Die Symphonic Metal Nights in Glauchau schlagen Scooter und Andreas Gabalier
Symphonic Metal Nights nennt sich dieses Package, das sich hauptsächlich aus Künstlern von Napalm Records speist – mit Ausnahme der Opener Evenmore, die auch ein klein wenig aus dem stilistischen Rahmen fallen: Klar, der Symphonic-Einschlag ist auch bei ihnen nicht zu überhören, selbst wenn sie aktuell keinen Keyboarder mehr in der Besetzung haben und dessen Parts daher vom Band einspielen. Aber ihr Originalitätsfaktor bemißt sich aus dem Folkelement: Sie haben einen festen Bläser in der Besetzung, der neben Flöten verschiedener Größe auch einen Dudelsack spielt, bisweilen auch mehrere Instrumente innerhalb eines Songs, so dass er fleißig am Wechseln ist. Sein Mitwirken schiebt den Evenmore-Sound logischerweise in Richtung Folk Metal, wobei es gar nicht so einfach ist, den Metalteil selbst einzusortieren: In den nur fünf Songs, aus denen der Bandset besteht, findet sich durchaus einiges an Vielfalt. Kommt der Opener noch eher geradlinig und flott daher, so beginnt der Drummer ab Song 2 plötzlich sehr aktiv zu werden und bringt vom Halftimegroove bis zum Blastbeat ein breites Spektrum ein. Passend dazu fällt auch die Optik der Mitglieder erstaunlich inhomogen aus: Gitarrist und Drummer wirken wie ganz normale Jungs von nebenan, der Bläser sieht wie ein Gymnasiallehrer aus, der Basser würde optisch perfekt zu Eluveitie passen, und dann ist da noch die in eine lange schwarze Hose und ein gleichfalls schwarzes, aber hier und da semitransparentes Oberteil gehüllte Sängerin Melissa, eine extrem hübsche Dunkelhaarige, der die Herzen des Publikums scharenweise zufliegen und die die Zuneigung aber auch musikalisch rechtfertigt und gleichfalls ihr Scherflein zur Vielfalt beiträgt: Sich überwiegend einer irgendwo zwischen Anneke van Giersbergen und Floor Jansen angesiedelten Klarstimme bedienend, shoutet sie bedarfsweise auch herb ins Mikrofon, bangt fleißig und ist ein bewegungstechnischer Aktivposten auf der Bühne. Nummern wie „Last Breath“ machen viel Hörspaß und sorgen, nachdem der Soundmensch den anfänglichen Problemfällen erfolgreich begegnen und ein halbwegs transparentes Klangbild erschaffen konnte, für gute Laune im Publikum, das die Frankoschweizer trotz geringer eigener Kopfzahl und Openerstatus hochleben läßt. Federica, die Sängerin von Sleeping Romance, geht optisch beinahe als kleine Gothic-Schwester von Evenmore-Melissa durch, und so verwundert es auch nicht, dass die Stimmen nicht gar zu weit auseinanderliegen, wobei Federica sich allerdings vom herben Fach fernhält und die Normalstimme (etwas dünner als die Melissas) eher mit operatischen Ausflügen anreichert. Das Problem ist nur, dass ihr Mikrofon über die ganzen sechs Songs hinweg zu leise eingestellt ist und auch ansonsten das Klangbild vor allem bei den Saiteninstrumenten (es sind zwei Gitarristen und ein Bassist im Einsatz) arg undurchsichtig ausfällt. So ist es denn auch schade, den Bassisten zwar immer mal tappen zu sehen, das Ergebnis dann aber nicht zu hören. Generell läßt sich das italienische Quintett, das die Keyboard- und Orchesterklänge komplett vom Band holt, schon ins Symphonic-Fach irgendwo bei Epica & Co. einsortieren, aber wo genau, das muß der Interessent wohl auf dem aktuellen zweiten Album Alba, von dem laut Ansage alle sechs gespielten Songs stammen, nachhören. Interessenten gab es allerdings offenbar reichlich: Es ist der letzte Gig der Tour, und der gelegentlich auch eine leicht angerauhte Zweitstimme beisteuernde Gitarrist mit Stirnglatzenansatz, der die Ansagen in lustig akzentuiertem Englisch hält, gibt kund, dass nur noch ganze drei CDs übrig seien. Dass die Band noch wenig Liveroutine hat, zeigt sich u.a. darin, dass sich die