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Ysaÿe, E. (Murray)
Sechs Sonaten für Solo-Violine op. 27
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Info |
Musikrichtung:
Spätromantik Violine
VÖ: 17.02.2012
(Harmonia Mundi / Harmonia Mundi / CD / DDD / 2011 / Best. Nr. HMU 907569)
Gesamtspielzeit: 68:43
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RESPEKTABEL
Die Beiträge des belgischen Violinvirtuosen Eugène Ysaÿe (1858-1931) zur Violinliteratur unternehmen einen furiosen Brückenschlag zwischen den stilistischen Welten. Das in punkto Virtuosität und Klanglichkeit immens gesteigert barocke Vorbild eines J. S. Bach wuchert gleichsam bis in atonale Regionen hinein, ohne sich vollends darin zu verlieren. In seinen sechs Sonaten für Solo-Violine gemahnt Ysaye an die verschiedenen Stile und Epochen durch wörtliche oder stilistische Zitate, wobei die Montagetechnik, derer er sich dabei bedient, gleichsam ein Ausdruck für die „seismischen kulturellen Verwerfungen“ der Jahrhundertwende sind. Eine nervös-zerklüftete Atmosphäre prägt die Musik.
Jede Sonate ist einem anderen Kollegen gewidmet. Dunkle Romantik und verspielter Symbolismus, kühler Neoklassizismus und Vorechos der konstruktivistischen Avantgarde werden mit starker Geste vereinigt, Extreme aller Art dabei ausgekostet. Eine gewisse Herbheit und Kantigkeit hält die Musik auf dem Boden und verleiht ihr eine elektrisierende körperliche Energie. Eine Tour de force für Spieler und Hörer!
Die junge amerikanische Geigerin Thai Murray setzt sich gleich auf ihrer ersten CD mit diesem berühmten, aber nicht gerade leicht zugänglichen Monument der Violinliteratur auseinander – ein Ausdruck für ihre künstlerische Souveränität. Das Ergebnis ist sehr respektabel, wenngleich der letzte kongeniale Funken noch fehlt. Murray geht die formal und stimmungsmäßig sehr unterschiedlichen Sonaten mit einer gewissen Maßhaltung an und versucht dabei, Strenge und Nuancenreichtum auszubalancieren. Der angemessen direkt aufgenommene Ton ist voll und fruchtig, dabei aber deutlich vibratoärmer als bei den Kollegen. Murray macht zwar Gebrauch von Rubati, legt die Darstellung im Ganzen aber oft episodenartig an, was den konstruktivistischen Aspekt der Musik auf Kosten des organischen Flusses betont (so bei der bizarr-barocken 1. Sonate). Trotz der bemerkenswerten technischen Beherrschung erreicht sie nicht ganz jene spielerische Souveränität, die z. B. Thomas Zehetmair (ECM, 2004) zu Gebote steht. Er hat die größeren Reserven, spielt mit üppigerem, Portamenti auskostenden Ton nicht ‚in‘ (oder ‚nach‘) den Noten, sondern gleichsam ‚darüber‘. Das verleiht seiner Interpretation eine fast schon improvisierte Lässigkeit, über die Murray trotz ihrer technischen Fähigkeiten (noch) nicht verfügt. So darf man sehr gespannt sein, wie sich diese vielversprechende Künstlerin in Zukunft entwickeln wird.
Georg Henkel
Trackliste |
01-04 Sonate Nr. 1 18:53
04-08 Sonate Nr. 2 13:45
09 Sonate Nr. 3 7:30
10-12 Sonate Nr. 4 12:04
13-14 Sonate Nr. 5 9:21
15 Sonate Nr. 6 7:10
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Besetzung |
Tai Murray: Violine
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