Ronnie Stolt scheint von arger Langeweile oder unheilbarer Kreativität geplagt zu sein. Die Engagements bei den beiden Prog-Superbands Flower Kings und Transatlantic scheinen ihn jedenfalls nicht mal im Ansatz auszulasten. Gemeinsam mit dem Keyboarder Hans Lundin hat der große Dlonde aus dem Norden Kaipa, eine Jugendband der beiden, reaktiviert. Und endlich betritt wieder einmal eine Band die Arena, die die hohe Schule der schönen Musik nur so aus dem Ärmel schüttelt - klar, rein, melodisch und harmonisch, ganz ohne scharfe Kanten und verletzende Ecken. Und wenn in den so beschriebenen Gewässern die omnipräsenten Riffs des Kitsches auch an jeder Ecke lauern, gelingt es dem Quintett um Stolt und Lundin dennoch zu jeder Sekunde sie souverän zu umschiffen. Hört Euch nur mal die "Mirrors of Yesterday" an.

Stilistisch befinden sich Kaipa mit ihrer Mischung aus Prog-Pop und Folk deutlich näher bei den FloKis, als bei den erheblich härteren Transatlantic. Da sie melodisch klarer sind und wesentlich schneller auf den Punkt kommen, gefallen sie mir aber sogar deutlich besser als die erstgenannten.

Das Titeltrack begrüßt den Hörer sehr ruhig, fast new agig, bevor ein Gitarren- und Schlagzeugsound einsetzt, der die gesamte CD immer wieder prägt, und der mir sofort vertraut vorkam. Es hat aber eine ganze Zeit des Kramens in den Untiefen meines musikalischen Unterbewusstseins bedurft, bevor ich wusste, woran er mich erinnerte. Es handelt sich um die relativ selten genannte und wenig beachtete erste Solo-Scheibe von Michael Ruhterford (Genesis). Und hier und bei den "romantischen" Genesis-Scheiben der 70er (Wind and Wuthering, Trick of a Tail, Selling England") scheinen auch die kräftigsten Kaipa-Wurzeln in den Boden zu greifen. Wird wohl kein Zufall sein, dass die Band ursprünglich 1975 gegründet wurde. Auch die Bläsersätze bei "Morganism" blasen den Sound der 70er aus den Boxen. Das Lüftchen stammt allerdings von jenseits des großen Teiches. Hier standen wohl frühe Chicago Pate. Ein schöner Farbtupfer, der die "Notes from the Past" (einen besseren Titel hätte Stolt kaum finden können.) wunderbar bereichert.

Muss ich noch erwähnen, dass ich eine absolute Kaufempfehlung ausspreche ??

Norbert von Fransecky

18 von 20 Punkte

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