Mitglieder nicht immer so ganz einig sind, in welchem Tempo sie zum Mitklatschen auffordern sollen – und in einem sehr doomigen Song das Mitklatschtempo gegenüber dem Grundbeat zu verdoppeln ist der Stimmung des zugehörigen Songs vielleicht auch nur bedingt angemessen. Trotzdem handelt es sich zweifellos um eine sympathische Truppe mit Potential, und trotz der erwähnten Soundprobleme ist auch das Publikum abermals positiv gestimmt. Visions Of Atlantis hat der Rezensent vor fast exakt zwölf Jahren an gleicher Stelle schon mal live gesehen, weiland als Support von Xandria (siehe Review auf www.crossover-netzwerk.de), allerdings zählt von der damaligen Besetzung nur noch der Drummer zur aktuellen Mannschaft – Gitarrist, Bassist und das gemischtgeschlechtliche Gesangsduo sind neu, und die Planstelle des Keyboarders wurde komplett eingespart, so dass auch hier die zahlreichen Tasten- und Sampleparts aus der Konserve kommen. Am Grundsound hat sich freilich auch auf dem neuen Album The Deep And The Dark nichts geändert, und selbiges stellt dann prompt das Gros der Setlist und befindet sich, wie eine Nachfrage seitens Sänger Siegfried ergibt, auch schon im Besitz so manches Anwesenden. Auch unter den Nichtanwesenden muß es schon ziemlich verbreitet sein, denn, so wird verkündet, es sei in den deutschen Albumcharts auf Platz 45 eingestiegen, einen Platz vor Scooter, in dessen Stil dann prompt ein paar Takte gejammt werden – man ist allgemein guter Laune, und außerdem handelt es sich ja um den letzten Tag der Tour, so dass sich auch mal Mitglieder der anderen Bands auf der Bühne einfinden und es sich mit Bierflaschen und Sonnenbrillen auf Barhockern gemütlich machen. Natürlich können Visions Of Atlantis auch ernsthaft arbeiten, und neben dem klassisch symphonicmetallischen Material sticht besonders eine von Sängerin Clémentine zu Piano- und Streichersounds im Alleingang bestrittene, nur im Finale noch durch die Bandkollegen ergänzte Ballade hohen Ergreifungspotentials heraus. Der Sound ist nach zwei, drei Songs relativ klar geworden, so dass man auch viele Feinheiten problemlos heraushört, wenngleich der Soundmensch in die alte Krankheit dieser Spezies verfällt und gegen Setende nochmal stärker aufdreht, was das Gesamtbild wieder verunklärt. Clémentine (normal bis operatisch) und Siegfried (normal, gut melodiehaltend) ergänzen sich gesanglich prima, und kleine Logistikprobleme wie der Fakt, dass das Publikum nach den letzten Tönen der Band in „Book Of Nature“ (schönes leicht orientalisch angehauchtes Gitarrensolo übrigens) schon zu applaudieren beginnt, obwohl noch eine halbe Minute Konservennachspiel kommt und an dessen Ende die Applausluft natürlich raus ist, trüben die positive Stimmung nicht. Mit „Lost“ aus dem Jahre 2004 spielt das Quintett auch einen Song, der vor zwölf Jahren bereits im Set stand, während andere noch von einer der Vorgängerbesetzungen stammende Songs wie „New Dawn“ oder „Passing Dead End“ anno 2006 noch nicht existierten oder zumindest noch nicht veröffentlicht waren. Mit der neuen Single „Return To Lemuria“ schließen Visions Of Atlantis einen starken Gig ab, und dass diese Nummer wieder mit einem längeren balladesken Part von Clémentine zu Pianobegleitung ausklingt und nicht mit einem großen Donnerschlagfinale, spricht für das Selbstbewußtsein der Österreicher und wird auch vom Publikum mit heftigem Applaus honoriert. Kurios dann aber der Fortgang: Die Band schießt noch ein Foto von der Bühne, geht dann von selbiger, das Publikum applaudiert noch kurz und geht dann seiner Wege, ohne die Möglichkeit einer Zugabeneinforderung auch nur erwogen zu haben. Setlist Visions Of Atlantis: The Deep And The Dark New Dawn Book Of Nature Ritual Night Silent Mutiny Lost The Grand Illusion