecke“ lauern könnte. So etwas vermisse ich hier eindeutig. Auch wirklich emotional packende und romantische wie auch spirituelle Passagen, wie sie zum Beispiel der Japaner Kitaro mit seiner Musik geschaffen hat, sind hier Fehlanzeige. Seine Alben “Kojiki“, “Spiritual Garden“ oder “Oasis“ möchte ich beispielhaft als Referenzen heranziehen. Die Musik, wie sie von Schiller komponiert und gespielt wird, ist mitnichten keine schlechte Musik, ich will damit lediglich zum Ausdruck bringen, dass sie für mich wesentlich weniger berührend ist als oben genannte Gegenbeispiele.
“In Between (feat. Jan Blomquist“) erinnert mich an Musik von Robert Miles (”Children”), der es verstanden hatte, seine elektronischen Ausprägungen tanzbarer und ausdrucksstärker vorzutragen. Und so ist auf jeden Fall hinsichtlich der Beteiligung mehrerer Künstler aus verschiedenen Genres als auch Kulturkreisen eine letztlich objektiv betrachtete gelungene Melange geschaffen worden, die jeden Fan mit Sicherheit begeistern wird. Doch das ist genauso subjektiv wie mein Empfinden dazu. So wird jeder Fan von Nena begeistert sein, dass die Dame ihren gesanglichen Beitrag in ihrer typischen Art auf „Morgenstund“ leistet. Das klingt ja ganz nett, wahrscheinlich könnte man das auch in die Charts schicken, und ein wenig tanzbar ist es dann auch noch. Viel Bewegung besitzt allerdings nicht die Melodie. Nun ja, man kann ja noch warten bis zum letzten Song, “Love (feat. Rebecca Ferguson)“. Das in London aufgenommene Stück jedenfalls präsentiert die beste Gesangsleistung des Albums. Zu den arabischen Klängen der Instrumente Ney und Santur schmiegt sich die Lady elegant und sehr ausdrucksstark in das Stück ein. So kann kraftvoller Gesang klingen! Und in der Tat sind es hier die weiteren fusionierenden Elemente, die das letzte Stück zu dem für mich wichtigsten gestalten. Die Keys sind hier nicht übermäßig präsent, der leicht schleppende Rhythmus verfügt auch über einen coolen und entspannten Ausdruck, die verschiedenen Zutaten passen doch sehr gut zusammen. Für mich insofern ein versöhnender Abschluss.
Leider habe ich derzeit keine Möglichkeit, zu den Aufnahmen der Blu-ray Stellung zu nehmen, es fehlt die Abspielmöglichkeit, also nur so viel: Die Blu-ray Disc präsentiert sich im Dolby Atmos-Surround-Mix. Auf der Blu–ray befindet sich sowohl eine Dolby Atmos 7.1.4-Abmischung als auch eine klassische 5.1 Surround Version des kompletten Albums.
Wolfgang Giese
Trackliste |
CD:
1 Willkommen
2 Harmonia
3 Universe (feat.Tricia McTeague)
4 Dreamcatcher (feat.Jhyve)
5 Baum des Lebens
6 Avalanche (feat. Schwarz)
7 Das Goldene Tor (feat. Yalda Abbasi)
8 Berlin Teheran (Miniatur)
9 In Between (feat. Jan Blomquist)
10 Morgenstund (feat. Nena)
11 Shangri La
12 Lichtjahre (feat. Giorgio Moroder)
13 New Day (feat. Schwarz)
14 Over You
15 Morgenstern (Ausschnitt) (feat. Tangerine Dream)
16 Love (feat. Rebecca Ferguson)
Blu-ray:
VOYAGE: PANTA RHEI:
1 Aurora
2 Kronos
3 Poseidon
4 Shangri La
5 Aphrodite
MORGENSTUND IN SURROUND:
1 Willkommen/Harmonia
2 Universe
3 Dreamcatcher
4 Baum des Lebens
5 Avalanche
6 Das goldene Tor/Berlin Tehran (Miniatur)
7 Morgenstund
8 Die Farben der Nacht
9 Lichtjahre
10 Shangri La
11 New day
12 Over you
13 Morgenstern
14 Love
HINTER DEN KULISSEN:
1 Im Studio bei Genesis
2 Santuraufnahmen, Tehran
3 Gitarrenaufnahmen, London
4 Elektronikaufnahmen, Berlin
5 Persische Nächte
6 Vier Uhr Zwanzig
7 Morgen kann so viel passieren
MORGENSTUND VIDEOS:
1 Universe
2 Das Goldene Tor
3 Shangri La
4 New Day
5 Berlin Tehran
EXTRAS:
1 Klangwelten: Behind The Scenes
2 Photoalbum: Persia
3 Photoalbum: Klangwelten
MORGENSTUND , WALL OF FRIENDS
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Besetzung |
Schiller (keyboards)
Scott McKeon (guitar - #3, 6, 16)
Mike Rutherford (guitar - #2)
Gary Wallis (drums - #2, 6, 13, 16)
Doug Wimbush (bass -#3, 6, 16)
Dr. Pirooz Arjmand (ney - #2, 16, daf - #8)
Yalda Abbasi (vocals, dotar - #7)
Andreas Fröhlich (recitation - #10)
Giorgio Moroder (melody sequence - #12)
Niloofar Parsa (hafis-recitation - #7)
Thorsten Quaeschning (electronics - #15)
Oliver Rohrbeck (recitation – #4, 6, 15)
Pouya Sarai (santur - #8, 16)
Windy Wagner (add. voice - #3, 6, 14)
Nena, Jhyve, Rebecca Ferguson, Schwarz, Tricia McTeague, Yalda Abbasi (vocals)
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