Saga haben ein ganz spezielles Kreuz zu tragen. Mit den genialen ersten vier Longplayern haben sie sich die Latte selber in brutal hohe Bereiche gelegt. Und zwangsläufig werden sie seitdem immer an diesem Level gemessen. Erreicht haben sie es nie wieder. Und auch "Marathon" scheitert an dieser Hürde. Aber das besagt noch lange nichts über die Qualität der Scheibe.
Irgendwann ist bei Saga irgendetwas passiert. Ist es die Produktion? Sind es neue Instrumente oder eine neue Aufnahmetechnik? Ich weiß es nicht genau, aber plötzlich wurden die Kanadier kälter und technischer. Die Magie der ersten Scheiben verflog. Diese Entwicklung setzte bereits auf "Heads and Tales" ein und erreichte auf dem Nachfolger "Behaviour" seinen fast katastrophalen Höhepunkt.
Mit den beiden letzten CDs griffen Saga zumindest äußerlich in die Vergangenheit zurück. Auf "House of Cards" erschien wieder das alte Logo und mit "Full Circle" setzte man die Tradition der "Chapters" fort, die nach den ersten vier CDs erst einmal beendet war. Ob damit auch ein musikalisches Wiederanknüpfen verbunden war, vermag ich nicht zu beurteilen. An diesen Stellen klaffen Lücken in meiner Saga-Sammlung.
"Marathon" jedenfalls ist für mich eine Art "Heads and Tales" mit umgekehrtem Vorzeichen. Während sich damals die Kälte hereinschlich, höre ich auf "Marathon" unverkennbar wieder die Wärme der ersten Alben aufziehen. Vor allem drei Stücke sind es, die mich in dieser Hinsicht aufhorchen lassen ("How are you?", "Hands up" und "Return to Forever"). Und auch der Rest der CD kann sich gut hören lassen. Nicht nur die zwei schönen Balladen ("Breathing Lessons", "Rise and shine") und der knackige Opener beweisen, dass man auch heute noch kraft- und gefühlvolle Rockmusik spielen kann, ohne gleich in den Metal- oder Schmuse-AOR-Bereich abdriften zu müssen.
Eins zumindest hat die neue Saga erreicht. Die alten Saga-CDs sind mal wieder in die erste Reihe des CD-Regals gerückt worden - und auch die aktuelle (erste) Saga-DVD rotiert regelmäßig. (Review in dieser MAS-Ausgabe)
Norbert von Fransecky
14 von 20 Punkte
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