Rameau, J.-Ph. (A Deux Violes Esgales)
Les Surprises de l’Amour (Bearbeitung von Ludwig Christian Hesse)
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Info |
Musikrichtung:
Barock Ensemble
VÖ: 01.03.2011
(Alpha / Note 1 / CD / DDD / 2009 / Best. Nr. Alpha 176)
Gesamtspielzeit: 68:00
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OPER IM KANTATENFORMAT
Rameaus Werke existieren Dank des Perfektionsstrebens ihres Autors häufig in mehreren Fassungen, die sich mitunter erheblich voneinander unterscheiden. Im Fall des opéra-ballets Les Surprises de l’Amour, das von Madame de Pompadour in Auftrag gegeben und unter ihrer Mitwirkung 1748 in Versailles uraufgeführt wurde, hat sich Rameau im Laufe der folgenden Jahre zu mehreren Umarbeitungen entschlossen, bei denen z. B der Prolog durch ein weiteres amouröses Entrée ersetzt wurde. 1758 lag eine endgültige Version mit vier pikanten, mythologisch maskierten Liebesgeschichten vor, die clipartig aufeinander folgen. Nach über 60 erfolgreichen kommerziellen Vorstellungen in Paris geriet das Werk in Vergessenheit.
1990 immerhin kam eine Aufnahme der zahlreichen Orchestersätze und Tänze in Suitenform heraus (Marc Minkowski, Les Musiciens du Louvre, Erato). Zwar konnte man hören, dass Rameau sich dafür auch bei anderen seiner Werke bedient hat. Doch im Ganzen bekam man bei dieser Teilerweckung Lust auf das ganze Werk.
Die hier zur Besprechung anstehende Neuproduktion ist nun ebenfalls keine Gesamteinspielung geworden. Es handelt sich vielmehr um eine kammermusikalische Bearbeitung ausgewählter Orchestersätze für zwei Gamben und Cembalo durch den Berliner Gambisten Ludwig Christian Hesse (1716-1772). Diesen Torso, der erst 2007 entdeckt worden ist, hat man für die vorliegende CD noch um einige passend arrangierte Vokalnummern ergänzt. Hesses Einrichtung ist Oper für das häusliche Musizieren, vor der Erfindung der Tonkonserve – aber mit durchaus virtuosem Anspruch. Interessant ist diese Produktion auch deshalb, weil man einmal sieht, ob und wie Rameaus Musik über die Grenzen Frankreichs hinaus wahrgenommen wurde.
Hesse macht seine Sache gut. Die Surprises geraten zu großen Kammerkantaten (wobei durch die Auswahl die ursprüngliche Handlung natürlich verloren geht). Musikalisch freilich wirkt diese Hybride überzeugend. Am besten klingen jene ruhigen, sanft melancholischen Stücke, die dem Temperament der Gambe per se nahe stehen, z. B. die hingebungsvolle Sarabande aus Anacréon. Die funkelnde Ouvertüre hingegen scheint ebenso wie die vitaleren Tänze die Instrumente etwas an ihre Grenzen zu führen. Da weht dann doch der Geist der reflexschnelleren Violinen und Flöten durch die Notenkaskaden.
Die Melancholie, die Rameaus Musik auch in ihren fröhlichsten und liebreizendsten Momenten prägt, kommt durch den klagenden Gambenklang noch stärker zum Tragen. Auch die Vokalnummern profitieren davon. Das Duett Que vois-je (ebenfalls Anacréon) gerät zu einem heimlichen Höhepunkt, ebenso das Air der an sich eher prüden Urania, die in La Lyre Enchantée durch eine verzauberte Lyra in erotische Wallung gerät. Lässt sich schmerzvolle Sehnsucht ansprechender in Töne fassen (oder singen) als hier? Mag man auch die farbige Instrumentierung der Originalversion vermissen: Die Substanz der Musik bleibt erhalten und berührt unmittelbar.
Die kundigen Interpreten vom Ensemble A Deux Violes Esgales mit ihren antiken Originalinstrumenten sowie die beiden stilsicheren SängerInnen Monique Zanetti und Stephan MacLeod musizieren ausdrucksintensiv, dabei stets klangschön und elegant. Getragen werden sie dabei von der angenehm resonanzreichen Akustik des Aufnahmeortes.
Georg Henkel
Besetzung |
Monique Zanetti: Sopran
Stephan MacLeod: Bariton
Jonathan Dunford & Sylvia Abramowicz: Gamben
Pierre Trocellier: Cembalo (Joseph Collesse, 1748)
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