Beethoven, L. v. (Shui, L.)
Sinfonie Nr. 9
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Info |
Musikrichtung:
Klassik Orchester
VÖ: 24.02.2017
(Orchid Classics / Naxos / CD / DDD / 2013 / Best. Nr. ORC100064)
Gesamtspielzeit: 60:46
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FREUDENFEST
Dass es noch möglich sein sollte, den Sinfonien Ludwig van Beethovens neue Seiten abzugewinnen, wollte ich lange nicht glauben - bis ich die Einspielungen der Copenhagen Phil unter der Leitung von Lan Shui hörte.
Der 2013 eingespielte Zyklus sämtlicher Sinfonien, der jetzt nach drei Jahren mit der Veröffentlichung der 9. Sinfonie vollständig auf CD vorliegt, zeigt: Es ist möglich. Beim Copenhagen Phil vibriert die Musik wie selten vor innerer Lebendigkeit und hat mich nach jahrelanger Beethoven-Sinfonien-Distanz wieder für diese Musik entflammt.
Shui verbindet historisch informiertes Spiel auf modernen und - bei den Hörnern und Trompeten - Kopien historischer Instrumente und folgt damit einer jüngeren Entwicklung bei der Beethoveninterpretation. Auch, dass er die umstrittenen Metronnomangaben Beethovens ernst nimmt und damit sehr schnelle Tempi zugrundelegt, ist noch nicht das eigentlich Neue. Neu ist vielmehr, dass mit diesen Zutaten ein Beethoven gelingt, der vor Energie schier zu bersten scheint, der ungemein vital und dramatisch, aber nicht angestrengt pathetisch rüberkommt.
Im Gegenteil: Die Musik klingt sogar oft überraschend witzig, keck, ja frech. Denn ein zu ebenmäßiger Schmelzklang, der bei Beethovens Musik schnell für eine pseudoromantische Patina sorgt, wird durch geschliffene Artikulation und die Betonung der Klangfarben vermieden. Hier spielen tatsächlich lauter Solisten zusammen, die sich immer mal wieder gekonnt in Szene sezten und die Bälle zuspielen, wenn es die Partitur erfordert (wie z. B. im Scherzo). Dazu immer wieder eine markante Dosis Pauke, die sich in das transparente Klangbild stimmig einfügt. Es sind zahllose Details wie diese, durch die in der Summe ein frischer Blick auf die Stücke eröffnet wird.
Die schnellen Tempi, die sicherlich eine große Herausforderung für ein Orchester sind, werden nicht nur bewältigt, sondern überlegen gestaltet - ja, es scheint da immer noch etwas Luft nach oben zu sein. Beethovens instrumentale Gags zünden darum ebenso wie der Drive seiner Kompositionen den Hörer mitreißt und ihre weit ausgesungenen lyrischen Passagen ihn bewegen. In den besten Momenten hebt die Musik tatsächlich ab.
Das alles kommt insbesondere noch einmal der oratorienhaften 9. Sinfonie zu gute, die manchmal etwas schwer unter der Last ihrer vor allem im Schlußsatz sich immer weiter steigernden Freudenbekundungen trägt. Wie schnell wirkt das pompös-zopfig oder angestrengt heroisch, vor allem wenn die Solisten einsetzen oder ein Marsch intoniert wird. Shui und seinem famosen Ensemble hingegen liegt nichts ferner als affirmativer Donner. Vielmehr deuten sie Beethoven immer aus den Stilmitteln der Klassik heraus, die der Komponist zugleich transzendiert.
Die Freude wird so zum Grundimpuls, die die ganze Sinfonie durchzieht, ihr eigentliches, klanggewordenes Thema ist. Sie wird mit anderen, dramatischen und manchmal regelrecht numinosen Ausdruckskräften konfrontiert. Trotzdem ist sie immer gegenwärtig und setzt sich immer wieder durch: Sie kann humorvoll, heiter oder elegisch gefärbt sein, bevor sie schließlich als stürmische, überschwängliche und schließlich namenlose Qualität alle musikalischen Kräfte - und dann auch den Hörer - im Taumel mit sich reißt.
Erfreulicherweise spielt nicht nur das Orchester auf höchstem Niveau, auch sämtliche Solisten und der Chor agieren auf Augenhöhe: Schlank, klangintensiv und aufgrund der sauberen Artikulation gut textverständlich.
Eine maßstabsetzende Einspielung.
Georg Henkel
Trackliste |
1 | Allegro ma non troppp | 13:29 |
2 |
Scherzo: Molto vivace | 12:25 |
3 |
Adagio molto e cantabile | 11:59 |
4 |
Presto | 22:53 |
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Besetzung |
Klara Ek, Elisabeth Jansson, Thomas Cooley, Liao Changyong
Ars Nova Copenhagen
Latvian Radio Choir
Copenhagen Phil
Lan Shui, Leitung
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