Passing Dead End Return To Lemuria Auch Serenity haben ein neues Album draußen: Lionheart heißt es und stellt erwartungsgemäß etliche Beiträge für die Setlist – da diese allerdings headlinergemäß relativ lang ist, bleibt trotzdem noch genug Zeit, um sich kreuz und quer durch die Diskographie bis zurück zum Debütalbum zu spielen. Nachdem Visions Of Atlantis bereits über ihren Charterfolg berichtet haben, lassen sich Serenity natürlich nicht lumpen, denn Lionheart ist sogar noch ein paar Positionen weiter oben gelandet, und zwar unmittelbar vor Andreas Gabalier, wie Sänger Georg mit Stolz verkündet. Die Gesangsvielfalt multipliziert sich hier übrigens sogar noch: Der Basser übernimmt einige Leadpassagen und beweist, dass er auch als Fronter einer Power-Metal-Kapelle taugen würde, der Gitarrist kann nicht nur klar singen, sondern auch fies ins Mikro kreischen, der besagte Georg teilt die kneipenschlägerkompatible Optik mit seinem Toxic-Smile-Kollegen Larry B. und ähnelt diesem auch stimmlich ein wenig, und dann gibt es da auch noch eine Frau, die bisweilen als klassische Backgroundsängerin arbeitet, aber nicht selten auch gleichberechtigte Duettpartnerin Georgs ist und hier und da gar allein im Rampenlicht steht. Und obwohl sie die Kleidung gewechselt hat und jetzt in einer Art schwarzem Einteilerbadeanzug, ergänzt lediglich noch um einen halbtransparenten Umhang, agiert, erkennt man sie problemlos wieder – es ist Melissa von Evenmore, die seit 2017 Serenity gasthalber bereichert und natürlich auch hier eine exzellente Figur macht. Der sinfonische Melodic Metal der Band, die übrigens als einzige des Abends einen Keyboarder auf der Bühne hat, macht jede Menge Hörspaß, ist ideenreich arrangiert und kommt auch soundlich nachvollziehbar aus den Boxen. In der Setmitte integrieren die Österreicher einen besonderen Programmpunkt, nämlich einen Akustikblock mit Akustikgitarre, Piano, Cajón und natürlich Gesang, die Musiker bis auf den Keyboarder vorn auf Barhockern versammelnd und zwei riesige Kerzenständer zum Einsatz bringend, songtechnisch zusammengesetzt aus „Fairytales“ (das vom Publikum begeistert mitgesungen wird, nachdem es schon im regulären Setopener „United“ bei dessen Ohoho-Chören umfangreich zum Einsatz gekommen war), „When Canvas Starts To Burn“ und dem uralten „Engraved Within“, das emotional besonders ergreifend ausfällt. Der Kontrast folgt auf dem Fuße, denn während der Abbauarbeiten der Zusatzausrüstung stürmen diverse Vorbandmitglieder die Bühne und intonieren halbnackt und mit Pudelmützen Apres-Ski-Gesänge, eine Polonaise anzettelnd, die allerdings nicht auf den Publikumsraum übergreift, obwohl da genug Platz gewesen wäre: Zwar ist das vordere Hallenviertel mit Serenity-Die-Hards gefüllt, aber dahinter befinden sich nur noch einige lockere Publikumsgrüppchen. Schade drum, denn die Österreicher setzen einem musikalisch hochwertigen Package die Krone auf, spielen nach weiteren Krachern wie dem Lionheart-Titeltrack noch einen ausgedehnten Zugabenblock, in dem als zweite Gastsängerin auch noch Sleeping-Romance-Federica mitwirkt, und beenden ihren Set schließlich mit einer Vierfach-A-Cappella-Einlage, die einmal mehr beweist, um was für hochkarätige Musiker es sich hier handelt. Pech für alle Nichtdagewesenen – und wer weiß, wann es wieder mal eine solche Gelegenheit gibt. Setlist Serenity: Deus Lo Vult (Intro) United Spirit In The Flesh Coldness Kills Iniquity The Matricide Hero --- Akustikset: Fairytales When Canvas Starts To Burn Engraved Within --- The Fortress (Of Blood And Sand) Rust Of Coming Ages Serenade Of Flames Lionheart Follow Me --- Intro The Final Crusade Legacy Of Tudors Velatum Outro (Stand And Fight) Roland Ludwig |
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