Thornhill, Mertens, Bremer Domchor, Kammer Sinfonie Bremen, Wolfgang Helbich
Wenn der überwiegende Teil der Mitwirkenden dieser Einspielung aus jener Stadt kommt, die die Uraufführung des Werkes 1868 erleben durfte, so meint man, ein besonderes Engagement erwarten zu dürfen, zumindest aber das Bemühen, der historischen Verpflichtung gerecht zu werden.
Der Bremer Domchor und die Kammer Sinfonie Bremen unter Leitung von Wolfgang Helbich (bekannt durch sein "Alsfelder Vokalensemble") enttäuschen diese Erwartung bitter.
Ihr "Deutsches Requiem" kann allenfalls zum Mittelmaß der Einspielungen des Werkes gezählt werden.
Die Probleme werden gleich im ersten Satz überdeutlich: Der Chor kämpft mit Intonationsschwächen und wirkt in den höheren Lagen ein ums andere Mal brüchig, ja unsicher. Im Schlußsatz wird gar der Einsatz des Chores "geschlabbert", man mogelt sich zaghaft in den Ton hinein, den man zunächst nicht getroffen hat. Schlimmer noch ist indes, daß keine Auseinandersetzung mit dem Text und seiner Bedeutung hör- oder spürbar wird. Da wird gesungen "Die mit Tränen säen, werden mit Freuden ernten" - beim Bremer Domchor klingen Tränen und Freude völlig gleich. Es ist, als ob bei dem Bemühen um Textverständlichkeit das Textverständnis auf der Strecke geblieben wäre.
Wo bleibt die Erschütterung, wenn es im zweiten Satz heißt "Denn alles Fleisch, es ist wie Gras"?! Das ist doch keine Mitteilung des Landfunks! Es geht schlechthin um DIE existenziellen Fragen des Menschen. Helbich und sein Ensemble verstehen es bedauerlicherweise nur bruchstückhaft, etwas von dieser Existenzialität zu transportieren.
Dabei fehlt es nicht einmal an Gespür für die dramatische Zugkraft des Werkes. Die Tempi werden durchaus eher unromantisch genommen, jedoch gelingt es Helbich nicht, Konturen herauszuarbeiten. Stattdessen entsteht häufig ein bloßer "Klangbrei", gefördert durch eine gleichfalls nicht zufriedenstellende klangtechnische Balance. Das Label MDG, sonst für seine technisch überragenden Produktionen bekannt, scheitert am selben Problem, wie so viele andere vor ihm: In den lauteren Passagen entsteht ein baßlastiger Sound, die Höhen werden gedeckelt, die Pauke übertönt alle anderen Instrumente und Stimmen.
Immerhin ein Lichtblick ist zu verzeichnen: Klaus Mertens brilliert als Solist mit einem unverkennbar an Bach geschulten Bariton und vermittelt, zumal im sechsten Satz, eine Ahnung davon, wie die Botschaft dieses Requiems begreiflich gemacht werden kann.
Die weitere Solistin Siri Karoline Thornhill, Sopran, vermag hingegen aufgrund ihrer schmalen, ein wenig schneidenden Stimme das trostreiche "Ihr habt nun Traurigkeit" nicht ganz adäquat zu gestalten.
12 von 20 Punkte
Sven Kerkhoff