Musik an sich


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Kloster von Suprasl (Safonov)

Passion der russisch-orthodoxen Kirche. Antiphone zum Karfreitag - Znamenny-Gesänge nach Manuskripten des Klosters von Suprasl (16.Jh.)


Info
Musikrichtung: Mittelalter Geistliche Musik

VÖ: 01.03.2010

(Christophorus / Note 1 CD / DDD / 2000 / Best. Nr. 77322)

Gesamtspielzeit: 73:00



MYSTISCHE PASSION

Man muss diese Antiphonen zum Karfreitag aus dem russischen Kloster Suprasl wirklich als Andachtsmusik hören. Ihre kontemplative Schönheit ist ganz darauf ausgerichtet, spirituelle Bewegungen in der Seele des Hörers auszulösen und ihn zu einer mystischen Betrachtung der Leiden Christi zu anzuregen. Worte, Musik und Geist – diese drei Dimensionen wirken in den anonymen Schöpfungen der Mönche zusammen wie die drei göttlichen Personen in der Trinität. Und das kann man wirklich hören bzw. erleben!
Diese Musik verzichtet auf jedes schmückende, virtuose Beiwerk, ist aber nicht simpel, sondern im wahrsten Sinne des Wortes wesentlich. Über endlosen Haltetönen, die zugleich einen harmonisch-melodischen Bewegungsraum markieren, entfalten sich die einstimmigen Gesänge, deren herausstechende Qualität ihre Zartheit und Innigkeit ist. Sie können vom ganzen Chor oder einzelnen Sängern intoniert werden.
An die Stelle der dunklen, innbrünstigen Strenge, die die russische Kirchenmusik ansonsten kennzeichnet, ist bei den Passions-Antiphonen der Ausdruck von stiller Ergriffenheit und Trauer getreten. Es ist ein Glück, dass diese besondere Qualität im 16. Jahrhundert ausnahmsweise durch präzise „moderne“ Notation erfasst wurde. Denn die bis dahin gebräuchlichen Neumen waren in erster Linie Gedächtnishilfen für eine stark durch mündliche Überlieferung und Nachahmung geprägte Tradition. Als diese Tradition im 18. und 19. Jahrhundert unterbrochen wurde, gingen viele Feinheiten des Ausdrucks und der genauen Gestaltung der liturgischen Gesänge verloren. Die Mönche des Danilovklosters Moskau unter Georgy Safonov stehen in dieser Tradition und bieten eine intensive authentische Lesart. Zeit spielt keine Rolle; für rund 70 Minuten scheint sie aufgehoben. Allerdings wurden für die CD nicht die vollständigen Gesänge, sondern pro Antiphon drei bis vier Verse eingesungen. Eine Gesamtaufführung käme auf über drei Stunden. Eindrucksvoll ist das Ganze allerdings auch so. Eine kurze Homilie durch Bischof Hilarion rundet die Passionsandacht ab. Die Übersetzung aller Texte findet sich inklusive Einleitung im Beiheft.



Georg Henkel



Besetzung

Mönchschor des Danilovklosters Moskau
Georgy Safonov: Leitung


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